
Eine Übersetzung von „Né la loro guerra, nè la loro pace“ („Weder ihr Krieg, noch ihr Frieden“) vom Juni 1999. Ursprünglich veröffentlicht in Killing King Abacus #1 (Frühling 2001). Im Moment wird die komplette Killing King Abacus Anthologie übersetzt. Dieser Beitrag ist ein Teil davon (Stay tuned für die komplette Anthologie).
Ursprünglich veröffentlicht in Killing King Abacus #1 (Frühjahr 2000). Übersetzt von Riot Turtle.
Der Pazifist:in verabscheut den Krieg und segnet den Staat. In Zeiten des Friedens hat man ihn gelehrt – und er hat daran geglaubt -, dass die Gesellschaft ein riesiges Kommunikationssystem ist, in dem sich alles gewaltfrei durch Dialog steuert. Daraus folgt, dass nur derjenige, der, an der Peripherie dieser kommunizierenden Gefäße lebend, den hoffnungslosen Grundstein des eitlen demokratischen Geplappers mit Schlägen verspottet, Kandidat:in ist, um rohe Gewalt zu ertragen.
Obwohl er auf diese Weise implizit erkennt, dass diese Gesellschaft nicht nur Dialog, sondern auch Gewalt ist, ist der pazifistische Bürger:in dadurch nicht übermäßig beunruhigt: Die Gewalt ist für die anderen bestimmt, für die neuen Wilden, die noch keine richtige kommunikative Menschlichkeit erworben haben und die daraus ableiten, dass die Gesellschaft viel gewalttätiger ist als die süße Kraft der Worte, die einen runden Tisch unterstützen. Der Pazifist:in erhebt das gewaltlose Bild zum obersten Prinzip – in dem sich der friedliche Kurs der kapitalistischen Angelegenheiten spiegelt -, das sich die vermittelnde Gesellschaft selbst gibt.
Wenn ein Staat einen Krieg beginnt, befiehlt der pazifistische Bürger:in ihm „im Namen des Volkes“, sich dieser idealisierten Darstellung des täglichen Lebens anzupassen. Durchdrungen von jener Idee der Grundrechte, die der Staat zur Verehrung auferlegt, weigert er sich zu erkennen, wie das staatliche Gewaltmonopol, dasjenige, mit dem die Staaten die Achtung der manu militari des Gesetzes garantieren, mit Armeen in den Beziehungen von Staat zu Staat korrespondiert; und wenn zwei Mächte aufeinanderprallen, ist es der Krieg, der das letzte Wort hat. Während sie also mit Lässigkeit auf die polizeiliche Reduktion des demokratischen Dialogs in den Angelegenheiten der Innenpolitik blickt, besteht der pazifistische Bürger:in auf dem ausschließlichen Gebrauch von Worten in den äußeren Angelegenheiten: auf der Verhandlung. Er möchte das eine ohne das andere, als ob man Grundrechte ohne Gewalt haben könnte, den Staat ohne Krieg, das Prinzip ohne die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Weit davon entfernt, sich davon zu erholen, diese mörderischen Folgen zu sehen und das Prinzip, von dem sie ausgehen, in Zweifel ziehen zu lassen, beruft sich der Pazifist:in auf das Prinzip der Rechte gegen die Gewalt – was die Kehrseite davon ist – und zieht aus diesem irrationalen Vorgang die moralische Überlegenheit, mit der er sich schmückt: „Was für eine Dummheit, Krieg!“
Indem er also die eigenen Regierenden in Frage stellt und ihnen Unwissenheit und Verantwortungslosigkeit vorwirft, als wäre der Pazifist:in ein offener Berater:in des Fürsten, um die wahren Interessen der Nation zu erhellen. Und je weniger er angehört wird, desto zufriedener ist er, die eigentliche Pflicht des Bürger:ins erfüllt zu haben: der Regierung zu sagen, was er von den öffentlichen Angelegenheiten hält – und um so schlimmer für das Oberhaupt des Staates, wenn er sich vom moralischen Gewissen verurteilt findet. Solange der Bürger:in, der sich an die Regierung wendet, die Legitimität des Staates anerkennt, kann der Staat nach seinem eigenen Gutdünken handeln, weil er, anders als der pazifistische Bürger:in, die Möglichkeit nicht leugnet, die Lücken in seinem Diskurs, wenn nötig, durch sein eigenes Zerstörungspotential zu kompensieren, inklusive mobile Einsatzkräfte.
