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Anarchistische Initiative Ljubljana: Produzieren, konsumieren, gehorchen!

Eine Erklärung der Anarchistischen Initiative Ljubljana zur Situation in Slowenien in Zeiten des Corona-Virus.

Ursprünglich veröffentlicht von Komunal. Übersetzt von @altepunks.

Produzieren, konsumieren, gehorchen!

Die Spannungen in der Gesellschaft nehmen von Tag zu Tag zu. Die Epidemie enthüllt zunehmend die Widersprüche und Risse des kapitalistischen Systems, dessen Manager – der Staat – nicht einmal mehr den Eindruck erwecken wollen, dass der Zweck darin besteht, die verheerenden Auswirkungen des tödlichen Virus zu verringern.

In unserer stark kontrollierten und bürokratisch verwalteten Welt ist nichts natürlich und völlig zufällig, auch wenn die Behörden uns davon überzeugen wollen, dass eine Coronavirus-Pandemie eine Katastrophe dieser Art ist. Was die Fähigkeit der Gesellschaft untergräbt mit solchen Krisen umzugehen, sind nicht „verantwortungslose Nachtschwärmer“ oder Versammlungen im privatem Bereich, sondern Jahrzehnte der absichtlichen Zerstörung öffentlicher Dienstleistungen, die ansonsten allen zugänglich sein sollten und ihre schrittweise Umwandlung in Konsumgüter.

Die Tatsache, dass die derzeitige Regierung keine großen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur getätigt hat, spiegelt keine spezifische Bosheit von Janez Janša und seinen Kumpanen wider, sondern ist ein Symptom für eine Politik, die nur kurzfristiges Wirtschaftswachstum sieht, wenn auch auf Kosten der vollständigen Zerstörung von Mensch und Natur. Die Konsequenzen davon spüren alle, die nicht in den Lobbys der Hauptstadt vertreten werden und wir sind daher quasi gezwungen, die immer schwieriger werdenden Arbeits- und Lebensbedingungen gehorsam zu akzeptieren, da jeder Ausdruck von Kritik oder Alternativen am Status quo verboten und sanktioniert wird. Weder Regierung noch Kapital sehen in uns etwas anderes als Verbrauchsmaterialien, deren einzige Aufgabe darin besteht, zu produzieren, zu konsumieren und zu gehorchen. Wer alt oder verletzlich ist, muss in dieser Krise als Kollateralschaden der gewaltsamen Bemühungen um die Aufrechterhaltung des Ausbeutungs- und Verwüstungssystems den Tod in Kauf nehmen .

Um die Maßnahme in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, bekämpfen wir als Gesellschaft nicht nur eine Epidemie, welche die Kapitalisten belohnt und die überwiegende Mehrheit der Menschen zunehmend marginalisiert, vernachlässigt und behindert, sondern auch den aggressiven Versuch, eine autoritäre Herrschaft einzuführen. Es ist seit langem klar, dass diese Episode von „Jansismus“ nicht nur ein provinzielles und lokales Symptom einer speziellen slowenischen Psychose ist, sondern ein Spiegelbild der globalen Transformation des neoliberalen Konsenses in ein neues Modell der Gesellschaftsorganisation. Eine dieser Eigenschaften der Transformation ist die endgültige Zersetzung der liberal-demokratischen „Hülle“, welche die autoritäre Willkür und die Akkumulation von Kapital in gewissem Maße bremste. Während der Epidemie wurden viele Länder, nicht nur Slowenien, zu einem Labor, um die Grenzen der Regierung unter den Gegebenheiten der Pandemie in Richtung eines permanenten Notstands zu verschieben.

Dieser Prozess ist weder zufällig noch notwendig, noch spontan oder so chaotisch, wie diejenigen, die am meisten davon profitieren, ihn gerne darstellen. All dies wird gut durch die Tatsache veranschaulicht, dass unter diesen Umständen, die im Grunde immer noch eine Gesundheitskrise sind, selbst die politische Mitte den Schleier der von „Rechtsstaat“ und „zivil-sozialen“ Einstellungen leicht ablegte und schnell erkannte, dass es einem autoritäreren Weg folgen könnte, um die Durchsetzung der Interessen seines Kapitalnetzwerks zu erleichtern. Wenn sie daran etwas stört, ist es einfach die Direktheit ihres rechtsextremen Koalitionspartners, da sie selbst gerne etwas diskreter bei der Umsetzung praktisch derselben Richtlinien wären. Das Ziel sowohl der politischen Mitte, als auch der äußersten Rechten ist es, eine geplante Atmosphäre der Willkür und des Chaos zu schaffen, in der nur willkürliche und souveräne Dekrete von politischen und wirtschaftlichen Führern gelten. Gleichzeitig wird durch vulgäre, beleidigende und aggressive Kommunikation jede Kritik an ihren Bewegungen verhindert.

