
Wuppertal. 26. Mai. 2020. Nun werden also die sogenannten Kontaktverbote immer mehr gelockert. An den meisten Arbeitsplätzen hat es sie ohnehin nie gegeben, nur das soziale Leben wurde vom deutschen Staat komplett zerstört. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, denn die ganze Aufführung, der Auftakt, der erste Akt und der nun begonnene zweite Akt, wurde zum Schutz der Wirtschaft aufgeführt. Das mag seltsam klingen, ist es aber nicht.
Publiziert von Enough 14. Geschrieben von Riot Turtle.
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Ja, es gingen Milliarden verloren, und die Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei. Sie hat eigentlich gerade erst angefangen. Mitte Februar: Vertreter*innen der deutschen Bundesbehörden für Krankheitsbekämpfung und -prävention, des RKI, sagten auf Pressekonferenzen noch „es ist ähnlich wie eine Grippe“ und „es ist halb so wild“. Ja, auch der Virologe und „Nationalheld“ Droste (Charité) spielte damals das Coronavirus herunter. Für eine Bundesbehörde wie das RKI zu arbeiten, bedeutet, die Unabhängigkeit aufzugeben, und so sind die Äußerungen von Wieland, Droste (Denn das Charité arbeitet eng mit dem RKI zusammen) und anderen bis Mitte Februar nicht überraschend. Ähnliche Äußerungen machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Anfangszeit der sogenannten Corona-Krise. Sie alle hofften noch immer, dass das Virus Deutschland nicht treffen würde und die kapitalistische Maschinerie mit der Ausbeutung des Lebens auf der Erde fortfahren könnte.
Das begann sich Anfang März zu ändern. Das Coronavirus entwickelte sich zu einer Pandemie, und Europa wurde mit voller Wucht getroffen. Die Regierung Merkel und logischerweise auch die Bundesbehörde RKI änderten ihren Kurs. Das Mantra „Bleib zu Hause“ begann und bald wurde per Dekret der Ausnahmezustand ausgerufen. Die Politiker*innen begannen zu blubbern, dass „wir alle im selben Boot sitzen“ und „wir müssen zusammenhalten“. Aber für viele Menschen ging das Schiff bereits vor Corona unter, für Obdachlose, prekäre Arbeiter*innen, Erwerbslosen, Geflüchtete und viele andere. Einer der Staaten mit einige der größten Rüstungskonzerne auf dem Planeten praktizierte eine Stilllegung, um Leben zu schützen? Um die Bevölkerung zu schützen? Nein. Wie Sebastian Lotzer geschrieben hat: „Die Verhängung des Ausnahmezustandes genauso wie die teilweise Rücknahme in erster Linie “den wirtschaftlichen Interessen” geschuldet. Eine grassierende Pandemie mit einer hohen Anzahl an Erkrankten im Zentrum der Verwertungsmaschinerie sollte verhindert werden, die Vermeidung von Toten ist dabei nur aus Gründen der Staatsraison als Legitimationsbasis von Bedeutung, sonst wäre man ja auch nicht bereit, jederzeit Kriege zu führen, die auch unter den Angehörigen der “eigenen Bevölkerung” eine hohe Anzahl an Opfern fordern können.„
Abgesehen von einigen Ausnahmen gab es aus den meisten Teilen der Linken keinen Widerstand gegen die repressiven staatlichen Maßnahmen. Wie in vielen anderen Ländern ist die Krise der Linken auch in Deutschland eigentlich nicht neu. Viele Aufstände in den vergangenen Jahren wurden von anderen begonnen. In den Banlieus in Frankreich, in den Vorstädten von Santiago de Chile und hungernden Menschen in vielen anderen Territorien. In diesem Sinne kann auch die Akzeptanz des mit der Corona verbundenen Ausnahmezustands durch große Teile der Linken als ein Augenöffner gesehen werden. Der Widerstand wird von woanders kommen, und wenn die Menschen nicht wollen, dass die Rechtsextremen noch mehr von der autoritären staatlichen Reaktion auf die Pandemie profitieren, dann sollte besser schnell gehandelt werden. In einigen Staaten, wie zum Beispiel in Frankreich und Chile, haben sich Teile der Linken mit neuen Akteuren vor Ort zusammengetan, was wird hier zu lande geschehen?
Die Teile der kapitalistischen Maschinerie, die stillgelegt wurden, beginnen ihre zerstörerischen Aktivitäten wieder aufzunehmen. Aber obwohl der Ausnahmezustand eher dazu diente, die Interessen der Staatsherrscher*innen und ihre kapitalistischen Verbündeten zu schützen, und nur nebenbei etwas mit dem Gesundheitsschutz zu tun hatte, wurden Milliarden von Euro verbrannt. Nun raten Sie mal… Die Clowns der CDU wollen, dass wir dafür bezahlen, während gleichzeitig die „Wirtschaftsexperten*innen“ die nächste Runde der Schenkungen an die Konzerne vorbereiten, d.h. die nächste Runde des Sozialkriegs steht vor der Tür.
Die konservative CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag positioniert sich bereits. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft der CDU hat ein sechsseitiges Papier mit dem Titel „Wachstumsprogramm für Deutschland: 10 Punkte für einen Neuanfang der Wirtschaft“ erarbeitet. Ihr Richtungsvorschlag zielt auf eine „breite Entlastung der gesamten Wirtschaft“ ab. Steuererleichterungen und andere Geschenke für Unternehmen. Die darin enthaltenen Forderungen an den Arbeitsmarkt sind zum Beispiel die Ausweitung der Arbeitszeitregelungen, die in der Corona-Krise aufgeweicht wurden und derzeit nur für so genannte systemrelevante Berufe gelten, auf alle kleinen und mittleren Unternehmen. Damit wären tägliche Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden und kürzere Ruhezeiten möglich. Auch eine Senkung oder zumindest der Verzicht auf eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns wird in den CDU-Papieren gefordert. Die Marionetten der Industrie schrieben auch: „Steigende Ausgaben und fehlende Einnahmen in den sozialen Versicherungssystemen müssen durch Kürzungen vor allem bei den Leistungen, die nicht von den Versicherungen übernommen werden, oder – wenn das nicht ausreicht – durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden“. Mit anderen Worten: Die CDU will, dass Erwerbslosen und Arbeitnehmer*innen, der „Boden“ der Gesellschaft, die Verluste der Aktionäre und der Großkonzerne tragen. Dieses CDU-Papier ist nichts anderes als eine weitere soziale Kriegserklärung. Apropos Staat und Schutz der Gesundheit der Bevölkerung … es ist bekannt, dass die Lebenserwartung der Armen weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Deshalb wiederhole ich noch einmal: Beim Corona-bezogenen Ausnahmezustand ging es nie um Gesundheitsschutz für alle. Wir saßen nie im selben Boot, und wieder versucht der Kapitalismus, unser Boot sinken zu lassen.
Die Mischung aus zunehmender Überwachung, dem tödlichen Experiment, dass alle anderen Menschen mögliche Feinde sind, weil sie das Virus in sich tragen könnten (also bleibt zu Hause, berührt euch nicht, umarmt euch nicht und haltet Abstand, aber schaut euch die täglichen staatlichen Pressekonferenzen an, weil die wissen, was gut für euch ist), und die Vorbereitungen für eine neue Runde der sozialen Kriegsführung sind Zutaten, die in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren in vielen Territorien zu großen Aufständen führen werden. Also… warum nicht auch hier aktiv daran arbeiten?
Riot Turtle, 26. Mai 2020.
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