
Zürich. Schweiz. Trotz massiver versuchter Repression ist heute (1. Mai, 2021) in Zureich viel auf den Strassen passiert.
Ursprünglich veröffentlicht von Barrikade Info.
Wir haben uns heute, trotz oder gerade wegen der widrigen Umstände, immer wieder erfolgreich die Strassen Zürichs genommen. Die Mobilisierung war auf den Ni Una Menos-/Helvetiaplatz angekündigt, da er seit Jahrzehnten Ausgangspunkt starker und militanter, unbewilligter Nachdemonstrationen gewesen ist. In dieser Tradition sehen sich der letzt- und diesjährige Kampf um den Helvetiaplatz, der während des ganzen letzten Jahres von Bullen geschützt und abgeriegelt wurde (auch wenn Corona-Leugner*innen ihre rechtsoffenen Kundgebungen darauf abhielten). Dieser Entwicklung wurde heute ein starkes Zeichen entgegengesetzt, indem wir uns während 2 Stunden selbstbestimmt die Strasse nehmen konnten.
Durch ihr völlig übertriebenes Aufgebot, inklusive Helikopterflugstunden, die die kombinierte Ka-und StaPo einer friedlichen Demonstration am Tag der Arbeit entgegenstellte wurden etwa 150 Menschen beim BgZ eingekesselt, gewaltvoll zusammengedrängt und aus nächster Nähe und ohne Grund mit Pfefferspray und Gummischrot angegriffen. Doch was erwarten wir anderes von einem solchen Staat, der Menschenleben dem Profit opfert und mit Gewalt das Schreckgespenst von leichtem Sachschaden vertreibt? Danach wurden immer wieder kleinere Gruppen eingekesselt und aus der Stadt weggewiesen. Trotzdem liess sich der Widerstand nicht brechen oder verhindern. Immer wieder formierten sich neue Demonstrationen, die selbstbestimmt laufen konnten. So wurde ein starkes Zeichen gesetzt: ihr werdet uns nicht kleinkriegen, wir kommen wieder!
Der diesjährige 1.Mai war auch wieder insofern ein besonderer, als es aufgrund der zögerlichen Haltung der reformistischen Kräfte keinen traditionellen Demonstrationszug am Morgen gab, und es dadurch viel Raum zu füllen galt. Wir waren am Morgen bei den Kundegbungen der Gewerkschaften präsent, um auf den Nachmittag zu mobilisieren, und sie aufzrufen, gemeinsam gegen Staat und Kapitalismus zu kämpfen. Ausserdem wurde um halb zwölf vor dem RAF gegen die fortlaufende Prekarisierung von Marginalisierten Personen unbewilligt demonstriert. Stark! Denn nach über einem Jahr Corona sollte allen klar geworden sein, dass das grösste Problem dieser Krise nicht nur ein Virus, sondern vor allem das System ist, auf das es trifft. Dieses System ist es, dass wir tagtäglich und auch heute am 1.Mai hinterfragen, kritisieren, angreifen.
Mobilisierte der Zämeschluss schon am 27. März geschlossen auf die Strasse, indem antirassistische, antifaschistische, feministische und ökologische Kämpfe verbunden wurden, bleibt die Parole zwar immer noch «Wir tragen eure Krise nicht!», aber weit über die Coronakrise hinaus. Für uns gibt es keinen «Normalzustand», zu dem es sich zurückzukehren lohnen würde; was als «normal» bezeichnet wird, sind Ausbeutung von Mensch und Natur, Krieg, verschiedenste Unterdrückungsmechanismen und das alles zugunsten des Kapitals. Konkret hat sich nebst der Home-Office-Pflicht für die Arbeitenden nicht viel verändert – Ausgangssperren in den benachbarten Ländern der Schweiz treffen immer die Freizeit, nicht die Arbeitszeiten, die Krankenhäuser und Pflegezentren sind nach wie vor überfüllt und die Angestellten immer noch am Limit.
Auch hat sich gezeigt, dass die Jugendlichen die Krise nicht mehr nur ertragen wollen; im Januar 2021 streikten ganze Schulklassen an einer Berufsschule in St. Gallen, da sie schlicht keinen Bock mehr hatten, ihre Gesundheit in den zu kleinen Räumen zu riskieren. Jedes Wochenende trafen und treffen sich junge Menschen rund um den Bahnhof Stadelhofen und die Seepromenade in Zürich, um sich den Freiraum zu nehmen, der ihnen seit mehr als einem Jahr genommen wird, weil von ihnen ununterbrochenen Disziplin in der Schule und am Arbeitsplatz verlangt wird, man ihnen aber keinen bewussten Umgang mit dem Virus zutraut. Dies hat Ende März, Anfang April schliesslich dazu geführt, dass Schüler*innen, Lehrlinge und junge Arbeitende mit Krawallen in St. Gallen ihrem Frust darüber Ausdruck verliehen, dass sie weiterarbeiten müssen, aber sich nicht treffen dürfen. Diese Ausdrücke von Frust und Wut von Jugendlichen unterstützen wir entschlossen. Es darf keinen Lockdown geben, der nur das soziale Leben betrifft und die Wirtschaft über alles stellt!
Seit dem letzten 1.Mai ist viel passiert; weltweit und auch in der Schweiz gingen Menschen gegen Ungerechtigkeit und die kapitalistische, rassistische und sexistische Unterdrückung auf die Strasse. Zu nennen sind insbesondere die starke feministische Mobilisierungen um den 8. März 2021, zunächst zum Tag selbst, dann als Antwort auf die krasse Repression. Natürlich ist auch vieles gleichgeblieben; so wurden patriarchale Unterdrückungsmechanismen weiter aufrecht erhalten, struktureller Rassismus reproduziert, die Ausbeutung der Umwelt schreitet voran, die Bullen haben nun schwarze Helme und das PJZ wird jeden Tag ein bisschen hässlicher, je näher es seiner repressiven Vollendung kommt.
Wehren wir uns dagegen! Kollektivität und das Verbinden unserer Kämpfe sind unsere Stärken – und die Strasse ist der Ort, wo wir diese Stärke aufbauen und die Vereinzelung durchbrechen können. Wir wollten auch dieses Jahr zeigen, dass es mit vielfältigen Aktionen und kollektiven Demonstrationen möglich ist, sich gegen die Angriffe von Staat und Kapital (und das schlechte Wetter) zu wehren. Wir bleiben weiter widerständig, wir werden nicht müde gegen den Ist-Zustand anzukämpfen und lassen uns durch keine Repression der Welt einschüchtern. Wir kommen wieder und versprechen, die Lieblinge von der StaPo nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Kampf dem Kapital – hier und überall.