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Warum stehen wir immer noch vor den Polizeirevieren? [Portland, Oregon]

Portland. OR. Heute Abend, am 4. Februar, haben wir es der Polizei in Portland gezeigt, indem wir sie ein paar Stunden lang angeschrien haben. Und sie gezwungen haben, mit ihren Streifenwagen von der Straße in die Tiefgarage des IJC zu fahren. Beeindruckend. Warum machen wir das immer noch? Weil es im Juni 2020 wirksam war? War es damals überhaupt effektiv oder fühlte es sich nur effektiv an?

Ursprünglich veröffentlicht von Rose City Counter-Info. Übersetzt von Riot Turtle.

Wir schreiben das Jahr 2022. Ein weiterer schwarzer Mann wurde ermordet. Das ist ungeheuerlich. Wir sollten mit Millionen auf der Straße sein. Aber das sind wir nicht.

Die Polizei hat im Moment keine Angst vor uns. Denn sie wissen, dass, wenn ein Mensch ermordet wird, 15-100 Leute ihren Beton-Turm anschreien werden und nichts passieren wird. Heutzutage wird er kaum noch markiert. Im Jahr 2020 hatten sie Angst vor uns, weil ein Revier niedergebrannt ist, Bundesbeamte mit Knüppeln und Hämmern geschlagen wurden und ganze Innenstädte geplündert wurden.

Diese Energie haben wir im Moment nicht. Wir müssen unsere Taktik ändern. Wir müssen reflektieren. Wenn eine Bewegung nicht reflektiert, nachdem sie verschwunden ist, wird sie die nächste Bewegung in ihrer Wiege ersticken. Wir müssen uns fragen: Was wollen wir tun? Was haben wir? Was sind wirksame Wege, um das zu tun, was wir tun wollen? Was können wir mit dem tun, was wir haben?

Was wollen wir tun? Wir wollen, dass das Polizeirevier in Portland Angst hat. Wir wollen, dass OSP (Oregon State Police), MCSO (Multnomah County Sheriff’s Office), das FBI, die Nationalgarde und die Armee Angst vor Portland haben. Wir wollen, dass die Menschen in Portland so viel Vertrauen und gegenseitige Unterstützung füreinander bekommen, dass auf die Bullen geschossen wird, wenn sie versuchen, gewalttätige patriarchalische Ideen und Eigentumsverhältnisse durchzusetzen. Sie werden aus der Stadt gejagt und wir machen Portland unregierbar.

Was haben wir? Was haben wir in Bezug auf den Spirit, die Anzahl der Menschen, die individuellen und gemeinschaftlichen Fähigkeiten, die Kommunikation zwischen den Crews und Kollektiven und die Bereitschaft zu handeln? Unsere Fähigkeiten und unsere Beziehungen sind von entscheidender Bedeutung. Wenn wir uns nicht weiterbilden und keine Beziehungen aufbauen, werden wir uns nie befreien können. Wir müssen unsere Fähigkeiten fördern, um mit unserem Wunsch nach Freiheit kollaborieren zu können. Was den Spirit angeht, so ist es ganz klar, dass ein Großteil des Landes zerbrochen, aber wütend ist. Wir lecken unsere Wunden, wir haben Angst zu handeln, denn viele von uns sind allein oder zumindest etwas isoliert. Wir haben uns im Jahr 2020 gefunden, und doch haben viele Menschen nie wirklich starke Beziehungen geknüpft, bevor sie verhaftet und traumatisiert wurden und dann wieder in ihr „normales“ Leben zurückkehrten. Diese Menschen werden dieses Kommuniqué wahrscheinlich nicht lesen, aber in einer besseren Welt würden sie es tun. Viele von uns sind vernetzt. Viele von uns verfügen über Wissen und sind bereit, dieses Wissen für die Befreiung einzusetzen. Wir wissen, wie man Autos, Kleidung oder Körper flicken kann. Wir wissen, wie man Sachen kaputt macht. Wir wissen, wie wir einander finden können. Wie können wir mit diesem Wissen handeln?

