
Am 7. April haben wir eine Nachricht eines belarussischen anarchistischen Geflüchteten veröffentlicht, der in Polen gelebt hat und jetzt in der Ukraine kämpft. Kriegstagebuch Part 1 ist der Start einer Serie mit Übersetzungen von Beiträge auf seinem Telegram-Kanal. Triggerwarnung: Toten und Gewalt.
Ursprünglich veröffentlicht von Tagebuch einer Extremist*in Telegram Kanal. (Ein Gericht in Brest erklärte sein Projekt @barankipunx für „extremistisch“.) Übersetzt von Riot Turtle mit Unterstützung von Übersetzungstools. Wir entschuldigen uns für eventuelle kleine Fehler.
25. Februar, 2022
Ich sollte wahrscheinlich etwas über den Krieg und darüber schreiben, was für ein Arschloch Putin ist, aber dafür habe ich keine Zeit.
Gestern habe ich den ganzen Tag auf der Demo verbracht, heute gehe ich wieder hin und bereite mich darauf vor, die ersten Geflüchtete zu Hause aufzunehmen, während ich versuche herauszufinden, ob es möglich ist, in die Ukraine zu gehen und vor Ort zu helfen.
Ich habe nicht viel Zeit um zu posten, aber eines möchte ich doch noch sagen:
„Fick dich, Putin!“
8. März, 2022


