
Athen. Griechenland. Willkommen im besetzten sozialen Zentrum Ζιζάνια (Unkraut) in Viktoria auf Fylis und Feron. Möge es ein Nachbarschaftsraum für Selbstorganisation, soziale Interventionen, kollektiven Widerstand und Gemeinschaftsbildung sein. Lasst uns in diesem Raum zusammenkommen, um Gedanken, Essen, Kaffee, Kleidung und was immer wir uns sonst noch vorstellen können, zu teilen. Für Umsonstläden und kostenlose Haarschnitte, für Cafés und Filmvorführungen, zum Lernen und Lesen, für Workshops und Versammlungen. Feiern wir es als einen Schritt zur Befreiung von mehr öffentlichen Räumen, machen wir das Beste aus dieser Gelegenheit, denn wir sind diejenigen, die unsere eigenen Kämpfe gestalten und führen und sollten uns dabei weder auf andere Menschen, bestimmte Institutionen oder bessere Umstände verlassen.
Ursprünglich veröffentlicht von Athens Indymedia. Übersetzt von Riot Turtle.
Mit Ζιζάνια wollen wir in erster Linie eine Atempause von der rassistischen, sexistischen, kapitalistischen Gewalt von Staat und Gesellschaft schaffen. Wir stellen uns einen Raum der Interaktion und des Austauschs zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Identitäten und Alter vor, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Meinungen haben. Das sind Bedingungen, die wir gemeinsam schaffen und konkretisieren müssen, indem wir uns treffen, Beziehungen innerhalb und zwischen unseren Gemeinschaften stärken und unsere Kämpfe miteinander verknüpfen. Viel zu lange haben wir von so etwas nur geträumt – sicher waren wir nicht die Einzigen – und jetzt wollen wir in Aktion treten. In diesem Sinne laden wir euch ein, eure Themen, Ideen, Initiativen und Kämpfe einzubringen, damit wir gemeinsam diskutieren können, wie wir diesen Raum gestalten können.
Viktoria ist der Ort, wo wir leben, wo wir uns kennengelernt haben und wo wir auf unterschiedliche Weise Teil der kontinuierlichen Kämpfe in diesem Gebiet wurden. Hier zu leben, gibt uns einen primären Ort, um die vielschichtige Krise die sich entfaltet, zu beobachten und zu erleben – wirtschaftlicher Druck, informelle Arbeit, Gewalt an den Grenzen, Versagen des Gesundheitssystems, Lockdown-Maßnahmen und ein allgemeiner psychischer Zustand von Angst und Unruhe. In dieser besonderen Nachbarschaft ist die rasche faschistische Wende, die Griechenland und Europa vollziehen, offensichtlich – wir sehen die Verherrlichung nationalistischer Rethorik, die Militarisierung unserer Straßen und öffentlichen Räume, die unterdrückende Gewalt rund um Schulen, Universitäten, Niedriglohnarbeit und das Straßenleben, sowie die Unterdrückung von Widerstand. Viktoria ist und war ein Viertel der Marginalisierten – Migrant*innen, queere Menschen, Sexarbeiter*innen, Drogenkonsument*innen, arme Menschen und diejenigen, die von Staat und Gesellschaft ausgegrenzt werden. Diese Marginalisierung wird durch rassistische Polizeikontrollen, faschistische Angriffe, sexistische Belästigungen, erzwungene soziale Isolation und massive prekäre Wohnverhältnisse geschaffen und aufrechterhalten. Und in jüngster Zeit erleben wir alle den Mangel an sozialen Räumen, da unsere Plätze von den Bullen überfallen und von kapitalistischen Interessen übernommen worden sind.
Der Staat und seine faschistischen Verbündeten nutzen seit langem rassistische Rhetorik und Aktions- und Repressionsformen, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Problem von Viktoria die Migration ist und nicht die kapitalistische Entfremdung, der Mangel an sozialen Dienstleistungen und das Fehlen von Gemeinschaft. Dies hat im Sommer 2020 einen neuen Höhepunkt erreicht, als Menschen mit Migrationshintergrund gezwungen wurden, auf der Plateia Viktoria zu leben, ihnen der Zugang zu den Grundbedürfnissen verweigert wurde, sie von den umliegenden Ladenbesitzer*innen schikaniert wurden und sie schließlich gegen ihren Willen in Lager und Gefängnisse im ganzen Land transportiert wurden. Zur gleichen Zeit traten Faschisten in Begleitung von Bogdanos und Kasidiaris auf dem Platz auf und ließen alte Traumata von Mitgliederinnen der Goldenen Morgenröte wieder aufleben, die rund um Agios Panteleimonas Menschen jagten und verprügelten.
