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Quebec: Gegen die Ausgangssperre

Quebec. Kanada. Eine anonyme Einreichung an Montreal Counter-Information gegen die COVID-19 bezogene Ausgangssperre in Quebec.

Ursprünglich veröffentlicht von Montreal Counter-Information. Übersetzt von Riot Turtle für Enough 14.

Samstagnacht trat in den Straßen von Quebec eine Ausgangssperre in Kraft – die weitreichendste und intensivste Einschränkung der Bewegungsfreiheit seit der Oktoberkrise von 1970. Die Legault-Regierung hat der Polizei die Macht gegeben, alle Personen zu stoppen, die sich nach 20:00 Uhr draußen aufhalten, und ihnen eine Geldstrafe von bis zu 6000 Dollar aufzuerlegen, wenn sie keinen Grund vorweisen können, den die Polizei für zulässig hält. In den kommenden Wochen wird sich COVID weiter ausbreiten. In der Zwischenzeit werden unter anderem Menschen ohne Papiere, Obdachlose, Menschen in unsicheren Wohnsituationen, Arbeiter:innen der Schattenwirtschaft und Menschen, die einfach nur nachts spazieren gehen wollen, nächtlich von der Polizei schikaniert, ohne dass ein Ende in Sicht ist. All dies, um den Status quo einer Wirtschaft zu schützen, die uns und den Planeten umbringt. Diese brutale Entwicklung in einer Ära von Experimenten der sozialen Kontrolle kann nicht ohne Antwort bleiben. Es ist nicht nur möglich, es ist notwendig, sich zu wehren.

Wir lehnen diese eskalierende staatliche Kontrolle über unser Leben ab, während wir gleichzeitig die Position der populistischen Rechten und Verschwörungstheoretiker:innen ablehnen. Diese Gruppen leugnen entweder die Bedrohung durch COVID-19 insgesamt oder beschuldigen fälschlicherweise bestimmte ethnische Gruppen, oft mit dünn verschleiertem Hundepfeifen-Politik [1] über eine „globalistische Elite“. Ihre Reaktion auf COVID macht deutlich, dass wir es mit einer Konfrontation zwischen zwei Vorstellungen von Freiheit zu tun haben. Die Freiheit, die wir verteidigen wollen, unterwirft den Einzelnen nicht einer staatlich geförderten Idee des Gemeinwohls. Sie verlangt jedoch, dass wir die materielle Realität unserer Welt und die tatsächlichen Bedingungen der Unterdrückung – unsere und die der anderen – anerkennen und uns nicht in irgendwelche fiktiven geopolitischen Handlungsstränge flüchten, die unser Gefühl der Ohnmacht besänftigen und unsere Empörung bestätigen könnten. Diese Freiheit weist jedem von uns die Verantwortung zu, für ein lebenswertes Leben zu kämpfen, anstatt die Verantwortung endlos auf imaginäre Feinde zu projizieren. COVID ist real, der Polizeistaat auch.

Wir haben nie geglaubt, dass Legaults [2] Forderungen nach Restriktionen auf der Sorge um unsere Sicherheit beruhten. Seit dem Beginn der Pandemie haben Legault und seine Kumpanen gezögert, Arbeitsstätten und Schulen zu schließen, während sie gleichzeitig unsere Fähigkeit immer weiter einschränken, unser Leben außerhalb der Arbeit nach unseren eigenen Bedingungen zu gestalten. Das zeigt, dass der Staat sich nur um uns kümmert, solange wir weiter produzieren und konsumieren und uns gerade gesund genug halten, um weiterhin die Taschen der Wohlhabenden zu füllen. Überall auf der Welt sind die Reichen während der Pandemie exponentiell reicher geworden, während unsere Schmerzen zunehmen. Kapitalist:innen und Regierungen (sie sind ein und dasselbe!) passen sich an die sozialen Beschränkungen an, was ihnen erlaubt, von uns zu profitieren, während wir weiter leiden. Wir haben uns schon immer gegen diese Arbeitswelt gewehrt, die uns die Fähigkeit raubt, unser Leben selbst zu gestalten. Lassen wir nicht zu, dass der Staat weiter definiert, wie wir leben und wie wir uns und unsere Lieben schützen.

Die Kriminalisierung unserer sozialen Beziehungen durch den Staat schädigt die psychische Gesundheit von immer mehr unserer Freund:innen und Familienangehörigen. Ein Leben, das durch eine Krise der psychischen Gesundheit verloren geht, ist nicht weniger tragisch als ein Leben, das durch COVID-19 verloren geht. Die Pressekonferenz vom 6. Januar hat deutlich gemacht, dass die psychische Gesundheit für die Regierung kaum noch eine Rolle spielt. Wir glauben, dass die Art und Weise, wie wir unser Leben leben, wichtiger ist als das bloße Überleben, und lehnen jede Definition von Gesundheit ab, die von den Anforderungen der wirtschaftlichen Produktion diktiert wird.

Inzwischen versucht der Staat, uns gegeneinander aufzuhetzen. Sie wollen, dass wir unsere eigenen kleinen Überwachungseinheiten werden, die nur die uns zur Verfügung gestellte Spitzel-Hotline anrufen müssen, um die Arbeit der Polizei zu erledigen – die ihrerseits eingeladen wurde, „mit Sirenen durch die Straßen der Städte zu fahren, um den Beginn dieser außergewöhnlichen Zeit zu markieren“, laut La Presse (8. Januar 2020).

Aber im Gegensatz zu La Presse erwarten wir, dass diese Zeit alles andere als außergewöhnlich sein wird. Die Entlarvung der Macht des Polizeistaats in seiner gewalttätigsten Form ist im besten Fall ein Test, im schlimmsten Fall ist sie das neue Normal. Es liegt an jedem von uns, dafür zu sorgen, dass ihre Machtdemonstration unserem Erfindungsreichtum nicht standhalten kann, damit die entleerten Straßen zu einem Spielplatz werden können.

Fußnoten

[1] In den USA und Canada bezeichnet man diese Art der Beeinflussung der Bevölkerung als ‚dog-whistle politics‘, als ‚“undepfeifen-Politik“: Wörter, die eine versteckte Botschaft transportieren, weil sie nur wahrnehmbar für jene sind, die erreicht werden sollen.

[2] Joseph Léo François Legault ist ein Politiker und Geschäftsmann aus Québec, der seit 2018 der 32. und aktuelle Premierminister von Québec ist. Er war Vorsitzender der Partei Coalition Avenir Québec seit ihrer Gründung im Jahr 2011 und Kabinettsminister während der Premierministerschaften von Lucien Bouchard und Bernard Landry. Bevor er Politiker wurde, war er Mitbegründer der kanadischen Fluggesellschaft Air Transat. https://en.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois_Legault



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