Was ist effektiv? Diese Frage ist die heikelste. Einige Leute werden sagen, dass es effektiv ist, um die IJC herum zu stehen, weil wir die Bullen einschüchtern und sie dann aufgeben. Ich denke, dass das Anschreien von Betonwänden eher demoralisierend für uns ist. Außerdem verbrennt es unseren Block, weil wir direkt vor etwa 20 Kameras stehen. Wenn ihr Bullen einschüchtern wollt, dann tut das. Ich versuche es, so oft ich kann. Aber ich schlage vor, dass es effektiver ist, sie außerhalb ihrer sicheren Orte, ihrer Festungen, auf Starbucks-Parkplätzen oder auf dem Zebrastreifen anzuschreien, wenn sie an einer roten Ampel stehen. Einige Leute argumentieren auch, dass wir eine Ablenkung sind, weil wir in der Innenstadt stehen und die Augen auf uns gerichtet sind. Wenn der Sinn des Herumstehens in der Innenstadt darin besteht, „eine Ablenkung zu sein“, dann sollten wir vielleicht… ihr wisst schon, tatsächlich etwas tun, um sie abzulenken? Die Polizeibehörde in Portland ist personell unterbesetzt und hat keine Hundertschaft. Das Anschreien ihres Reviers wird sie nicht ablenken. Wenn eine Ablenkung daran gemessen wird, wie viele Bullen auftauchen, um mit einer Menschenmenge fertig zu werden, dann lenken 20 Leute, die vor dem IJC herumschreien, die meisten Bullen nicht ab, die weiterhin ihre Schreibtischarbeit machen oder auf Starbucks-Parkplätzen sitzen werden. 20 Leute, die auf dem Bürgersteig schreien, stellen kein Risiko dar. 20 Leute, die einen Apple-Store plündern, schon. 300, die versuchen, ein Gerichtsgebäude niederzubrennen, schon.

Aber das Ablenkungsargument ignoriert auch, dass wir niemanden als Köder anbieten sollten (und niemand sollte das Gefühl haben oder denken, dass er oder sie nur ein Köder ist). Eine große Gruppe sollte kein Köder sein, sie sollte eine Bedrohung darstellen. So wurde beispielsweise im vergangenen April das MSCO-Gebäude in Laurelhurst zur gleichen Zeit angegriffen, als in St. Johns Bullenwagen unterwegs waren. Aber dass die kleine Gruppe die große Gruppe als Ablenkung benutzte, war nicht die beste Vorgehensweise. Am besten wäre es gewesen, wenn die Autos zertrümmert und das MCSO-Gebäude von einem großen Block niedergebrannt worden wäre.

Wir sollten auf spontane, simultane und unkontrollierbare Angriffe hinarbeiten. Wir sollten als ein Strudel williger Hände wissen, dass jede Nacht eine Gelegenheit ist und dass die Bullen nie wissen werden, was sie hinter der nächsten Ecke erwartet. Wenn jemand „IJC at 7pm“ twittert, sollten die Cops Angst haben, dass eine Menge von 500 Leuten versuchen wird, das IJC niederzubrennen UND dass kein einziges Starbucks-Fenster den Sonnenaufgang sehen wird.

Was ist effektiv? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass wir aufhören müssen, die Polizeireviere anzuschreien. Das war im Oktober 2020 alt, jetzt ist es uralt. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir Amir Locke heute Abend eine Ehre erwiesen haben. Ich bezweifle, dass das jemand tut. Und das ist der Grund, warum die Leute nicht mehr rauskommen. Gegen eine Betonwand zu schreien, fühlt sich nicht gut an und ist wirkungslos. Gegen eine Betonwand zu schreien und dann mit Tränengas in der Lunge verprügelt zu werden, fühlt sich definitiv nicht gut an und ist definitiv ineffektiv. Die Leute kommen nicht zu „IJC um 19 Uhr“-Veranstaltungen, weil sie wissen, dass nichts Gutes passieren wird. Wenn wir die Menschen wieder einbinden wollen, können wir ihnen nicht denselben Scheiß bieten, der so viele geschlagen und mit einem posttraumatischen Belastungssyndrom zurückgelassen hat. Es fühlt sich wie ein Scherz an: Wenn wir mit einer Ungerechtigkeit konfrontiert werden, schreien die Liberalen „Wählt!“ und die Anarchist*innen in Portland twittern „IJC um 19 Uhr“.


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