Viktoria fungiert als innere Grenze, die die Gewalt der Außengrenzen Griechenlands (re)produziert. Wie auf den Inseln und in Evros, ist Viktoria ein Ort ständiger Vertreibungen, Drohungen mit Pushbacks und ohne Zugang zur Gesundheitsversorgung. Diese werden vom Staat genutzt, um die Geflüchteten zum Bleiben zu bewegen und sie davon abzuhalten, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. In der Zwischenzeit bleibt Viktoria voller leerstehender Gebäude, privatisierter Bereiche, ohne soziale Räume und voller NGOs, auf die sich die Menschen trotz ihrer paternalistischen Methoden, entmenschlichender Kriterien für „Gefährdung“, profitorientierter Ziele und kurzlebiger Lösungen verlassen müssen. Wir werden nicht so tun, als ob wir einfache Antworten und Lösungen hätten. Für uns besteht der Weg nach vorne im Widerstand und in der Konfrontation mit den kapitalistischen und legalen Strukturen, die uns hierher gebracht haben. Wir besetzen gegen Bullen, Staat, Immobilien, Patriarchat, Kirche und alltägliche Gleichgültigkeit. Wir sehen dies als einen radikalen Schritt, um unsere Kämpfe gemeinsam fortzusetzen und in der Nachbarschaft zu verankern. Wir besetzen verlassene Räume, um ihnen neues Leben einzuhauchen und neue Möglichkeiten zu eröffnen. Wir können uns nicht auf den Staat oder NGOs verlassen, um eine Gemeinschaft in der Nachbarschaft aufzubauen. Verlassen wir uns auf uns selbst und unsere Beziehungen.
Mit diesem Schritt bekennen wir uns offen zur Illegalität und Prekarität, die Viktoria auszeichnet. In der Tat, was wird hier an diesem Punkt nicht illegalisiert? Menschen, denen nichts anderes übrig bleibt, als auf dem Platz oder in ungenutzten Gebäuden zu schlafen, werden gejagt, das Abhängen am Tag wird kaum geduldet, und wer sich politisch organisiert, nimmt Geldstrafen, Drohungen und Überwachung in Kauf – und der Polizeistaat tut sein Bestes, um ihn zu kriminalisieren. Was aber eindeutig legal ist, sind die Mittel des Staates, der Polizei und der Hausbesitzer*innen: Räumungen, Mieterhöhungen und rassistische Schikanen. Wir besetzen heute und werden weiter besetzen, weil wir es als ein Schlüsselwerkzeug in unseren Händen verstehen, um neue Beziehungen zu bilden und diese Strukturen aufzubrechen. Es geht uns nicht darum, innerhalb der legalen Grenzen zu bleiben, ganz im Gegenteil. Wir streben danach, alle Normen, ökonomischen Grenzen und Begrenzungen herauszufordern, zu zerlegen und abzuschaffen. Wir werden Gemeinschaft durch die Praxis der gegenseitigen Hilfe, der aktiven Solidarität, der inklusiven und horizontalen Organisation gestalten und aufbauen. Wir werden daran arbeiten, all jene in der Nachbarschaft zu erreichen, die unter solchen Bedingungen kämpfen wollen und Zusammenhänge aufbauen, um die staatliche Entfremdung zu durchbrechen. Wir laden Einzelpersonen und Gruppen ein, sich an uns zu wenden. Gemeinsam wollen wir die Spaltungen, die durch die staatlichen und gesellschaftlichen Unterdrückungen angestiftet und ausgenutzt werden, aufbrechen und das kreative und kraftvolle multikulturelle Potential des Viertels zum Vorschein bringen. Wir versuchen, eine antifaschistische Präsenz und ein antifaschistisches Bewusstsein in der Gegend wiederherzustellen und den Status quo des Gleichgewichts von Macht und Angst herauszufordern, indem wir Vernetzung und Kreativität ermöglichen. Indem wir uns entschieden haben, einen Raum zu besetzen, der früher ein autonomes besetztes Archiv war, in einem solchen allgemeinen sozialen Kontext, versuchen wir auch, das Erbe der Hausbesetzungen, der Kampfbereitschaft und des Widerstands wiederzubeleben, das Teil der komplexen Geschichte von Viktoria ist. Wir haben uns Ζιζάνια genannt, weil wir wie Unkraut inmitten des Chaos wachsen und gedeihen, gegen jegliche Kontrolle, immer und immer wieder.
Wir sehen uns in Ζιζάνια, auf den Straßen und in Viktoria.
ALLES GEHÖRT UNS, WEIL ALLES GEKLAUT IST
10, 100, 1000 SQUATS GEGEN DER STUMPFSINN DIESER WELT
[…] Griechenland. 5. April. 2021. Das neue besetzte Haus im Stadtteil Viktoria hatte ein schönes erstes Wochenende. Solidarität und Unterstützung kam von Genoss*innen, […]