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Nachricht an diejenigen, die sich über (verbrannte) Mülleimer empören

Eine Video-Intervention des Cerveaux Non Disponibles-Kollektivs (der Text folgt auf Deutsch).

Ursprünglich veröffentlicht von Cerveaux Non Disponibles. Übersetzt von Riot Turtle  für Enough 14.

Vor dem Ernst der Lage, vor dem sozialen und Klimanotstand, glauben wir, dass ihr der Aufgabe nicht gewachsen seid. Ihr, die Parteien, Gewerkschaften, Organisationen, Koordinationen. Ihr, die Persönlichkeiten, die Vertreter:innen, die Prominent:innen, die Führungskräfte.

Es gibt Millionen von uns, die die Geschichte neu beginnen wollen. Es geht uns nicht darum, neoliberale oder prä-faschistische Reformen zu verhindern. Nein, wir wollen das System, das sie hervorbringt, demontieren, bevor es jedes Leben zerstört, alles was lebt. Wir wissen, dass dies nicht möglich ist, ohne dass die alte Welt Widerstand leistet, kämpft, Vergeltung übt.

In Frankreich haben die Gelbwesten ein großartiges Licht aufleuchten lassen und die Tür zu diesem, sagen wir mal, revolutionären Horizont geöffnet. Aber die Tür ist um den Preis einer unglaublichen Repression geschlossen geblieben.

Indem sie vorgaben, dieses Ideal zu vertreten, oder sich davor fürchteten, es in vollem Umfang zu tragen, haben die Strukturen, die seither die meisten der laufenden Kämpfe übernommen haben, zu oft ein bekanntes Spiel mitgebracht, das darin besteht, die Anordnungen der Macht zu akzeptieren, sich von den als gewalttätig angesehenen Demonstrant:innen zu distanzieren.

Das ist nichts Neues, es ist sogar völlig veraltet.

In einem Land, in dem die Menschen gegen den Aufstieg eines zunehmend wahnsinnigen Autoritärismus kämpfen, gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt, gegen die soziale Gewalt, die über die Schwächsten hereinbricht; in einem Land, in dem der Mörder von Zineb Redouane immer noch ein CRS-Bulle ist, in dem die Polizei die Zelte von Migrant:innen aufschlitzt, in dem die Regierung inmitten einer Pandemie alle für Idioten gehalten hat. Ihr, ihr verurteilt eine Krankenschwester, weil sie einen Stein in Richtung gepanzerter Polizist:innen geworfen hat, ihr verurteilt einen Angestellten der Feuerwehr, weil er eine Rauchbombe geworfen hat, eine Gelbweste, weil er Feuerwerkskörper gegen die BAC [brigades anti-criminalité] geworfen hat, und einen schwarzen Block Aktivist:in, weil sie/er mit einem Hammer auf das Fenster eines Luxusgeschäfts eingeschlagen hat.

Ihr verurteilt, ihr verurteilt, ihr verurteilt. Nur jede eurer Verurteilungen legitimiert die nächste Reform, die darauf abzielt, uns am Demonstrieren zu hindern, die nächste Reform, die es euch erlaubt, so zu tun, als ob ihr den Ekelcharakter dessen, was uns regiert, wiederentdeckt.

In Wirklichkeit unterstützt ihr die Macht.

Da wir Verbündete sind, werden wir offen darüber reden. Das ist es, was uns wütend macht. Nicht die Tatsache, dass ihr immer noch glaubt, ihr könntet das System reformieren, von innen heraus, indem ihr vielleicht ein paar Interessen für euch und eure Strukturen durchsetzt, auch nicht die Tatsache, dass ihr immer noch nicht verstanden habt, dass es in dieser Zeit der strukturellen Krise des Kapitalismus keine Möglichkeit der Verhandlung mehr gibt. Nein. Die Tatsache, dass ihr auf Gedeih und Verderb an der Unterdrückung von Kämpfen teilnehmt, weil es eben doch eine Zwei-Kilometer-Falle statt einer Demonstration braucht, um zu verhindern, dass die Mülltonnen brennen…

Das macht euch nicht zu Feinden. Aber wisst ihr, dass in einer Zeit, in der alles möglich scheint, und vor allem das Schlimmste, sind wir diejenigen, die nicht beabsichtigen, die Hoffnung zu begraben durch moralistische Urteile die auf TV-Kanäle und Zeitungen, im Besitz von Oligarchen, serviert werden.

Wir belehren nicht, wir spielen Politik, diktiert von unserem Wunsch, ein anderes Land, eine andere Welt aufzubauen; dort mit Würde zu leben und dort glücklich zu sein.

Es scheint, als ob die Frage zwischen euch und uns nicht darin besteht, ob wir auf der gleichen Seite der Barrikade stehen. Wenn ihr die Zeit und Energie habt, zu erklären, warum ein brennender BMW der Sache nicht dient, wenn die Welt in Flammen steht, bewaffnete Milizen alle sozialen Kämpfe unterdrücken, Millionen von Menschen leise sterben, während die Milliardäre immer reicher werden… Es ist objektiv gesehen doch so, dass ihr nicht auf der Barrikade steht.

Und es ist eine Schande, weil es uns scheint, dass ihr, wie wir und Tausende andere, während der aufständischsten Taten der Gelbwesten insgeheim gejubelt habt, als Christophe Dettinger sich boxte und die Tür eines Ministeriums unter den Schlägen eines Gabelstaplers fiel.

Angenommen, es…

Von unserer Seite aus schreien wir es laut. Es war schön. Es war schön, weil es nach Hoffnung geschmeckt hat. Und das zu sagen, macht uns nicht durstig nach Gewalt und Chaos. Das zu sagen, heißt, zu wissen, wo und wann die Macht tatsächlich wankt, auch auf eine schleichende und lokal begrenzte Weise, und sich darüber zu freuen.

Also ja, lasst es uns annehmen. Wenn wir eine Revolte sehen, rast unser Herz, und wenn wir Feuer sehen, brennt unser Körper vor Sehnsucht nach dem Morgen, denn wir träumen jeden Tag von einer besseren Welt als der, die nur noch durch Gewalt aufrecht erhalten wird. Eine Welt der Freiheit. Eine Welt der Solidarität. Eine Welt, die nicht mehr vom Profit einiger weniger regiert wird. Eine Welt, in der die Natur im Zentrum der kollektiven Entscheidungen steht. Es ist dieser Horizont, für den wir kämpfen. Davon schwärmen wir. Und es ist für diesen Horizont, dass die Zerstörung der alten Welt unser innigster Wunsch ist.

Ihr wisst es. Unter dem zivilisierten Mäntelchen leben wir in der Tat in Schrecken und namenloser Unmenschlichkeit; die Zukunft, die in der Farbe des Abgrunds Gestalt annimmt. Lasst uns gemeinsam aufstehen und alles tun, was wir können, jetzt, unerbittlich und mit Liebe.

Cerveaux Non Disponibles, 21. Januar, 2021


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