
Ljubljana. Slowenien. Eine weitere Erklärung aus Slowenien, wo Genoss:innen gegen die derzeitige autoritäre rechtsextreme Regierung kämpfen.
Ursprünglich veröffentlicht von Komunal. Übersetzt von Riot Turtle für Enough 14.
Iss deine lokale Elite
In Zeiten harter Sparmaßnahmen, einer sich verschärfenden Wohnungskrise und des globalen Kampfes gegen das neue Coronavirus, finden sich marginalisierte Gruppen in der Gnade der Elite wieder, deren Rechtsprechung den Staat sowie den Rest unserer Habitate und Räume des Überlebens kontrolliert. In diesen Tagen, in denen die pandemische Realität die strukturellen Fehler der kapitalistisch organisierten Systeme offenbart, ist Unterdrückung eine der wesentlichen Folgen, die das globale Gesundheitssystem hervorbringt und die das tägliche Leben der Normalsterblichen beeinflussen.
In einer Situation, in der Panik und Repression unser entfremdetes Leben dominieren, werden Frauen aus unteren sozialen Schichten, die bereits Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit und Armut erleben, in noch ausbeuterischere und gefährlichere Beziehungen gezwungen, um zu überleben.
Während wir mit dem Slogan „stay at home“ bombardiert werden, der das Privileg beinhaltet, ein Zuhause zu haben, vergessen die Befürworter:innen dieses Mantras schnell die lebensbedrohliche Situation all jener, die gezwungen sind, zusammen mit ihren Missbraucher:innen hinter den vier Wänden zu bleiben. Wer weist uns den Weg zu einem sicheren Haus, wenn die meisten Räume, in denen wir versuchen würden, Hilfe zu finden, geschlossen sind? Hat jemand die Prostituierten gefragt, wie sie ihrem Beruf sicher nachgehen können, wenn die Straßen leer sind und Hilfeschreie nur zu geschlossenen Jalousien und Anzeigen bei der Polizei führen? Was ist mit den Sekretärinnen und Assistentinnen, die gezwungen sind, bis spät in die Nacht bei ihren schleimigen Chefs in leeren Büros zu bleiben? Was sind die wahren Ängste der obdachlosen Frauen, die in einem Container das einzige leere Bett der Stadt finden, das sie sich mit drei Männern teilen müssen?
Patriarchale Verhältnisse sind unserer Gesellschaft und ihren Abläufen fest verankert. Der Kampf gegen reiche Unternehmer:innen und Herrscher:innen, die das Recht beanspruchen, Regeln aufzustellen, nach denen andere ihr Leben organisieren sollen, ist daher definitiv auch ein feministischer Kampf. Wir stellen fest, dass in der aktuellen Corona-Krise und den damit verbundenen Maßnahmen eine geschlechtsspezifische Dynamik stattfindet. Die Zerschlagung öffentlicher Dienstleistungen, die intensive Privatisierung und die Erhöhung der Marktpreise für Kinderbetreuung, Bildung und andere soziale Dienstleistungen sind Symptome einer verdeckten Repatriarchalisierung der Gesellschaft. Öffentliche Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsysteme werden immer weiter abgebaut und die Verantwortung auf das Individuum verlagert. Von einer Frau wird entweder verlangt, dass sie diese Funktionen selbst wahrnimmt, oder sie muss ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sicherstellen, um diese Leistungen auf dem Markt zu finden und zu bezahlen. Die Verantwortung für die Unfähigkeit, mit diesem Druck, den Anforderungen und der allgemeinen Unfähigkeit, die Kriterien zu erfüllen, umzugehen, liegt eindeutig bei ihr.
Die gesellschaftliche Rolle der Mutter, die dem weiblichen Körper als Norm zugewiesen wird, wird durch die unbezahlte Pflege- und Hausarbeit noch einmal verstärkt. Neben allen konventionellen Rollen, die von einer Frau erwartet werden, wird von ihr heute auch erwartet, dass sie eine „Superfrau“ ist, die sich darum kümmert, dass die Kekse gebacken sind, die Hausaufgaben der Kinder erledigt sind und dafür sorgt, dass der Opa gut genährt und fröhlich ist. Von ihr wird erwartet, dass sie dafür sorgt, dass die Rechnungen bezahlt werden, dass sie einen Sommerurlaub für die Familie organisiert, und das alles, während sie ein makelloses, perfektes weibliches Smiley-Image aus einer Reihe von möglichen Titelseiten von Zeitschriften aufrecht erhält.
