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Mokum Kraakt besetzt Kinkerstraat 304 [Amsterdam, Niederlande]

Amsterdam. Niederlande. Erklärung von Mokum Kraakt am 13. März 2022 nach der Hausbesetzung im Erdgeschoss der Kinkerstraat 304.

Ursprünglich veröffentlicht von Squat Net. Übersetzt von Riot Turtle.

Wir sind die Aktionsgruppe Mokum Kraakt. Wir sind eine Mischung aus Hotel Mokum, Kinderen van Mokum und anderen Hausbesetzer*innen: jung und alt, erfahren und neu, aber wir sind alle wütend, voller Liebe für Amsterdam und bereit, für unsere Stadt zu kämpfen. Seit dem 10. März haben wir uns in der Kinkerstraat niedergelassen, in einem der vielen leerstehenden Ladenlokale in Amsterdam. Denn Amsterdam gehört seinen Bewohner*innen, nicht dem großen Kapital. Wir fordern einen radikalen Wandel. Wir fordern zugängliche, lebenswerte und bezahlbare Wohnungen. Wir fordern eine gerechte und freie Stadt.

Unter den sauberen und glatten Straßen bricht die Stadt in sich zusammen. Es ist fast unsichtbar, wie das Fundament einer lebendigen Stadt unter einer Schicht von Monokultur anfängt zu zerbrechen. In den Rissen, die Mokum besetzt, bilden sich Räume der Gegenkultur. Räume zum Experimentieren, zur Begegnung und zum Leben.

Das Problem ist, dass teure Apartments und Hotels über Sozialwohnungen gestellt werden, dass Expats und Tourist*innen über Einwohner*innen gestellt werden, dass repressive Gesetze gegen Hausbesetzungen über Lösungen für die Wohnungskrise gestellt werden – und so steht die Stadt am Rande des Zusammenbruchs. Sozialwohnungen werden auf dem privaten Markt zu unerschwinglichen Preisen verkauft. Der Nahversorger*in an der Ecke ist wegen der steigenden Mieten verschwunden. Menschen mit Migrationshintergrund werden bei der Wohnungssuche diskriminiert, und Menschen mit einer Behinderung finden keine barrierefreien Wohnungen. Student*innen leben in Schuhkartons, deren Dach buchstäblich vom Winde verweht wird.

Die Ursache für die genannten Beispiele ist nicht nur eine Frage der Politik, unfähiger Politiker*innen oder eines Mangels an Häusern. Das sind die Folgen. Die wahre Ursache ist das kapitalistische System, in dem wir leben. Das Erzielen von Profit wird von unserer Regierung und unseren Kommunen anstelle unserer Sicherheit priorisiert. Besonders Menschen mit Migrationshintergrund, mittellose Menschen, Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder Menschen ohne Papiere sind die Leidtragenden dieses Systems.

Vom Hotel zum Waschsalon: Unser neues Haus in der Kinkerstraat 304 beherbergte früher den Waschsalon Nicole, aber die Eigentümer*innen, Sandstenen Projecten und Bas Boterbloem Beheer B.V., haben es lange Zeit leer stehen lassen. Das Kinker-Viertel steht symbolisch für eine Stadt, die sich gentrifiziert und immer mehr auf Yuppies ausgerichtet ist. Eine Stadt, die nur noch der Monokultur und den Superreichen Raum gibt. Jetzt leben wir hier und finanzieren einen freien Raum für günstige Kultur, für Kunst, Autonomie und Alternativität, in dem Diskussionen und Treffen stattfinden werden. Wir werden auch Dinge wie Kunstausstellungen, Filmabende und KüFa organisieren.

Mit dieser Aktion üben wir Druck auf die bevorstehenden Kommunalwahlen aus. Wir befinden uns an einem gesellschaftlichen Scheidepunkt und die Politiker*innen dieser Stadt müssen sich jetzt – mehr denn je – für ihre Bewohner*innen einsetzen. Leider bietet die Mehrheit der lokalen Parteien kaum eine konkrete oder radikale Lösung für die aktuelle Wohnungskrise an: selbst die sogenannten „linken“ Parteien verlieren kein Wort über den strukturellen Leerstand von Gebäuden. Während die schlimmste Wohnungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg über die Niederlande hereinbricht, stehen in Amsterdam Zehntausende von Häusern leer. In den zehn Jahren, in denen Rutte Premierminister ist, hat sich die Zahl der Obdachlosen verdoppelt. Fast eine Million Menschen in ihren Zwanzigern wohnen bei ihren Eltern. In der Zwischenzeit wurde ein neues und hartes Gesetz gegen Hausbesetzungen erlassen, um Hausbesetzungen noch stärker zu kriminalisieren. Ab Juli 2022 müssen Richter Fälle von Hausbesetzungen innerhalb von 72 Stunden bearbeiten, mit Vorrang vor allen anderen Fällen. Das ist untragbar, und sowohl Richter als auch Polizei haben dagegen protestiert. Hausbesetzungen sind für die Bewohner*innen Amsterdams die einzige Möglichkeit, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und ein Dach über dem Kopf zu finden. Die Geschichte der Stadt wurde von Hausbesetzer*innen geprägt, und viele der kulturellen Hotspots Amsterdams entstanden ursprünglich durch Hausbesetzungen, wie z.B. der Melkweg oder das Paradiso. Es ist unglaublich, dass Hausbesetzungen heute schwer kriminalisiert werden, während der dramatische Bedarf an Wohnraum und der strukturelle Leerstand von Gebäuden im ganzen Land wuchert. Es ist erschütternd, dass Gebäude leer stehen, während Menschen auf der Straße schlafen.