Auf diese Weise hat der Pazifist:in einen getrennten Frieden mit der kapitalistischen Gesellschaft geschlossen, in dem er das „Gefasel“ anprangert, ohne es jemals zur Diskussion zu stellen. Dieser heimlichen Komplizenschaft entspricht eine rein symbolische Tätigkeit. Mit seiner fieberhaften Aktivität, dem Anzünden von Kerzen, dem Unterschreiben eines Aufrufs nach dem anderen, einer Petition nach der anderen, dem Spazierengehen mit der eigenen Meinung auf dem Bürgersteig der Stadt, erreicht der Pazifist:in absolut nichts. Die Pseudo-Aktivität des Pazifist:innen und der übrigen Propagandist:innen des „Rechts auf…“ imitiert mehr oder weniger bewusst die Techniken der Werbung: Sie geht davon aus, dass die unaufhörlichen Wiederholungen symbolischer Handlungen und reduzierter Slogans in der Lage sind, eine Opposition gegen den Krieg zu schaffen und die „Bürger:innen zu mobilisieren“. Überflüssige Moral verkauft sich bekanntlich gut in Zeiten des Krieges.
Die pazifistische Praxis ist eine Erweiterung, mit anderen Mitteln, des Live-Aid-Konzerts gegen den Welthunger. Außerhalb der Produktionszentren der kapitalistischen Gesellschaft angesiedelt, etabliert sich die Opposition in der Sphäre der Unterhaltung und des „politischen Zeitvertreibs“, wo der Bürger:in glaubt, als verantwortungsbewusstes und autonomes Individuum zu handeln, das aus der kapitalistischen Zwangslage herausgewachsen ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Art von Opposition ist nicht in der Lage, die gesellschaftliche Realität zu erfassen, weil sich die Begegnung in einer vermittelten Irrealität abspielt, die vorgibt, die einzige Realität zu sein: Während die Pazifist:innen die Bilder der Opposition gegen den Krieg produzieren, reduzieren die Massenmedien eben diesen Krieg auf eine technologische Operation, die mit schäbiger Sentimentalität überzogen wird. Es gibt zwei Interpretationen, zwei Bilder des Zusammenstoßes: Krieg und kapitalistische Gesellschaft, die in der Zwischenzeit in Ruhe gelassen werden und weitergehen. Aus diesen Bildern resultiert die merkwürdige Leichtigkeit, mit der der Pazifist:in am nächsten Tag wieder in einfache Arbeitskraft verwandelt wird, die bestimmte Aufgaben zu erledigen hat. Moralapostel enthalten sich der Stimme: Hier wird gearbeitet.
So trägt das atomisierte Individuum – das keinen eigenen Beruf hat, außer dem, die Bilanz der eigenen pekuniären und emotionalen Buchhaltung im Auge zu behalten – von Zeit zu Zeit die Maske des pazifistischen Bürger:ins. Dort, auf dem öffentlichen Platz – oder vielmehr auf dem Platz der Publizität – verkündet er die eigene hohe Moral gegen die Verweichlichung des täglichen Lebens, die er gleichzeitig im Privaten und im Beruflichen weiter reproduziert. Die Pazifist:in ist eine Moralapostel in der Sphäre der vermittelten Irrealität und handelt ohne jegliche moralische Überlegungen, wenn er sich in den Produktionszentren eines Staates befindet, dessen kriegerische Defekte er leugnet. Diesen Doppelcharakter der Pazifist:in nennt man im besten Fall Ohnmacht, im schlimmsten Fall Heuchelei.
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