So sieht es heute auf der ukrainischen Seite der Grenze aus.
Entnazifizierer*innen und „Befreier*innen“ haben Millionen von Zivilisten aus ihren Häusern vertrieben.
Was für ein degenerierter Mensch muss man sein, um dies zu rechtfertigen?
Zweiter Eintrag 8. März, 2022
Tausende von Geflüchteten stehen an der Grenze, und die Warteschlange der Autos ist mehrere Kilometer lang.
Von der Grenze bis nach Lviv gibt es zahlreiche Kontrollpunkte.
In Lviv gilt wie überall im Land eine Ausgangssperre.
Es gibt eine große Anzahl von Menschen in Uniform mit gelbem Klebeband am Arm. Einige mit Waffen.
An einigen Tankstellen gibt es kein Benzin, aber Diesel scheint es überall zu geben.
Die Zahl der Meldungen von Kriegshandlungen, gewöhnlichen Militärs und persönlichen Mitteilungen von Idiot*innen auf Werbebannern ist unüberschaubar.
Bargeld kann abgegeben, aber nicht aufgenommen werden.
Im Radio gibt es nur Propaganda und Informationen über den Krieg.
In Lviv gibt es immer noch keine Morde wegen der russischen Sprache.
9. März, 2022
Jetzt weiß ich, was eine Sirene und ein Luftangriff sind.
Aber ich habe keine Flugzeuge gesehen oder Explosionen gehört.
Vielleicht war es eine Übung.
Zweiter Eintrag 9. März, 2022
Dass sich die Ukraine im Krieg befindet, wird immer deutlicher, je näher man sich Kyiv nähert.
Die Zahl der Kontrollpunkte, ihre Größe und die Zahl der dort stationierten Soldat*innen haben zugenommen.
Auch die Ausrüstung hat sich verbessert, es gibt keine Menschen mehr mit Jagdgewehren, und die Arbeitskleidung wurde durch Militäruniformen oder seltener durch Polizeiuniformen ersetzt, allerdings nicht in allen Fällen. Helme und kugelsichere Westen sind auf dem Vormarsch, und jeder hat ein Kalaschnikov in verschiedenen Ausführungen.
Der Zustrom von Autos aus dem Osten hat zugenommen, da die Menschen sich vor den „Befreier*innen“ in Sicherheit bringen wollen.
Vinnytsia begrüßte uns mit einem Hauch von Angst.
Es sind praktisch keine Menschen auf der Straße.
Dritter Eintrag 9. März, 2022
In den Krieg gezogen. Man erwartet, dass sie schießen, im Schlamm kriechen und sich vor feindlichen Flugzeugen verstecken. In Wirklichkeit starte ich mit Aufnäher mit Einhörnern und Bären.
10. März, 2022
Dies ist die zweite Nacht, in der ich in meiner „Kaserne“ schlafe.
Ich habe heute meine Uniform bekommen. Mir wurde klar, dass ich einen Teil meiner Sachen umsonst hierher gebracht hatte.
Meine Mutter sagte, sie hätte nicht damit gerechnet, mich jemals in einer Uniform zu sehen, aber, wie es in dem Lied heißt: „Die Härte des Lebens bestimmt den Lauf der Dinge“.
Die Ernährungssituation war sehr erfreulich. Es ist einfach, sich vegan zu ernähren und nicht zu hungern.
Das Schlimme daran ist, dass man das Gelände nicht verlassen kann, aber es gibt immer etwas zu tun, ohne dass man draußen herumlaufen muss.
11. März, 2022
Nun, ich bin jetzt offiziell ein Kämpfer*in für die territoriale Verteidigung der Ukraine.
Ich weiß nur nicht, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht.
12. März, 2022
Ein Kumpel in meiner Einheit hat ein Degtyaryov-Maschinengewehr aus dem Jahr 1944.
Ehrlich gesagt, ich bin am Arsch.
Zweiter Eintrag 12. März, 2022
Erhielt meine Waffe heute, oder eher gestern, es ist eine AK-74 von 1989.
Offensichtlich war der Lauf all die Jahre gelagert worden, und ich musste mich anstrengen, um sicherzustellen, dass alles auseinandergenommen und wieder richtig zusammengesetzt wurde.
Glücklicherweise war ich nicht der erste, der auf solche Probleme gestoßen ist, und es gibt schon seit langem Methoden, um sie zu lösen.
Eine weitere Neuerung: Ich habe angefangen, an Meetings teilzunehmen, und ich möchte sagen, dass es sehr lustig ist. Die örtlichen Militärführer*innen erzählen irgendwelchen wilden Unsinn und laut meinen Genoss*innen verstehen sie nicht wirklich, was im Allgemeinen vor sich geht, versuchen aber, einen seriösen Eindruck zu erwecken. Bei der ersten Ausbildung hatten wir zum Beispiel Angst vor dem SBU-Kanal und dem Kriegsrecht.
Es ist gut, dass wir ihnen nur formal gehorchen 🙂
13. März, 2022
Nachricht von einer in der Ukraine kämpfenden belarussischen Anarchist*in
14. März, 2022
Mit jedem Tag, der vergeht, rückt der Krieg näher und die Bedrohung wird greifbarer.
Zuerst sah es aus wie in einem Pionierlager, nur mit Gewehren, aber allmählich wurde es viel finsterer.
Luftschutzalarm, Berichte über Verluste in anderen Einheiten des Verbandes, Berichte von Kampfgenoss*innen, Explosionen irgendwo in der Ferne. Jede Geschichte ist ernüchternd und erinnert mich daran, wo ich bin, warum ich hier bin und was mich erwarten könnte.
Während ich mich früher vor dem Schlafengehen ausgezogen habe, lege ich mich jetzt in meiner Uniform hin, und meine Waffe, meine warme Jacke und meine Ausrüstung liegen in der Nähe.
Es gibt keine Garantie dafür, dass ich nachts nicht in einen Luftschutzkeller laufen, einen Angriff auf unsere Position abwehren, zu einem Kampfeinsatz aufbrechen oder einfach weglaufen muss.
15. März, 2022
Gestern Abend habe ich geschrieben, dass es keine Garantie dafür gibt, dass wir nachts nicht in den Luftschutzkeller rennen müssen, und in der Nacht bin ich dreimal unter dem Heulen von Sirenen in den Bunker gegangen.
Das Interessanteste ist, wie wir beim ersten Mal aufgewacht sind.
Ein Mitstreiter*in hat mit einer Frau auf Tinder getextet und sich dabei so sehr verausgabt, dass er bis nachts um halb eins aufgeblieben ist. Er war der Erste, der das Heulen der Sirenen hörte und uns alle aufweckte.
Tinder rettet also Leben 🙂
Zweiter Eintrag 15. März, 2022
Traurige Nachricht: Der Anarchist Igor Volokhov ist in der Nähe von Charkiw gestorben.
Weitere Einzelheiten in Ressentiment Kanal (https://t.me/ressentiment_channel/19152).
Ich hoffe, er wird der erste und letzte Anarchist sein, der in diesem Krieg stirbt.
Ewiges Andenken an den Genossen!
16. März, 2022