Karrierismus ist nur ein weiteres Prinzip des narzisstischen Individualismus und hat als solches wenig mit etwas zu tun, das zum sozialen Zusammenhalt und einem besseren Gemeinschaftsleben für alle beitragen würde. Der allgemeine Preis für sinnlose oder sogar schädliche Arbeit für die Gesellschaft und die Welt, die jeden Tag um des Überlebens willen getan werden muss, wird immer höher; sei es ein Tribut an die körperliche und geistige Gesundheit oder der Diebstahl unserer Lebenszeit. Dem moralischen Kompass im kapitalistischen System fällt es schwer, irgendeine bezahlte Arbeit zu erkennen, die in einem ganzheitlichen Sinne wirklich sinnvoll und nobel wäre.
Die Coronavirus-Pandemie hat den Zerfall der einst bereits errungenen Rechte nur vertieft und beschleunigt; sowohl im Bereich der universellen Zugänglichkeit zu Grundbedürfnissen wie Gesundheitsversorgung und Bildung, als auch im Bereich der Arbeitsrechte, der Ökologie, der Gleichberechtigung der Geschlechter und den grundlegenden Standards eines würdigen Lebens.
Die Eliten, die alle Elemente des gesellschaftlichen Lebens diktieren, einschränken, an sich reißen, kontrollieren und zerstören, sind jedoch nicht nur diejenigen, die sich den Liberalen als rechte ikonographische Bösewichte präsentieren. Für uns gehören zu den Eliten auch all jene mit scheinbar freundlicheren Gesichtern, raffinierteren Worten und Koalitionen.
Da wir in Ljubljana leben und arbeiten, ist ein wichtiger Teil unserer Bemühungen auch der Kampf gegen die Gentrifizierung, der Kampf um den öffentlichen Raum in unserer Stadt. Ljubljana ist den Wünschen und Perversionen des Multi-Mandats-Bürgermeisters Janković untergeordnet, der mit Hilfe seiner engagierten Gefolgsleute die Stadt ihren Bewohner:innen entreißt.
Zügig hergerichteten hochklassigen Hotels, schicken Restaurants, Luxuswohnungen und Kulturzentren verdrängen die „Bürger:innen zweiter Klasse“ aus der Stadt. Wie kurz vor einem Orgasmus, um ein echtes kapitalistisches und völlig künstliches Gebilde zu werden, haben Ljubljana und sein Mafiaboss Janković, für das nächste Jahr wieder einen ganzen Stapel neuer Projekte vorbereitet, von denen einige den Abriss dringend benötigter Gemeinschaftsräume beinhalten. Es sind bereits 200 Millionen staatliche Investitionen in den Tourismus bestätigt, von denen sicherlich ein großer Teil in die Hauptstadt fließen wird. Auch wenn es Ljubljana nicht gelungen ist, sich die europäischen Gelder für die Europäische Kulturhauptstadt 2025 zu sichern, wird der Sheriff mit Sicherheit alles tun, um die Kulisse endgültig zum Einsturz zu bringen und alles Reale in der Stadt zu vernichten, denn korrupte Geschäfte sind für ihn sicher nicht ungewöhnlich.
Wenn jemand in diese vermögende Gesellschaft eintreten will, ist klar, wie das geht. Erinnern wir uns an den Fall von Jankovićs unpassender Einladung an eine erwerbslose Apothekerin, in der er ihr einen Job im Austausch für sexuelle Dienste anbot. Als die Angelegenheit in den Medien auftauchte, kamen slowenische Prominente zu seiner Verteidigung und sagten, dass „Überredung wirklich keine große Sache“ sei und dass dies „rein private Angelegenheiten“ seien. Die Beschwerde wurde unter den Teppich gekehrt, eine Pille der gesellschaftlichen Amnesie wurde geschluckt, und bald konnte Janković wieder die Bühne betreten, während die Liberalen ihn als den ausgeprägtesten linken Bürgermeister priesen.
Heute, wo wir von den „Rechten“ unterdrückt werden, haben wir die selbsternannten „Linken“ nicht vergessen. Eliten sind Eliten, und ungeachtet ihrer Kämpfe um die geweihten Throne der höchsten Unterdrücker lieben sie es, miteinander zu kooperieren, Geschäfte zu machen und soziale und natürliche Güter für ihren eigenen Profit festlich zu plündern.
Schwarze Katzen schärfen unsere Krallen, um die kapitalistisch-patriarchalen Normen zu bekämpfen und sich für unseren Raum in unserer Stadt einzusetzen!
ELITEN VERPISST EUCH!
Ljubljana, Dezember, 2020.
Wir haben zwei Solidaritäts-T-Shirts (Bilder unten) für das Enough Blog und Info-Café (Denn wir brauchen ein neue Räumlichkeiten) entworfen. Ihr könnt die Enough Info-Café-Solidaritäts-T-Shirts hier bestellen: https://enoughisenough14.org/product/t-shirt-wir-werden-nicht-zur-normalitat-zuruckkehren-schwarz/ und https://enoughisenough14.org/product/t-shirt-wir-sind-ein-bild-aus-der-zukunft-schwarz/