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CCC-Aktivist sitzt seit Wochen in vorsorglicher politischer Präventivhaft [NoPAG – Bayern]

Ein Hacker, Aktivist und langjähriges CCC-Mitglied aus Köln wird seit dem 4. November ohne Anklage in der bayerischen Justizvollzugsanstalt Stadelheim dauerhaft festgehalten. Ein Beitrag vom Chaos Computer Club.

Ursprünglich veröffentlicht von Chaos Computer Club.

Wir fordern, das CCC-Mitglied und die anderen in Präventivhaft einsitzenden Aktivisten freizulassen.

Ein Hacker, Aktivist und langjähriges CCC-Mitglied aus Köln wird seit dem 4. November ohne Anklage in der bayerischen Justizvollzugsanstalt Stadelheim dauerhaft festgehalten. Ein solcher Gewahrsam ohne Anklage oder Tatvorwurf ist in Bayern nach dem Polizeiaufgabengesetz möglich. Ein Mensch muss nur verdächtigt werden, unmittelbar bevorstehend eine Ordnungswidrigkeit begehen zu wollen. Es handelt sich nicht um eine Untersuchungshaft wegen einer konkreten Straftat, die ihm vorgeworfen würde, sondern um eine Präventivhaft.

Die durch das bayerische Polizeiaufgabengesetz erlaubte Maximaldauer dieser Haft ohne Anklage beträgt zunächst einen Monat und kann dann einmalig um einen weiteren Monat verlängert werden. Das ist unverhältnismäßig lange und spottet jeder Beschreibung eines Rechtsstaats.

Jemanden seiner physischen Freiheit zu berauben, ist eine drastische Strafe, der zwingend ein ordentliches rechtliches Verfahren vorausgehen müsste. In Bayern ist das bei dieser Form der Freiheitsentziehung offenbar verzichtbar.

Das CCC-Mitglied hatte sich an einem Klima-Protest in München beteiligt. Wir fordern, ihn und alle anderen von langer polizeilicher Präventivhaft Betroffenen freizulassen.

Für die vielen Empörten, die drakonische Strafen für Klima-Aktivist*innen fordern und dafür auch eine Haft ohne rechtsstaatliches Verfahren befürworten, müssen wohl noch einmal ein paar grundsätzliche Dinge erklärt werden: Allein an Berliner Gerichten laufen über 150 Gerichtsverfahren, in denen Klima-Protestierenden Nötigung und Widerstand vorgeworfen wird. So geht ein Rechtsstaat mit Protesten um, die potenziell strafrechtliche Grenzen überschreiten: mit Gerichtsverfahren, in denen Schuld oder Unschuld nach geltendem Recht festgestellt werden.

Die bayerische Präventivhaft hingegen ist genau das Gegenteil: Weggesperrt wird, wem man zukünftig eine eventuelle Ordnungswidrigkeit oder Straftat zutraut – ohne dass die Person diese überhaupt begangen haben muss. Wer diesen Unterschied nicht erkennt und nicht vehement gegen die potenziell mehrmonatige Präventivhaft opponiert, hat grundlegende demokratische Standards nicht verstanden.

Gesetze reformieren

Präventivgewahrsam ist nichts anderes als eine harte Strafe ohne fairen Prozess. Die Betroffenen sollen nämlich keine strafbaren Verhaltensweisen an den Tag gelegt haben, sondern man traut ihnen das nur grundsätzlich zu.

Dass diese Haft im Nachhinein richterlich abgesegnet wird, ändert nichts an der Unverhältnismäßigkeit wochenlanger Präventivhaft. So etwas darf es in Deutschland – genauso wie in jedem anderen Land der Welt – nicht geben. Das bayerische Gesetz, aber auch den Rechtsstaat aushöhlende Polizeigesetze anderer Bundesländer, die solche lange Haft ohne Anklage erlauben, müssen umgehend reformiert werden.

Wer versucht, Proteste mit Präventivhaft zu unterbinden, hat die Natur sozialer Bewegungen nicht verstanden und auch nicht, dass es ohne Proteste keine gesellschaftliche Veränderung geben kann.

C4 Mitglied in Bayern festgenommen

Chaos Computer Club Cologne e.V.

Wegen der Beteiligung an friedlichen Klimaprotesten wird ein C4-Mitglied ohne Anklage derzeit im Gefängnis in Bayern festgehalten.

Wir sind bestürzt darüber, dass ein Mitglied des Chaos Computer Club Cologne e.V. seit dem 03. November in Bayern in der JVA Stadelheim ohne Anklage festgehalten wird. Leider müssen wir derzeit davon ausgehen, dass diese mehr als fragwürdige Freiheitsberaubung noch bis Anfang Dezember durch die Polizei Bayern fortgesetzt wird.

Der Festnahme und Inhaftierung war eine Beteiligung an einem friedlichen Klimaprotest der Gruppe „Letzte Generation“ vorausgegangen, die durch eine Sitzblockade am Münchener Stachus für mehr Maßnahmen gegen die fortschreitende Klimakatastrophe protestiert hat.

Die gesetzliche Grundlage für den Freiheitsentzug bildet das Polizeiaufgabengesetz (PAG) Bayern, das inhaltlich große Nähe zum Polizeigesetz NRW aufweist, gegen das wir 2018 als C4 demonstriert haben.

In Bayern wurde damit das Festhalten von Personen für bis zu 60 Tage legalisiert, sofern die Polizei eine weitere Ordnungswidrigkeit befürchtet. Es ist dabei hervorzuheben, dass es sich um eine präventive Maßnahme handelt, so dass die Haft tatsächlich für eine (noch) nicht begangene Tat verhängt wird, bei der es sich dann wiederum nichtmals um eine Straftat handeln muss. Der Inhaftierung ging weder eine Anklage, noch ein Prozess voraus.

Eingeführt wurde die Präventionshaft 2017, um über wirksame Mittel gegen „neue terroristische Bedrohungen“ zu verfügen. Eine Ausnutzung dieser fragwürdig neu geschaffenen Privilegien gegen friedliche Aktivist:innen, die aus zivilem Ungehorsam den Stachus blockierten, um so auf die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe hinzuweisen, ist für uns absolut nicht nachvollziehbar.

Friedlichen Protest auf die selbe Stufe wie Terrorismus zu heben ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern verhöhnt zugleich die Opfer, die tatsächlicher Terrorismus gewaltsam fordert und hinterlässt. Die bayerische Polizei hat die Präventionshaft entgegen der ursprünglichen Behauptung in sehr weit gefasstem Rahmen anwendet, hier zeigt sich einmal mehr, dass solche Maßnahmen einer rechtsstaatlichen Ordnung nicht gerecht werden.

Dass Klimaaktivist:innen wegen zivilen Ungehorsams (dessen demokratische Tradition und Legitimation bis in die Antike zurückreichen) ohne Verfahren eingesperrt werden offenbart, dass eine Evaluierung der Sicherheitsgesetze längst überfällig ist.

Unser Vereinsmitglied ist derzeit in einer Einzelzelle untergebracht und hat uns in seinem letzten Brief geschrieben, dass er lediglich einmal pro Tag für eine Stunde Freigang im Hof erhält. Die Nutzung von Einrichtungen der JVA, wie z.B. der Gefängnisbibliothek, wurde ihm bislang verwehrt. Wir sind erschüttert von dieser Behandlung, die eher bei Schwerverbrecher:innen zu vermuten wäre, wobei selbst diese eine Anklage und einen Prozess erwarten dürften.

Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, unser C4-Mitglied sowie die anderen festgehaltenen Aktivist:innen umgehend freizulassen!

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