In dieser Nacht bin ich zum ersten Mal auf Nachtpatrouille gegangen.
Es war nicht sofort klar, was ich hier tat und warum, alles war ruhig und es hingen Kameras herum. Aber die Kanonendonner irgendwo in der Ferne erinnerten mich schnell daran, dass um uns herum ein Krieg tobte und wir jeden Moment angegriffen werden konnten.
Eine der Explosionen war so stark, dass wir spürten, wie der Boden bebte. Es war beängstigend, sich die Zerstörung vorzustellen, die eine so heftige Explosion hinterlassen haben könnte.
Als wir um das Gelände herumgingen, dachte ich darüber nach, wie ein Knopfdruck in wenigen Sekunden die Früchte der Arbeit vieler Generationen und das Leben von Hunderten von Menschen zerstört.
Nichts ist schlimmer als Krieg, aber leider haben die Anarchist*innen und antiautoritären Linken in der Region noch nicht die Kraft, den Krieg durch eine Revolution zu beenden, so dass dieser Albtraum mit Gewalt beendet werden muss.
(Foto: Mehrstöckiges Gebäude in Kyiv nach einem weiteren Akt der „Entnazifizierung“)
17. März, 2022
In letzter Zeit höre ich sogar tagsüber Sirenen. Zuerst habe ich mich gewundert, warum die Menschen aus den anderen Gängen bei dem Lärm des Alarms nicht mit uns in den Schutzraum gerannt sind, aber jetzt verstehe ich es. Das Geräusch ist zur Gewohnheit geworden und löst keine Emotionen mehr aus.
Wir haben den Ort gewechselt, am ersten Tag gab es ein Problem mit dem Essen für Veganer*innen, aber von Äpfeln und Brot kann man leben. Heute ist dieses Problem bereits behoben. Also kann ich auch hier weiter vegan leben.
Es gibt mehr Schulungen und mehr freiwillige Kämpfer*innen aus anderen Ländern. Es fühlt sich auf jeden Fall gut an.
Heute gehe ich wieder auf Wache, anstatt nur zu schlafen.
19. März, 2022
Erinnert ihr euch, dass ich über das Maschinengewehr aus dem Jahr ’44 geschrieben habe?
Nun, es hat die Erfahrung mit unserer Machnowschtschina nicht überlebt und wird morgen repariert werden.
20. März, 2022
Meine zweite Woche in der Ukraine neigt sich dem Ende zu.
Irgendwo in der Ferne sind die Explosionen während der zweiten Woche immer noch zu hören.
Gestern sahen wir bei einer nächtlichen Patrouille das Leuchten der Explosionen auf der anderen Seite.
Der Luftalarm wird in regelmäßigen Abständen, auch tagsüber, ausgelöst. Jetzt reagiere ich überhaupt nicht mehr darauf.
Es wird immer mehr Menschen ausgebildet, und das macht mich sehr glücklich.
21. März, 2022
Gestern rief ein Zimmergenoss*in seine Verwandten an, die in einem kleinen Dorf im Süden der Ukraine leben.
Seine Familie erzählte ihm die Geschichte, wie Putins Militär einen Lehrer getötet, oder besser gesagt mit Knüppeln totgeschlagen, hatte. Der Grund dafür war, dass sie eine rot-schwarze UPA-Flagge auf seinem Telefon gefunden hatten.
Das ist Entnazifizierung und Befreiung – Menschen für Fotos auf ihren Handys zu töten!
Aber du bist trotzdem ein Faschist!
Zweiter Eintrag 21. März, 2022

