
Ukraine. Eine Nachricht von einem belarussischen anarchistischen Geflüchtete, der in Polen gelebt hat und jetzt ein freiwilliger Kämpfer*in in der Ukraine ist.
Ursprünglich veröffentlicht von A Las Barricadas. Übersetzt von Riot Turtle.
Guten Abend an alle mit Ausnahme von Putins Soldat*innen.
Nach all den gescheiterten und gefährlichen Aktionen, der Flucht aus Belarus und dem, was ich in meinen 29 Jahren erlebt habe, war es gar nicht so schwer, in die vom Krieg zerrissene Ukraine zu reisen, obwohl es furchterregend war.
Es war nicht ganz klar, wohin ich gehen würde, was mich erwartete, ob ich die Grenze überqueren durfte. Ich war mir nicht sicher, ob ich mein Ziel erreichen würde, da mein Pass an den Kontrollpunkten die Aufmerksamkeit auf sich zog und außerdem ein Angriff mit feindliche Flugzeuge stattfand.
Und die Angst, dass die erste Schlacht auch die letzte sein würde. Aber die größte Angst war, meine bewaffnete Genoss*innen zu enttäuschen.
Ich bin davon überzeugt, dass die heutigen Ereignisse in Ukraine nicht nur über das Schicksal der Ukraine selbst, sondern über das Schicksal von ganz Europa entscheiden.
Die europäische Demokratie ist furchtbar, aber noch viel schlimmer ist das, was die so genannte „russische Welt“ aus dem Osten mitbringt. Die Reste von Freiheiten und Rechten, die die Arbeiter*innenklasse in Europa nach langem Kampf errungen hat, werden durch die russische Dystopie vollständig zerstört und alles um sie herum wird in ein Lager verwandelt, so wie sie es bereits in Belarus, Russland und teilweise auch in Kasachstan getan haben.
Michail Bakunin schrieb in seinem Werk „Föderalismus, Sozialismus und Anti-Theologie„: „Wir sind fest davon überzeugt, dass die unvollkommenste Republik tausendmal besser ist als die aufgeklärteste Monarchie, denn in einer Republik gibt es Momente, in denen die Bevölkerung zwar ewig ausgebeutet, aber zumindest nicht unterdrückt wird, während sie in Monarchien ständig unterdrückt wird„.
Das heutige Russland ist also eine äußerst aggressive Monarchie.
Ich lese oft, dass es sich um einen imperialistischen Krieg handelt, obwohl nicht klar ist, was das zweite Imperium ist, und dass Anarchist*innen dort nichts tun können.
Dass Nazis, die in irgendeiner Armee kämpfen, für die Ukraine kämpfen. Dass die Soldat*innen auf beiden Seiten ihre Waffen gegen die Regierungen richten müssen usw., aber ich habe noch nicht gehört, dass dies auch auf der Seite der Truppen der „Befreier“ geschieht.
Und es gibt noch viele andere Kritikpunkte, von denen ich einigen vielleicht sogar zustimme, aber das Problem ist, dass beiseite zu stehen und eine korrekte Klassenposition einzunehmen bedeutet, ein stiller Zeuge der Bombardierungen von Kyiv, Charkiv, Tschernigov und Mariupol zu werden. Und mein Gewissen erlaubt es mir nicht, an der Seite zu stehen.
Deshalb bin ich heute hier in der Ukraine, die all diese Schwierigkeiten überwinden und sich endlich vom Einfluss Moskaus befreien wird, und mit ihr wird auch Belarus frei sein, und lasst uns hoffen, dass Russland selbst danach endlich zu einer echten Föderation freier Länder wird.