
Iran. Ein Text über den laufenden Aufstand im Iran: Ist es eine feministische Revolution?
Ursprünglich veröffentlicht auf EMRAWI. Übersetzt von Riot Turtle.
Ist es eine feministische Revolution?
Ist es eine feministische Revolution, weil sie ihren Hidschab verbrennen?
Handelt es sich um eine feministische Revolution, weil sie von Frauen gestartet wurde und von ihnen vorangetrieben wird?
Ist es eine feministische Revolution, wenn Männer daran teilnehmen?
Ist es eine feministische Revolution, wenn sich nichts ändert?
Was haben Haare mit der Revolution zu tun?
Glorie und Kraft für die Frauen im Iran.
Wenn wir Glück haben, sind Frauen Semikolons in den Geschichten, die von Männern und anderen Egomanen und „Revolutionären“ geschrieben werden, die denken, wir wüssten nicht, dass sie nicht wissen, was sie tun; die denken, wir wüssten nicht, dass sie nur mehr von der Macht wollen, die der Staat monopolisiert, und nicht die Befreiung für uns alle.
Glorie und Kraft für die Frauen im Iran, die die Geschichte an sich gerissen haben und zum Objekt und Subjekt geworden sind. Frauen sind zu oft das Nachspiel einer Revolution, selten der Grund für ihre Existenz.
Hört euch ihre Sprechchöre an: Jin Jiyan Azadi/Frauen Leben Freiheit!
Glorie und Kraft für die Frauen im Iran, die uns vor diese Herausforderung stellen: Wenn Frauen (und Männer) in einem der perfektesten Polizeistaaten so unerschrocken sind, was unternimmst du selbst im Kampf gegen deine Unterdrücker?
Das Ding an Revolutionen ist, dass man sie nie ausblenden kann. Man kann nie sehen, wie Menschen, die keine Angst mehr haben, sich erheben.
Ihr Mut wird euch das Herz aufgehen lassen. Und euch darauf aufmerksam machen, dass ihr die Nächsten seid, egal ob ihr ein Unterdrücker mit kleinem U oder ein Unterdrücker mit großem U seid.
Glorie und Kraft für die Frauen im Iran, die das Narrativ an sich gerissen haben und zum Objekt und Subjekt geworden sind.
In zu vielen Revolutionen sind Frauen gestorben, wurden geschlagen, beschossen und sexuell missbraucht, weil sie an der Seite von Männern gekämpft haben, um ihre Länder von dem Patriarchen mit Großbuchstaben zu befreien, doch so viele Patriarchen mit Kleinbuchstaben unterdrücken uns immer noch.
Wir haben keine Angst mehr.
Glorie und Kraft für die Frauen im Iran, die ihre Hidschabs verbrennen und damit unsere Fantasie in Brand setzen. Die arabischen Aufstände wurden von einem Mann ausgelöst – Mohamed Bouazizi, einem tunesischen Straßenverkäufer – der sich selbst in Brand steckte und damit Revolutionen und Aufstände in der Region auslöste, die ins Stocken geraten sind und unvollendet bleiben. Und hier sind nun iranische Frauen, die unsere revolutionären Herzen neu entfachen – mit dem Feminismus, der den arabischen Aufständen fehlte.
Der Iran ist kein arabisches Land, aber jetzt ergreifen die Frauen dort die Initiative, und zwar nicht durch Selbstverbrennung, sondern indem sie ein Instrument ihres Patriarchats anzünden; ein Instrument, das viele andere Frauen in den Ländern rund um den Iran nur allzu gut kennen.
Als ich hörte, dass Mahsa Zhina Amini, eine Kurdin im Iran, in der Obhut der „Moralpolizei“ starb, die sie festgenommen hatte, weil sie keinen „richtigen Hidschab“ trug, dachte ich sofort an andere weibliche Leben, die auf dem Altar eines Stücks Stoff geopfert wurden.
Ich dachte an die 15 Mädchen, die 2002 bei einem Schulbrand in Mekka, Saudi-Arabien, ums Leben kamen, nachdem die „Moralpolizei“ in diesem Land sie daran gehindert hatte, aus dem brennenden Gebäude zu fliehen – und die Feuerwehr daran hinderte, sie zu retten -, weil die Mädchen keine Kopftücher und Schleier trugen, die in der Öffentlichkeit vorgeschrieben waren. Und dann geschah nichts. Keiner wurde vor Gericht gestellt. Die Eltern wurden zum Schweigen gebracht. Das einzige Zugeständnis an das Grauen war, dass der damalige Kronprinz Abdullah den salafistischen Eiferern, die es dennoch geschafft haben, das Bildungssystem des Königreichs im Griff zu behalten, die Bildung für Mädchen entzogen hat.
Es ist keine Überraschung, dass das iranische Regime das saudische Regime beschuldigt, die Revolution, die durch den Tod von Mahsa Zhina Amini ausgelöst wurde, anzuzetteln. Zwei Theokratien, die sich in ihrem Frauenhass so sehr ähneln und deren Eifer jahrelang Leben in der Region zerstört hat.