Heute lernte ich das Panzerabwehrsystem Panzerfaust 3 kennen.
Ein sehr interessantes Gerät, das einfach zu bedienen ist. Schade, dass sie mich nicht fotografieren ließen.
Ein paar davon und wir könnten eine Panzerkolonne aufhalten. Aber wer wird sie uns geben?
22. März, 2022
Nach drei Nächten auf Wache werde ich heute Nacht wohl endlich mal schlafen können!
Aber das ist nicht sicher…
Zweiter Eintrag 22. März, 2022
Das ist nicht sicher.
Ich werde nicht mehr schlafen 🙁
23. März, 2022
Das Wetter ist heute sehr angenehm. Draußen ist es warm, etwa +18 Grad, und sonnig. Es weht eine leichte Brise, die das trockene Gras und die gefallenen Blätter rascheln lässt.
Das Zwitschern der Vögel und das Summen der Insekten ist überall zu hören.
Diese Idylle wird durch Autolärm, das Rauschen von Radiogeräten, entfernte Explosionen und den Lärm von Luftzalarm gestört.
Letzteres erinnert mich daran, dass nicht alles so rosig und schön ist.
Zweiter Eintrag 23. März, 2022

Belaruss*innen in den Reihen der antiautoritären Einheiten der Territorialen Verteidigung der Region Kyiv.

Und ich bin, wie immer, am stilvollsten.
25. März, 2022
Ich habe zum ersten Mal seit vierzehn Tagen acht Stunden geschlafen.
Ich fühle mich großartig!
Zweiter Eintrag 25. März, 2022

