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Der erste Waldspaziergang nach der Räumung und Rodung eines Teils des Osterholzer Waldes: Ein Achterbahn der Gefühle [Wuppertal]

Gestern fand der erste Waldspaziergang nach der Räumung und Rodung eines Teils des Osterholzer Waldes in Wuppertal und Haan statt. Ein Achterbahn der Gefühle. Ein kurzer Bericht.

Eingereichter Beitrag. Geschrieben von Riot Turtle.

Ich kam bei stürmischem Wetter und strömendem Regen an und freute mich, dass trotzdem einige Leute in den Wald gekommen waren. Im Pavillon sah ich ein paar Kränze und einige Transparente. Auf einem Transparent stand: „Vermisst – Hasben Sie diesen Wald gesehen? – 1500 Seelen“.

Der Waldspaziergang begann mit ein paar Redebeiträgen. Die Bürger*inneninitiative Osterholz Bleibt berichtete über ihre Erfahrungen mit der Polizei am ersten Tag der Räumung. Die Polizei ordnete zu Beginn der Räumung an, dass die Mahnwache der Bürger*inneninitiative außerhalb des Waldes verlegt werden musste. Die Bürger*inneninitiative lehnte dies zunächst ab. Nach Verhandlungen einigten sich die Polizei und die Bürger*inneninitiative auf einen neuen Standort für die Mahnwache, etwa 150 Meter vom ursprünglichen Standort entfernt, wo die Mahnwache seit Oktober 2021 täglich stattfand. Als die Leute am neuen Ort ankamen, sagte die Polizei plötzlich, dass sie am neuen Ort nicht bleiben könnten. Die Menschen hatten genug von den Schikanen der Polizei und weigerten sich zu gehen. Die Polizei zwang die Menschen, etwa 50 Meter weiterzugehen, und löste eine Sitzblockade auf. Während der gestrigen Rede sagte ein Sprecherin der Bürger*inneninitiative, dass diese Polizeiaktion rechtswidrig sei, die Forstbehörden hätten in einem Schreiben an die Polizei erklärt, dass Versammlungen und Journalist*innen das Recht hätten, sich im Wald aufzuhalten, solange sie sich mindestens zwei Baumlängen von der Rodungszone entfernt hielten. Die ursprüngliche Mahnwache lag mehr als 2 Baumlängen außerhalb dieser Zone. Mehrere Journalist*innen beschwerten sich auch darüber, dass die Polizei sie daran hinderte, die Räumung zu dokumentieren.

Eine Sitzblockade am 1. Tag der Räumung, 25. Januar, 2022.

Ich war nicht überrascht über den Polizeieinsatz während der Räumung. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Cops versuchen würden, uns komplett aus dem Wald zu drängen. Nach der Räumung habe ich gesehen, wie einer der Geschäftsführer der Kalkwerke Oetelshofen im Fernsehen sagte, er werde keinen Zivilprozess gegen die Waldbesetzer*innen anstrengen, „solange nichts mehr passiert“. Eine perfide Form der Erpressung. Ein Versuch, die Waldbesetzer*innen zu Geiseln zu machen, die für jede Form von Aktivitäten verantwortlich gemacht werden, um die Teile des Waldes zu erhalten, die nach der Rodungsaktion durch sein Unternehmen übrig geblieben sind.