Und deshalb werden Revolutionen für und von Frauen uns alle befreien. Der Feminismus befreit alle. Wenn Frauen frei sind, sind alle frei.
Das Dind mit Revolutionen ist, dass man sie nie ausblenden kann. Man kann nie sehen, wie Menschen, die keine Angst mehr haben, sich erheben. Ihr Mut wird dein Mumm in Brand setzen.
Was haben Haare mit der Revolution zu tun?
In Abbas Kiarostamis Film Ten gibt es eine Szene, in der eine Frau, die in einem Auto im Teheraner Verkehr sitzt, vorsichtig ihren Hidschab abnimmt, um ihren rasierten Kopf zu zeigen. Als ich diese Szene des Films 2003 in New York City zum ersten Mal sah, brach ich in Tränen aus. Es war 11 Jahre her, dass ich aufgehört hatte, den Hidschab zu tragen, und es würde weitere 17 Jahre dauern, bis ich mein eigenes Haar abrasiert hatte.
Kurz nachdem ich mir die Haare abrasiert hatte, sah ich mir den Film noch einmal an, und diese Szene hat mich immer noch gepackt.
Was hat die Revolution mit Haaren zu tun?
Während der irischen Revolution rasierten oder schnitten beide Seiten die Haare der Frauen gewaltsam ab, um sie zu bestrafen und um den Körper der Frauen zu kontrollieren.
Was haben Haare mit der Revolution zu tun?
Die iranische Revolution wurde von den Klerikern vereinnahmt, die dann die massenhafte Bedeckung der Haare der Frauen einer ganzen Nation als ihre Errungenschaft bezeichneten. Wem gehört mein Haar, geschweige denn mein Körper, wenn eine Revolution, in der Frauen an der Seite von Männern kämpften, kurz nach der Erklärung des Sieges den Hidschab auferlegt? Wenn du dir die Haare unter diesem aufgezwungenen Hidschab rasierst, bist du dann die Revolution eines Einzelnen, die sich widersetzt, ungehorsam ist und stört? Wenn du den obligatorischen Hidschab in der Öffentlichkeit abreißt und dein Haar in der Öffentlichkeit abrasierst, vollendest du dann endlich die Revolution, die dir die Theokraten und die Misogynen gestohlen haben?
Darauf kannst du verdammt nochmal wetten.
Du signalisierst FICKT EUCH, MEIN KÖRPER GEHÖRT MIR, und zwar auf eine Art und Weise, die sowohl das Patriarchat als auch der Unterdrücker und der unterdrücker verstehen.
Wir sind mehr als das, was wir auf dem Kopf und zwischen den Beinen haben.
Während der ägyptischen Revolution lauteten die Sprechchöre „Brot, Freiheit, soziale Gerechtigkeit“. Die Sprechchöre, die wir heute in den iranischen Revolutionen hören, erinnern uns daran, dass all dies ohne Feminismus nicht möglich ist: Frauen, Leben, Freiheit.
Zeigt auf eure „Moralpolizei“ und was sie zur Pflicht gemacht haben und brennt sie nieder.
Eine feministische Revolution richtet sich gegen das Patriarchat im Staat, auf der Straße und zu Hause, weil sie anerkennt, dass es keine Befreiung ohne sexuelle Befreiung, ohne Befreiung der Geschlechter und ohne Befreiung der Queers gibt. Das ist eine revolutionäre Aussage: Mein Körper gehört mir, nicht dem Staat, nicht der Straße, nicht dem Zuhause. Er gehört mir.
Eine feministische Revolution wagt es, sich die Befreiung vom Militarismus des Staates und von seinem Widerhall im Konservatismus der Straße und des Zuhauses vorzustellen. Eine feministische Revolution erkennt an, dass die härteste aller Revolutionen die zuhause ist, weil alle Diktatoren nach Hause gehen.
Und eine feministische Revolution widersetzt sich all jenen, die darauf bestehen, dass „die Menschen nicht bereit sind“, denn als Revolutionärinnen müssen wir erkennen, dass wir zu spät sind, wenn unsere Gemeinschaften bereit für uns sind.
Bist du bereit? Wenn Frauen (und Männer) in einem der perfektesten Polizeistaaten so unerschrocken sind, was machst du da eigentlich?
Theokratie muss durch eine feministische Revolution bekämpft werden, sonst ist sie nur eine weitere Variante des Patriarchats.
Das Ding mit Revolutionen ist, dass man sie nie ausblenden kann. Man kann nie sehen, wie Menschen, die keine Angst mehr haben, sich erheben. Ihr Mut wird dein Mumm in Brand setzen.
Wenn du den Glanz und die Kraft der feministischen Revolution im Iran siehst, dann frage dich (ich schaue euch Menschen in den USA an, die ihr die feministische Revolution gegen die Theokraten dort drüben anfeuert), was zum Teufel du tust, um Theokraten und Faschisten hier drüben zu bekämpfen, und stelle sicher, dass es mehr ist als Hashtags und nur wählen.
Brennt. Scheisse. Nieder.
Wo bleibt eure feministische Revolution gegen eure Theokraten?
Zeigt auf eure „Moralpolizei“ und was sie zur Pflicht gemacht hat und brennt sie nieder.