Was nicht erlaubt ist, ist trotzdem möglich. Illegal ist nicht dasselbe wie unmoralisch. Wir glauben an direkte Aktionen: auf eigene Faust, mit eigener Kraft, um für Veränderungen zu kämpfen, ohne von der Erlaubnis eines Instituts oder einer Behörde abhängig zu sein. Im Moment ist das Gesetz darauf ausgelegt, das Recht auf Privateigentum mehr zu schützen als das Recht auf Wohnraum. Wie wir bei den Räumungen in der Waldeck Pyrmontlaan und im J.C. van Hattumweg Anfang März gesehen haben, wird das Recht der Eigentümer*innen, etwas zu besitzen, das sie nicht nutzen, gewaltsam verteidigt, während das Recht auf Wohnen verletzt wird. Also brechen wir das Gesetz, um zu zeigen, wie ungerecht das Gesetz ist.

Bei der Räumung des Hotels Mokum herrschte Wut über die unverständliche Entscheidung zur Räumung. Und es gab Trauer über den Verlust eines Symbols, eines Symbols, das für ein Umdenken in der Stadt stand. Zum Glück gab es auch viel Unterstützung und aktivistische Gegenstimmen sowie Menschen, die die Erinnerung daran wach hielten, dass Alternativen möglich sind. Das Gleiche gilt für all die Menschen, die früher gerne ins Klokhuis kamen, wo immer eine Atmosphäre von Kreativität und Freigeistigkeit herrschte. Wir haben diese Menschen nicht vergessen. Sie haben dazu beigetragen, dass wir weitermachen konnten, und sie haben uns bewiesen, dass dieses Problem nicht nur von uns, sondern von weit mehr Menschen wahrgenommen wird. Nach Jahren der Haushaltskürzungen, der Isolation, des unmenschlichen Hausbesetzungsverbots und der Verödung der Stadt werden wir unser Bestes tun, um die Dinge zu ändern.

Jetzt sind wir hier im Kinker-Viertel, in einem ehemaligen Waschsalon, der leer stand und der wahrscheinlich durch eine teure Konditorei oder ein elitäres Geschäft für Lederbekleidung ersetzt werden sollte, wie es bei anderen Gebäuden desselben Eigentümer*ins der Fall war. So wird ein altes Arbeiter*innenviertel wie das Kinker-Viertel zu einem Touristen-Hotspot, während die Bewohner*innen durch steigende Mietpreise verdrängt und durch wohlhabendere Menschen ersetzt werden. Dieses Viertel, und der alte Westen im Allgemeinen, wird immer mehr zum Symbol für die aufkommende Monokultur und die rasant zunehmende Gentrifizierung. Die Gentrifizierung ist eine versteckte Segregation und betrifft vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, die von den zahlungskräftigeren Weißen verdrängt werden. Die ursprünglichen Bewohner*innen – People of Color, Arme, Künstler*innen, Student*innen -, die ein Viertel gemütlich und cool gemacht haben, werden verdrängt, um die von ihnen geschaffene Atmosphäre zu verteuern und weniger zugänglich zu machen.

In den Ritzen, die Mokum besetzt, entsteht Raum für Gegenkultur. Räume zum Experimentieren, für Begegnungen und zum Leben. Wir handeln gegen die Wohnungskrise, den strukturellen Leerstand, das Gesetz gegen Hausbesetzungen und den Stadtrat, der sich nicht für seine Bewohner*innen einsetzt. Wir fordern die Kommunalpolitik auf, sich endlich auf die Seite der Bewohner*innen und nicht auf die Seite des Kapitals zu stellen, jetzt und nach den Wahlen. Macht Amsterdam zu einer besetzer*innenfreundlichen Stadt. Gebt den Menschen, die in Amsterdam leben, die Vertretung, die sie verdienen und brauchen, erkennt die Geschichte unserer Stadt an und sorgt für eine radikal neue Zukunft. Gleichzeitig können wir nicht darauf warten, dass die Politiker*innen zu uns kommen, denn die Krise ist jetzt. Deshalb bitten wir unsere Amsterdamer Mitbürger*innen: Kämpft für eure Stadt und für eure Rechte. Und wenn ihr könnt: helft ein bisschen mit, besetzt ein bisschen! Lasst diese Stadt rasseln und besetzen! MOKUM BESETZT!

Mokum Kraakt
Kinkerstraat 304
Amsterdam, Niederlande
https://mokumkraakt.nl/


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