
Egoism (Egoismus) ist eine Philosophie, die von Max Stirner, einem deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Sein Denken ist antipolitisch und richtet sich gegen alles, was sich als „fixe Idee“ oder „Phantom“, wie er es nennt, präsentiert. Diese „Fixen Ideen“ sind soziale Konstruktionen, die uns fremd sind und uns durch ihr Außerhalb-Sein dem Verlangen unseres Egos oder „Einzigen“ entfremden.
Ursprünglich veröffentlicht von The Anarchist Library. Geschrieben von Am Dampierre. Übersetzt von Riot Turtle.
Die Kommodifizierung unseres Einzigen führt also zu einer Entfremdung des Selbst vom sich selbst. Die logische Lösung wäre dann die Zerstörung der Kommodifizierung und ergo die Zerstörung des Kapitalismus, wobei der Egoismus, wie er von Stirner dargelegt wird, von Natur aus antikapitalistisch ist.
Stirner warnt auch vor Gesetzen, Regeln und anderen Beschränkungen des Selbst, die der Staat aufstellt, um das Einzige des Individuums zu kontrollieren. Diese Dinge schränken uns ein, sie nehmen die Moral und Ethik der Religion und zwingen sie jedem Bürger auf. Der Staat sagt, wer Dinge tun darf und wer nicht, er sagt sogar, wer ein Mensch ist und wer nicht. Deshalb müssen wir anarchistisch sein und jede Form von Autorität oder Hierarchie zerstören, die es gibt.
Der Staat arbeitet auch mit dem Kapital zusammen, eine furchtbare Kombination, um uns noch mehr zu fesseln. Er finanziert Konzerne, schränkt ein, wer Kapital besitzen darf und wer nicht (in der Regel diejenigen mit einem weißen, männlichen und wohlhabenden Hintergrund). Sie stecken diejenigen, die sie für „unmenschlich“ halten, in Gefängnisse und zwingen sie, umsonst oder für sehr wenig, manchmal für Pfennige, zu arbeiten und stehlen ihre Arbeitskraft. Wir werden zu dem, was illegal ist, wir werden unmenschlich, wir werden zu Monster:innen für die Gesellschaft selbst, wir machen sie zu unserem Feind und greifen sie an, schlitzen ihren fetten Bauch auf, wann immer wir die Gelegenheit dazu haben. Das ist das Schicksal des Egoisten, denn durch die staatliche Durchsetzung von „Menschlichkeit“ als das Gleiche wie „Gesetzestreue“ oder „Moral“ werden wir in das Epitaph des „Monsters“ gestoßen.
Er machte auch den Punkt, um den Humanismus und alle seine Ableger zu kritisieren. Der Humanismus, der nichts anderes als religiöses Gedankengut ist, verpackt in etwas, das „logisch“ und „mitfühlend“ erscheint, kann, wie gesagt, in einem Staat unter „Humanismus“ allein entscheiden, wer menschlich ist und wer nicht, und diejenigen, die es nicht sind, in die Grube werfen. Deshalb müssen wir gegen den Begriff und das Ideal des „Humanen“ sein, wir sind nicht einfach Menschen, wir sind Individuen.
Stirner weist darauf hin, dass der Titel „Human“ nichts über uns aussagt, ebenso wie andere Titel, wie Nation, Geschlecht. Sexualität, und sogar unsere Namen. Stirner spricht sich klar gegen diese Dinge aus, er sagt uns, dass wir völlig einzigartig sind und durch unsere „Titel“ niemals vollständig verwirklicht werden können, wir sollten sie also aufgeben und in unserer „Eigenheit“ leben. Wir müssen stattdessen versuchen, uns so gut wie möglich ohne solche Dinge auszudrücken und einfach mit unserer „Selbst“ zu leben.
Das Eigene war für Stirner ein merkwürdiges Ding, es ist wir, und zugleich sind es Dinge, die außerhalb dessen liegen, was wir als „Wir“ betrachten. Fast alles kann in unsere „Selbst“ geraten, indem wir es zu unserem „Eigentum“ machen, aber nicht im traditionellen Sinn. Eigentum war etwas, das wir benutzen, ständig, konsumieren und benutzen, und zerstören und erschaffen, immer. Wir behalten etwas nur so lange als unser Eigentum, wie wir die Kraft haben, es zu schützen, oder besser gesagt, die Kraft, es weiter zu benutzen. Wir müssen alles in uns aufnehmen, wie ein Dieb nehmen wir alles im Visier. Wenn etwas aufhört, für uns von Nutzen zu sein, zerstören wir es, konsumieren es oder geben es einfach weg, es bedeutet mir zu diesem Zeitpunkt sowieso nichts mehr. Es kann also fast alles in unserem „Besitz“ sein, sei es materiell oder immateriell. Das offensichtlichste Beispiel sind Dinge, an denen wir festhalten, unsere Kleidung, Tagebücher, Telefone, etc. Aber es sind auch Gedanken, das Immaterielle, die Philosophie, das Geschlecht, sogar das Spirituelle.
