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No Border Kitchen #Lesvos: Neuer Pakt zu Migration und Asyl wird ein Alptraum werden

Lesbos. Griechenland. Erklärung von No Border Kitchen Lesvos zum „Neuen Pakt zu Migration und Asyl“.

Ursprünglich veröffentlicht von No Border Kitchen Lesvos Facebookseite (facebook.com/689281511211641/posts/1856877691118678/)

Es ist jetzt einige Tage her, dass der „Neue Pakt zu Migration und Asyl“ von der Europäischen Kommission verkündet wurde.
Die wichtigsten Punkte? Zunahme der Abschiebungen und Reduzierung der Respektierung selbst der grundlegendsten Menschenrechte von Asylsuchenden. Er wird den Zugang zu fairen Asylverfahren für viele noch unmöglicher machen. Den EU-Türkei-Deal wird er möglicherweise auf andere Länder übertragen.

Obwohl er als „Neuanfang“ dargestellt wird, sind viele Dinge des Paktes den Menschen hier auf Lesbos leider schon allzu gut bekannt. Da sie auf Lesbos sind, scheint es, dass sie alles, was hier schlimm und kaputt ist, genommen und versucht haben, es auf eine institutionelle europäische Ebene zu übertragen, um allen, die versuchen, nach Europa zu gelangen, Leid zuzufügen.

„Kein Moria mehr“ haben sie versprochen, doch gleichzeitig machen sie in wahrer Doppelzüngigkeit deutlich, dass das, was sie gleichzeitig anstreben, in Wirklichkeit nicht Moria ist, sondern etwas weitaus Schlimmeres. Sie beabsichtigen, den Asylsuchenden ihre gesamte Selbstbestimmung und ihr Recht auf ein faires Verfahren zu entziehen. Kein Moria mehr, nicht weil Moria eine Menschenrechtsverletzung war, sondern weil die Menschen nach ihren Maßstäben noch zu „frei“ waren. Kein Moria mehr, sondern mehr Gefängnisse. Kein Moria mehr, sondern mehr und schnellere Abschiebungen. Kein Moria mehr, sondern mehr elektronische Überwachung, Sicherheitskontrollen und Identitätsprüfung. Kein Moria mehr, aber mehr Leid und Tod.

In ihrem am 23.09. veröffentlichten Vorschlag stellt die Europäische Kommission ihre Pläne vor, für alle Asylbewerber:innen, die irregulär über eine Außengrenze kommen, Vorabkontrollen und Grenzverfahren einzuführen. Menschen aus einem Land mit einer Aufnahmequote von weniger als 20% sollen in Gewahrsam genommen, in ein Schnellverfahren überführt und zurückgeschickt werden.
Auf Lesbos haben die Inhaftierung bei der Ankunft aufgrund der Staatsangehörigkeit und die Schnellverfahren bereits vor einiger Zeit begonnen und wurden bis heute schrittweise verschärft. Wir können die Folgen sehen – Menschen haben keinen Zugang zu fairen Verfahren, keinen Zugang zu rechtlichem Beistand und längere Haftzeiten – von der Ankunft bis zur Abschiebung. Dies ist nicht nur in rechtlicher Hinsicht problematisch, sondern hatte für die Betroffenen sehr direkte, fatale Folgen. Während die Europäische Kommission fairere und transparentere Verfahren verspricht, sehen wir eindeutig das genaue Gegenteil. Menschen werden abgelehnt, ohne überhaupt zu wissen, wie das Asylverfahren funktioniert. Ganz zu schweigen von ihren Rechten im Verfahren. Dies fordert einen enormen Tribut von ihrer psychischen Gesundheit. Wie man auf Lesbos sehr traurig gesehen hat, schafft die Inhaftierung (bei der Ankunft) schweres Elend – und gefährdet das Leben der Inhaftierten.

Ferner lobt die Kommission den EU-Türkei-Deal und verspricht mehr „kontinuierliche und nachhaltige EU-Finanzierung“ für die Türkei. Über diesen Deal ist viel geschrieben worden – und wir müssen nicht wiederholen, dass es völlig inakzeptabel ist, Erdogan Geld zu geben, damit er für die EU Menschenrechtsverletzungen gegen Geflüchtete begeht. Dies mit anderen Akteur:innen zu wiederholen, wie es die EU „verspricht“, bereitet uns schlaflose Nächte.

„Wenn sie [die iranische Regierung] mich getötet hätten, hätte ich zumindest nicht auf diese Weise hier sterben müssen. Nach und nach“, sagt ein Asylsuchender.
Während einige argumentieren, dass die Situation hier auf Lesbos nicht mit europäischen Werten vereinbar ist, sehen wir das Gegenteil. Das sind die europäischen Werte. Die Situation der Flüchtlinge auf Lesbos sind die europäischen Werte, die für uns alle sichtbar sind. Es ist ein europäischer Wert, die Menschen jeden Tag langsam zu töten, damit keine neuen Menschen das Risiko eingehen, nach Europa einzuwandern. Es ist ein Beispiel, das an den Menschen hier gegeben wird, um alle anderen aufzuhalten. Es ist das hässliche Gesicht der europäischen Grundwerte – Kolonialismus und Rassismus.

Wir haben Angst vor der Zukunft, die dieser neue Pakt bringen wird. Obwohl wir noch unsicher sind, wie er genau umgesetzt wird, ist eines sicher – es wird ein Alptraum werden.

No Border Kitchen Lesvos, 26. September, 2020.



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