Ich habe mal in den Kommentaren geschrieben, dass die TRO nicht nur Degtyarev-Maschinengewehre, sondern auch Maxim-Maschinengewehre ausgibt. Hier ist die Bestätigung.
Dieses Wunderwerk der Technik wurde auch mit einem Zielfernrohr ausgestattet!
Hier ist sie, die Machnowschina des 21. Jahrhunderts))
Dritter Eintrag 25. März, 2022
Ich habe heute meinen ersten Ausflug gemacht, wenn auch nicht sehr weit.
Ich bin sehr froh, endlich das Gelände verlassen zu können. Ich habe gesehen, wie die Menschen jetzt leben.
Einkaufszentren und Märkte funktionieren, öffentliche Verkehrsmittel fahren, Menschen gehen ihren Geschäften nach, warten an Bushaltestellen auf den Bus, Mütter sind mit ihren Kindern im Kinderwagen unterwegs, verliebte Paare gehen spazieren, Kinder spielen, Cafés sind geöffnet.
Wenn es die Straßensperren, die Barrikaden mit Sandsäcken und die bewaffneten Menschen um sie herum nicht gäbe, hätte ich gedacht, der Krieg sei vorbei.
Vierter Eintrag 25. März, 2022
Früher habe ich die Haltung von Kropotkin und einer Reihe anderer Anarchist*innen zum Ersten Weltkrieg nicht verstanden und verurteilt. Kein Krieg, sondern Klassenkampf und so weiter.
Heute aber bin ich in der Ukraine, trage eine Militäruniform und bin bewaffnet. Und ich stimme mit jedem Wort überein, das Kropotkin vor 105 Jahren geschrieben hat.
Vielleicht irre ich mich, wie andere Genoss*innen auch, und meine Anwesenheit hier widerspricht der anarchistischen Theorie. Dennoch denke ich, dass ich das Richtige tue, indem ich mich an diesem Krieg auf der Seite der ukrainischen Bevölkerung beteilige, wenn man das so nennen kann.
26. März, 2022
Heute wurde meine Stimme bei einer großen Kundgebung der Belarussen in Warschau gehört.
Die moderne Technik hat es mir ermöglicht, in Warschau Reden zu halten und gleichzeitig in der Nähe von Kyiv zu sein. Alles, was ich tun musste, war, den Ton aufzunehmen. Genau diese Aufzeichnung wurde in die heutige Aktion übernommen.
Das Einzige ist, dass es nicht so emotional war wie sonst, aber okay.
Und hier ist der Text der Rede selbst:
Grüßt euch, liebe Belaruss*innen!
Mein Name ist Jauhen Zhurausky. Ich bin ein Anarchist aus Baranavichy, der wie die meisten von euch gezwungen war, Belarus aufgrund der Repressionen im Jahr 2020 zu verlassen.
Leider kann ich mich an diesem heiligen Tag nicht mit euch treffen, weil ich in der Ukraine bin, wo ich mit andere Belarussinnen zu einer Koalition der Antiautoritärinnen zusammengeschlossen habe, die den russischen Imperialismus für unsere und eure Freiheit bekämpft.
Heute wie vor 104 Jahren sind wir Belaruss*innen keine Gefolgsleute für unser Land. Wieder einmal werden unsere Häuser von Moskau aus kontrolliert, und die Bevölkerung hat keine Hoffnung, dass sie in das Geschehen in unserem Land eingreifen kann.
Leider hat unser Versuch, im Jahr 2020 zu Hause als freie Menschen zu leben, nicht funktioniert.
Das diktatorische Regime des Lukaschenko-Regimes wurde von demselben Putin-Regime unterstützt, und der Widerstand der Bevölkerung wurde durch die Repressionen der Justiz gebrochen.
Doch trotz alledem versuchen Belaruss*innen, in Belarus selbst oder außerhalb, für ein neues, freies Belarus und nun auch für eine freie Ukraine zu kämpfen.
Heute möchte ich sagen, dass ich Angst um euch alle habe! Jeder Einzelne von euch ist ein Heldin. Und jede kleine Tat dient dem Zweck, für den die belarussischen Säkularistinnen, die vor 104 Jahren die BPR ausgerufen haben – Unabhängigkeit, Autonomie, Freiheit, Würde und politische Gerechtigkeit für uns alle.
Mir ist klar, dass wir noch viele Stunden vor uns haben, aber ich glaube, dass wir diesen Weg in die Freiheit erreichen und ein lebendiges Belarus aufbauen können!
Es lebe das freie Belarus!
28. März, 2022
Die Entnazifizierer*innen Putins bereiten sich auf den Einsatz chemischer Waffen vor. Ihr Angriff ist gescheitert, der Krieg zieht sich hin, und diese Drecksäcke sind bereit, jedes Verbrechen zu begehen, um zu gewinnen.
Das nenne ich Befreiung der Zivilbevölkerung von den Nazis! Du möchtest nicht befreit werden? Dann wirst du einen qualvollen Tod sterben…
Jetzt weiß ich wieder, wie man eine Gasmaske aufsetzt, das hatte ich seit der Highschool nicht mehr geübt.
Ich frage mich, ob wir Chemieschutzanzüge bekommen und wie viele zusätzliche Schutzhüllen wir anziehen müssen.
Zweiter Eintrag 28. März, 2022
Der Prozess gegen meine Genoss*innen beginnt morgen (In Belarus, Enough 14).
Es besteht keine Hoffnung auf ein positives Ergebnis, aber es besteht Zuversicht, dass wir die Gefängnisse vor Ablauf ihrer Haftzeit zerstören können.
Vergiss nicht, diesen Menschen und anderen Gefangenen Briefe zur Unterstützung zu schreiben.
30. März, 2022
Ich habe einige Gedanken zum Abzug der russischen Truppen.
Der Rückzug könnte ein Aufschub eines neuen Angriffs auf Kyiv sein. Putins Truppen sind gescheitert, sie sind erschöpft und geschlagen. Sie müssen sich neu formieren, neue Taktiken entwickeln und dann wieder zuschlagen.
Entweder hat man in Moskau endlich begriffen, dass die Dinge nicht nach Plan laufen und die Einnahme Kyivs nicht funktionieren wird. Aber man kann die Ukraine nicht einfach verlassen, die Massen im patriotischen Rausch werden das nicht verstehen. Deshalb haben sie beschlossen, die „Befreiung“ der Regionen Donezk und Luhansk zu ihrem Hauptziel zu erklären. Dafür haben sie aber vielleicht genug Power.
Auf jeden Fall glaube ich, dass dieser Rückzug in naher Zukunft nichts bringen wird und das Ende des Krieges noch in weiter Ferne liegt.
Was meint ihr dazu?
31. März, 2022