Diese Idee des „Eigentums“, einmal untersucht und in uns aufgenommen, zeigt, dass die fixe Idee, das Phantom des „Eigentums“, das uns die kapitalistische Welt setzt, schnell auseinanderfällt, wie ein Kartenhaus, wir können es mit unserer eigenen ständig verwehende brise Eigenheit wegpusten. Das „Eigentum“, mit dem uns die Kapitalist:innen versuchen, hausieren zu gehen, macht unser eigenes Eigentum (unser Selbst) zu einer Ware, die zu verkaufen ist, um sie zu nutzen, und zwingt uns, Tag für Tag für etwas zu schuften, das uns bereits gehört, wir müssen es uns einfach nehmen, werde zum Dieb! Werdet zum unmenschlichen Verbrecher:in und nehmt euch, was euch gehört!
Unser „Selbst“ ist ein Teil von uns, es ist unser Einziges oder Einzigartiges. Unser Selbst ist absolut einzigartig, und das gilt für alles, was existiert und darüber hinaus. Solche Dinge wie Sprache können nicht einmal an der Oberfläche kratzen, wenn es darum geht, unser Selbst und die Einzigartigkeit zu beschreiben, die es in sich trägt. Selbst es „Einzige“, „Ich“ oder „Einzigartig“ zu nennen, kann als nicht vollständig angesehen werden, denn es ist nicht benennbar, es ist nicht etwas, das wir erklären können, es ist nichts, aber es ist alles. Etwas, das Stirner das „Schöpferische Nichts“ nannte, „ein Nichts, aus dem alles geschaffen wird“. Wir sind dieses schöpferische Nichts, und sein philosophisches Denken kreist darum. Ihr müsst euch selbst erforschen, zum aristokratischen Eremiten werden und tief in euer schöpferisches Nichts vordringen. Und alles, was versucht, dich aufzuhalten, muss zerstört werden.
Das ist alles schön und gut, aber was ist mit dem, was uns fremd ist? Unsere eigene Entfremdung kommt von vielen Dingen in unserem Leben, die von der Gesellschaft, der Zivilisation, der Religion, dem Kapital und dem Staat festgelegt und geschaffen wurden. Diese fixen Ideen spuken in unseren Köpfen und halten uns davon ab, unser Selbst zu erleben. Wir sind in unserem jetzigen Zustand völlig durch diese Phantome definiert, und für Stirner ist der einzige Weg, uns von ihnen zu befreien, sie entweder zu „verbannen“ oder zu „konsumieren“.
Wenn wir das Gefühl haben, dass wir nicht länger von solchen Phantomen definiert werden sollten, dass wir das Fremde davon abhalten wollen, uns in Ketten zu legen, dann verbannen wir es. Wir reißen es von uns und werfen es weg, zerstören es vollständig. Wir werden zu Bilderstürmer:innen und verwüsten das Heilige Altar der Phantome, um uns zu befreien, damit wir frei sein können. Das klingt einfach genug, ist aber eine schwer zu erfüllende Aufgabe. Nehmen wir das Beispiel Geschlecht: Trans-Menschen verbannen heute ihr bisheriges Geschlecht, zerstören das Phantom und damit die Ikone ihrer eigenen Entfremdung. Natürlich ist das eine schwierige Aufgabe an sich, aber wenn unsere Trans-Geschwister das können, dann können wir es sehr wohl auch.
Wir könnten das Phantom, das uns heimsucht, das uns befremdet, auch sehr gut genießen. Ein enger Weggefährt:in, wir entscheiden uns stattdessen, ihn in uns zu holen, ihn zu „konsumieren“ und uns zu eigen zu machen. Anstatt es einfach zu zerstören, ziehen wir es in uns hinein, untersuchen es genau und entscheiden, ob wir es in uns aufnehmen wollen oder nicht. Die Ikone wird dann zu unserem Werkzeug, zu einem Werkzeug, das wir nach Belieben einsetzen können. Dies wird von der Sexualität untersucht, wir schauen einen anderen an und dann können wir sie tief in uns aufnehmen, wir können unsere Liebe einfach verbannen! Also nehmen wir stattdessen das Objekt unserer Begierde und bringen es in uns hinein und machen es zu unserem. Das ist leicht getan und kann sehr leicht zur Gewohnheit werden, indem wir unser Verhalten und unsere eigenen Phantome mit „ich brauche es“ oder „ich will es“ rationalisieren. Halbherzige Logik führt nur in den Untergang, wir müssen das Phantom genau untersuchen, um zu entscheiden, ob wir es brauchen oder nicht, und dann unsere Maßnahmen ergreifen.
Stirner betonte die Erfüllung des Einzigen, der alles zerstört und angreift, was ihm im Wege steht. Was es begehrt, ist immer von Vorteil für uns oder andere. Aber er nimmt dabei eine nihilistische Haltung ein, lehnt alles ab, greift jeden an und lacht uns schließlich, wenn das Gemetzel beendet ist, ins Gesicht, indem er erklärt: „Mir ist alles nichts“. Dieser Kerngedanke, alles abzulehnen, was eine feste Idee ist, sei es Moral, Ethik oder Dinge wie Liebe oder Freiheit, ist entscheidend für seine Philosophie. Wenn wir die Phantome in unserem Leben untersuchen wollen, müssen wir auch alles um uns herum so behandeln, als ob es nichts ist, es so behandeln, als ob es uns nichts bedeutet, denn es ist bereits unser.
Der Egoismus von Max Stirner ist eine interessante Philosophie, sie kann als Werkzeug der Kritik an fast allem verwendet werden, und als Vehikel für die Selbstentwicklung und die Veränderung der Weltanschauung des Einzelnen. Sie kann die Qualität des eigenen Lebens verbessern. Wenn nicht, bedeutet es für mich sowieso nichts.