
Wassenaar. Niederlande. 15. Februar. 2022. Heute fand beim Staatsgerichtshof (Raad van State) in Den Haag eine Anhörung statt, die über die Zukunft von Huize Ivicke entscheiden wird. Die seit dreieinhalb Jahren besetzte Villa in Wassenaar ist von der Räumung bedroht, weil das Gebäude offiziell als Bürogebäude ausgewiesen ist. In einem Gerichtsverfahren am 20. Dezember entschied der Verwaltungsrichter in Den Haag, dass ein Leerstand angemessener sei als eine Besetzung, wogegen die Bewohner*innen Berufung eingelegt haben. Um eine Räumung vor dem Datum der Berufungsinstanz zu verhindern, haben sie eine so genannte einstweilige Verfügung beantragt. Dieser Antrag wurde heute vor dem Staatsgerichtshof (Raad van State) verhandelt. Der Rechtsstreit wird zwischen den Bewohner*innen von Ivicke und der Stadtverwaltung Wassenaar geführt, wobei letztere eine sofortige Beendigung der gegen den Flächennutzungsplan verstoßenden Besetzung fordert.
Ursprünglich veröffentlicht von Indymedia NL. Übersetzt von Riot Turtle.
Bei der Entscheidung am 20. Dezember hat der Richter die Interessen der Bewohner*innen kaum berücksichtigt. Im Verwaltungsrecht ist es seit langem üblich, dass den Interessen und Ergebnissen von Entscheidungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern eher den rechtlichen Aspekten eines Falles. Durch die „Zuschlägen-Affaire“ hat der Staatsgerichtshof jedoch im vergangenen Jahr erkannt, dass auch die konkreten Folgen seiner Entscheidungen von einiger Bedeutung sind. Auf dieser Grundlage argumentieren die Bewohner*innen, dass ihr Interesse, nicht auf die Straße gesetzt zu werden, schwerer wiegen muss. Auf der anderen Seite sah die Stadtverwaltung die Interessen der Anwohner*innen offenbar ausreichend berücksichtigt und hält die Durchsetzung eines abstrakten Bebauungsplans und die Räumung wegen Leerstands für wichtiger.
Und dann ist da noch die dritte Partei des Rechtsstreits: der Eigentümer von Huize Ivicke. Sie behaupten, dass sie planen, das Haus in einen Büroraum für ihr eigenes Unternehmen umzubauen. Der Verwaltungsrichter hielt dies für einen ausreichenden Grund für die Annahme, dass Ivicke nicht wieder leer stehen wird. Der Ruf des Eigentümers gibt jedoch mehr als genug Anlass, vom Gegenteil auszugehen. Für die Anhörung hat der Eigentümer, Ronnie „Slum King“ van de Putte, der das Gebäude hat verfallen lassen, nie etwas entwickelt hat und dessen leerstehende Gebäude regelmäßig „einfach so“ abbrennen, ein paar widersprüchliche A4-Seiten vorgelegt, um seine Argumente vorzubringen. Auch hat er für keines seiner Vorhaben eine Genehmigung beantragt. Als Grund gibt sein Anwalt an, dass dies nicht möglich sei, solange das Haus noch besetzt sei, was natürlich völliger Unsinn ist. Die Bewohner*innen argumentieren, dass auch die Interessen des Eigentümers berücksichtigt werden müssten, und die seien in diesem Fall offensichtlich nicht sehr groß. Es war klar, dass es selbst der Stadtverwaltung schwer fiel zu glauben, dass der Eigentümer nun plötzlich anfangen würde, seinen Worten Taten folgen zu lassen.
Schließlich stellte der Richter der Stadtverwaltung und dem Eigentümer die Frage, die den Kern der Anhörung bildete: „Wie groß wäre der Aufwand, mit der Räumung zu warten, bis die höhere Instanz entscheidet?“ Beide Parteien gaben Antworten, die kaum überzeugend waren: Die Stadtverwaltung argumentierte, dass das ganze Verfahren bereits zu lange dauere, und der Anwalt des Eigentümers begann von Leuten zu sprechen, die aus ihren Ferienhäusern rausgeworfen werden, bevor der Richter ihn daran erinnerte, dass dies nichts mit der vorliegenden Frage zu tun habe. Schließlich gab der Anwalt zu, dass der einzige Nachteil ein gewisser finanzieller Verlust für das Unternehmen seines Mandanten wäre. Die abschließende Erklärung eines der Bewohner*innen machte noch einmal deutlich, dass sie durch eine Vollstreckung vor der höheren Instanz tatsächlich schwerwiegend und irreparabel beeinträchtigt würden. Obdachlos zu werden, ist nämlich zweifellos scheiße.
Am Ende der Anhörung erklärte der Richter, dass er das Urteil innerhalb von zwei Wochen, wenn möglich aber früher, verkünden werde. Das bedeutet zwei Wochen Unsicherheit für die Bewohner*innen von Ivicke. Einige Aspekte der Anhörung lassen ein hoffnungsvolles Gefühl zu, während andere eher negativ gefärbt sind: Es könnte so oder so ausgehen. Wir sind weiterhin auf das Schlimmste vorbereitet. Behaltet die Website im Auge, um in den nächsten zwei Wochen auf dem Laufenden zu bleiben. Ivicke wird kein Platz für Leerstand und Spekulation machen.