Die perfide Methoden der Firma Oetelshofen wurden deutlich, als bei einem der Redebeiträge während des gestrigen Waldspaziergangs ein Vorfall geschildert wurde, der sich vor einigen Tagen im Wald ereignet haben soll. Eine Person, der auf einer Bank im Wald saß, wurde von Menschen in einem Auto angesprochen. Er fühlte sich nicht wohl und beschloss, zum Parkplatz zu gehen. Sein Auto wurde plötzlich von einem anderen Auto blockiert, aber es gab eine kleine Lücke, die er nutzte, um wegzufahren. Er wurde lange Zeit von dem Auto verfolgt, das versucht hatte, ihn zu blockieren. Als er nach Hause kam, hielt ein Polizeiauto vor seinem Haus. Die Polizei teilte ihm mit, dass jemand Anzeige wegen Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs erstattet hat. Das kann nur der Autofahrer*in gewesen sein, der ihn verfolgt hat. Seiner Aussage nach war es jemand von der Firma Oetelshofen. Der Waldspaziergänger bekam auch ein „Informationsblatt zur Gefährderansprache“ von der Polizei. In der gestrigen Rede wurden die Menschen gebeten, nur mit mindestens 2 Personen in den Wald zu gehen. So hätten sie Augenzeug*innen bei möglichen zukünftigen Aktionen von Oetelshofen, um Waldspaziergänger*innen einzuschüchtern.

Der Waldspaziergang setzte sich in Bewegung und führte zunächst an einem bereits eingezäunten Teil des Waldes vorbei. Der eingezäunte Teil des Waldes wird von Oetelshofen als Betriebsgelände betrachtet und ist daher von Rodung bedroht. Till Iseke, einer der Geschäftsführer von Oetelshofen, machte im Fernsehen deutlich, dass das Versprechen, keine weiteren Teile des Osterholzer Waldes zu roden, nichts wert ist. Erst machte er eine Ausnahme für das Firmengelände, später sagte er sogar: „Ich bin jemand, der sagt, sag niemals nie.“

Unmittelbar nach dem eingezäunten Teil des Waldes kamen wir an dem Teil vorbei, der vor etwa 2 Wochen gerodet wurde. Viele Menschen gingen immer wieder an den Zaun. Sie waren schockiert, als sie die Spur der Verwüstung sahen, die die Aktion von Oetelshofen hinterlassen hat. Aufgetürmte Baumstämme, kleine Überreste von Baumstämmen, die noch stehen. Ein Ort des Todes, mit vielen Tieren, die in ihren Winterschlafverstecken lebendig begraben wurden.

Ich fühlte mich schlecht. Zwei Jahre des Kampfes um die Erhaltung dieses schönen Waldes waren zu Ende gegangen. Einen Moment lang konnte ich nicht erkennen, was wir alles erreicht haben. Ich sah nur Tod und Zerstörung. Erste kleine Tränen, sofort gefolgt von Zorn. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben wir für diesen Wald, für die vielen Lebensformen darin, gekämpft. Für das Klima, für die Biodiversität. Für den Freiraum Osterholz Barrio. Wir haben die Erhaltung der Wälder auf lokaler Ebene auf die Tagesordnung gesetzt. In Wuppertal und Umgebung. Die Bewegung wächst und wir werden den Kampf für die verbleibenden Teile des Osterholzer Waldes fortsetzen. Aber wir sind uns auch bewusst, dass andere Wälder um und in Wuppertal ebenfalls bedroht sind: Der Wald, der durch den Ausbau der L419 bedroht ist. Der Wald auf der Kaisershöhe für die Bundesgartenschau und die Grünanlage „Kleine Höhe“, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Greenwashing durch mehrere Unternehmen und die örtlichen Grünen mit ihrem Oberbürgermeister wird auf heftigen Widerstand stoßen.

Der Waldspaziergang wurde fortgesetzt und endete mit einer Schweigeminute an der Stelle, von der aus mensch die gesamte Zerstörungszone sehen kann. Mehr Tränen. Ein Gefährte starrte mit Tränen in den Augen auf die Zerstörung. Meine Emotionen wechselten wieder von Tränen zu Wut. Schmerz. Zorn. Ich legte meine Hand auf dem Schulter der Gefährte, der noch immer im Loch starrte, und wir verließen zusammen die Todeszone. Der Kampf geht weiter.


Wer die von Repression Betroffene unterstützen möchte, kann Geld auf das Spendenkonto einzahlen. Geld, das nicht in Anspruch genommen werden sollte, wird für andere Solidaritätskampagnen genutzt.
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