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Prioritäten

Wuppertal. Die Straßen waren heute Morgen ziemlich leer. Drei Menschen nähern sich von links. Der Mann vor mir nimmt sein Telefon aus der Tasche. „Hallo, ich möchte drei Personen melden, die gegen das Gesetz verstoßen.“

Veröffentlicht von Enough 14. Geschrieben von Riot Turtle. Lektoriert von Sebastian Lotzer. Bild oben: „Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren, denn die Normalität war das Problem“.

„Es ist sinnlos, auf einen Durchbruch zu warten, auf die Revolution, die nukleare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Weiter zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe kommt nicht, sie ist hier. Wir befinden uns bereits inmitten des Zusammenbruchs einer Zivilisation. Innerhalb dieser Realität müssen wir uns für eine Seite entscheiden.“

Unsichtbares Komitee – Der kommende Aufstand

In den vergangenen Wochen hat sich Deutschland in ein Land voller Virologen und Hilfssheriffs verwandelt. Die Anzahl der Hilfssheriffs war hier schon immer hoch, aber im Moment explodiert ihre Anzahl. „Sie dürfen nicht mit mehr als drei Personen nach draußen gehen. Ich bestehe darauf, dass Sie sie festnehmen.“

Dies war eine der ersten Szenen, die sich vor meinen Augen ereignete, nachdem ich aus einer zweiwöchigen Quarantäne kam. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob es gut war, wieder nach draußen gehen zu können. Es scheint, dass sich die Prioritäten verschoben haben, damit das Virus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eingedämmt werden kann. Sogar viele Menschen der sogenannten Linken wiederholen das Mantra der deutschen Regierung und der Virologen der deutschen Bundesbehörde; dem Robert-Koch-Institut (RKI). Denken Sie nicht, stellen Sie keine Fragen, tun Sie einfach, was Ihnen gesagt wird.

Und während viele Menschen eine Regierung feiern, die uns über Nacht unsere Grundrechte weggenommen hat, werden diejenigen, die Fragen stellen, als unverantwortliche, potenzielle Quacksalber*innen behandelt. In der Zwischenzeit sind die Menschen gezwungen, weiter zur Arbeit zu gehen, wo einige von ihnen mit Hunderten anderen acht Stunden lang in einer stickigen Fabrik zusammen sind. Wenn drei von ihnen ihre Schicht beendet haben und gemeinsam zur nächsten Bushaltestelle gehen, begehen sie dagegen heutzutage ein Verbrechen.

Abgesehen von der autoritären Krise, eine Tendenz, die vor langer Zeit begann, aber jetzt deutlicher sichtbar ist, hat auch eine Wirtschaftskrise begonnen, die schlimmer sein wird als die von 2007/2008. Viele der prekär Beschäftigten wissen bereits jetzt nicht, wovon sie leben sollen, und es wird sich in den kommenden Wochen und Monaten noch schlimmer werden. Unsere Herrschenden machen wahrscheinlich schon Pläne, wie sie ihren Untertanen verkaufen wollen, dass sie für die Krise bezahlen müssen. Vielleicht versuchen sie es noch einmal mit „Wir sitzen alle im selben Boot“. Die Frage ist: Wird es ihnen gelingen, die Menschen in dieser demoralisierten und zerbrochenen Gesellschaft zu überzeugen?

Wir haben eine Regierung, die Tausende von Menschen einfliegen lässt, um Spargel für die deutsche Mittel- und Oberschicht zu ernten, die aber die Augen verschließt, wenn sich auf den griechischen Inseln eine Katastrophe abzeichnet. Ärzte appellieren verzweifelt für die Schließung der überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos und anderen Inseln, aber viele deutsche Politiker*innen sind eher um die Spargelernte besorgt. Es geht dabei um Prioritäten.

Das ist eigentlich nicht überraschend. Unsere Herrschenden haben die Abschaffung des Asylrechts durch die griechischen Behörden vor dem Ausbruch von COVID 19 unterstützt. Sie unterstützten auch die „Verteidigung“ der türkisch-griechischen Grenze vor dem Ausbruch von COVID 19. Erinnern wir uns daran, dass auf mehrere Geflüchtete geschossen wurde, einige von ihnen wurden dabei getötet. Unsere Herrschenden halten immer noch Waffenfabriken offen. Sie genehmigten in den letzten Jahren mehr Waffenexporte als je zuvor, so war es auch nicht überraschend, dass wir auf unseren Fernsehschirmen viele deutsche Panzer mit türkischen Flaggen durch Afrin und Rojava rollen sahen.

Es ist mehr als nur naiv zu glauben, dass die Regierung an unserer Gesundheit im Allgemeinen interessiert ist. Sie hat in der Vergangenheit große Teile des Gesundheitssektors verschachert, einerseits durch Kürzungen und Privatisierungen, andererseits durch das Ignorieren von Ratschlägen zur Vorbereitung auf eine Epidemie. Unsere Herrschenden sind an Arbeitskräften interessiert, die gesund genug sind, um die Profite unserer Herrschenden zu erwirtschaften. Nicht mehr und nicht weniger.

Ein kurzer Blick auf den Umgang mit der Klimakrise sagt genug. Die Erde stirbt und sie sind nicht bereit, dagegen allzu viel zu tun. Aber wir können es tun. Wenn wir aufstehen und der kapitalistischen Herrschaft endlich ein Ende setzen, können wir vielleicht den Planeten retten und dem Elend, in dem wir leben, ein Ende setzen. Das Elend, das von denselben Herrscher*innen auferlegt wird, die die Menschen in (prekären) Abhängigkeiten halten, während sie Freiheit und Solidarität predigen.

Wir haben es nie geschafft, die kapitalistische Maschine zu stoppen. Dem Virus ist es aber gelungen.. Aber es gibt aber etwas Licht am Horizont. Immer mehr Menschen kommen aus ihre Schockstarre heraus, auch Teile der so genannten Linken. Es liegt an uns, ob wir unseren Herrscher*innen erlauben, zur „Normalität“ zurückzukehren. Das sollte unsere Priorität sein.

„Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren, denn die Normalität war das Problem“.

Chile, März 2020

Riot Turtle 4. April, 2020


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