Während die Behörden uns davon überzeugen, dass wir in Krisenzeiten zusammenstehen müssen, vergrößern sie selbst die Kluft zwischen denen, die alle Privilegien dieser Welt haben und anderen Menschen, die zunehmend an den Rand gedrängt werden. Die Kapitalisten werden nach dem Ende dieser Krise noch reicher sein, die politische Elite und die staatliche Bürokratie werden ihre Macht und Kontrolle über unser Leben erheblich erhöhen und wir werden einer noch brutaleren Prekarität, dem Verlust geliebter Menschen, abnehmenden Rechten und einer Zukunft der Angst und Furcht gegenüberstehen.

Trotzdem gibt es selbst in den düstersten Zeiten Hoffnungsschimmer. Schließlich hängt der gesamte Reichtum einiger wenigen Menschen, wie ihre Privilegien und Autorität über unser Leben, von unserer Arbeit und der Teilnahme an ihrem Ausbeutungssystem ab. Es reicht daher schon aus, die Rolle als unverzichtbares Menschenmaterials, in die wir gedrängt werden, abzulehnen und damit das Recht zu gewinnen, echte Entscheidungen über unser Leben zu treffen. Die Idee eines Generalstreiks, der bereits öffentlich diskutiert wird, scheint ein guter Schritt in diese Richtung zu sein, aber es ist dabei nicht notwendig, sich auf die Führung von Parteien und eigennützigen Gewerkschaften zu verlassen. Kein Retter wird uns aus dieser Katastrophe herausholen, egal wie KUL (Anmerkung: KUL ist eine von Oppositionsparteien gegründete Koalition, nach dem Vorbild der italienischen Koalition des Verfassungsbogens nach dem 2. Weltkrieg, die Koalitionen mit rechtsextremen oder faschistischen Parteien ausschließt) er erscheint. Wir können uns nur aufeinander verlassen, auf die Hebel der sozialen Macht und auf eine gemeinsame Vision einer besseren Zukunft von Freiheit, Würde, Autonomie und Gleichheit.

In diesen Zeiten hat die Rebellion einen noch höheren Preis zu zahlen als gewöhnlich. Die Behörden haben mögliche Formen der Rebellion mit beispielloser Repression unterdrückt. An diese Repression sind wir gewöhnt, aber dadurch werden die Gründe für den allgemeinen Widerstand nicht beseitigt, sondern nur vertieft. Unter diesen Umständen kann der Funke zum Widerstand aus einer unerwarteten Richtung kommen: vielleicht von Arbeitern, die von ihren Vorgesetzten nicht krankgeschrieben werden; vielleicht von schulpflichtigen Jugendlichen, die in Häusern eingesperrt sind und mit Hilfe von Computern den Behörden ausgeliefert sind; vielleicht vom Personal im Gesundheitswesen oder von den jungen und weniger jungen Menschen, die das Kapital für überflüssig, kriminell und verdorben erklärt hat. Alle, die einen Funken beitragen, helfen dabei, dass Feuer der Rebellion zu entzünden.

Verbreiten wir das Virus des Widerstandes an Arbeitsplätzen, in Nachbarschaften und auf den Straßen!

Anarchistische Initiative Ljubljana, 18. Dezember 2020.



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2 Gedanken zu „Anarchistische Initiative Ljubljana: Produzieren, konsumieren, gehorchen!

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  2. […] Ländern unterschiedliche Ansätze, mit den autoritären COVID-19 Staatsmaßnahmen umzugehen. Auf Enough 14 und Sunzi Bingfa wurden einige Artikel und Stellungnahmen von Antiautoritären in Slowenien […]

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