Und so sah mein Mittagessen heute aus.
Das einzige nicht-vegane Lebensmittel auf diesem Foto ist das Brot.
Gestern auf dem Ausflug gab es nicht viel veganes Essen. Das Essen kam aus einer anderen Küche, und ich musste vegane Rationen essen. Es hat sich herausgestellt, dass man damit überleben kann, aber schmackhaft ist es sicher nicht.
1. April, 2022

2. April, 2022

Guten Morgen!
Zweiter Eintrag 02. April, 2022

So sieht ihre Entnazifizierung aus.
Das ist die Art von Befreiung, die die von ihnen gepriesene russische Welt uns bringt.
Diese Aufnahmen erklären besser als jeder Text, warum ich jetzt mit einer Waffe in der Hand in der Ukraine bin.
3. April, 2022
Es heißt, die ungebetenen Gäste seien aus der Region Kyiv vertrieben worden.
Die Nachricht ist natürlich eine gute Nachricht, aber ich wünschte, ich hätte mich an all dem beteiligt.
4. April, 2022

Und so sieht das Innere meines IFAK aus.
Ich werde euch erklären, was auf dem Bild zu sehen ist:
- Schere;
- Markierung;
- Dekompressionsnadel;
- Nasopharyngealtubus;
- zwei verschiedene Größen von blutstillenden Verbänden;
- zwei Paar Handschuhe;
- zwei Tourniquets;
- Israelische Verbände;
- Olaes-Verband;
- Thermodecke;
- Superkleber;
- Kochsalzlösung;
- Schmerztabletten;
- Durchfalltabletten;
- Gips;
- zwei Hydrogel-Verbände;
- zwei Okklusionspflaster mit und ohne Ventil.
All dies befindet sich in einem kleinen Beutel, der sich auf dem Bild auf der linken Seite befindet.
Dieser Erste-Hilfe-Kasten wurde von polnischen medizinischen Ausbilder*innen für mich zusammengestellt, als sie erfuhren, wohin ich gehen würde.
Ich werde später über die Solidarität und Unterstützung schreiben, die ich seit Beginn des Krieges erfahren habe.
5. April, 2022

Ich habe mir gestern die Positionen der Besatzer angesehen.
Sie hatten sich dort gut verschanzt, und in einem dieser Lager fanden wir ein Badehaus.
Sie sind in aller Eile geflohen und haben dabei Munition, kugelsichere Westen und andere Dinge in einem Müllhaufen vergessen.
Ein Anwohner*in erzählte uns, dass in einem dieser Lager ein Haufen Minen gefunden und an ukrainische Soldat*innen übergeben wurde.
In einem anderen Lager sahen wir ein verlassenes Auto, dessen Räder von Anwohner*innen schnell abmontiert wurden.




Zweiter Eintrag 05. April, 2022
Gestern hatte ich einen persönlichen Einblick in die Hölle, die uns die russische Welt beschert.
Dutzende zerstörter Autos, eine große Anzahl zerbombter und zerschossener Häuser, darunter auch mehrstöckige Gebäude, gesprengte Brücken, geplünderte Geschäfte und Müllhaufen.
Überall liegt Müll herum. Besonders viel davon an den Orten, an denen die russischen Truppen stationiert waren. Überall stehen Munitionskisten, Lebensmittelverpackungen und Alkoholflaschen.
Das Foto zeigt Spuren des russischen Friedens in Borodjanka. Gestern habe ich noch viele weitere solcher Spuren an anderen Orten gesehen, hatte aber keine Gelegenheit, sie zu fotografieren.
Die russische Welt ist Schmerz, Zerstörung und Schmutz. Sie bringt keine Befreiung, keinen Frieden, nur Schmerz und Leid für die einen und Bereicherung für die anderen.
Dritter Eintrag 05. April, 2022
Lol)))
Mein Hauptprojekt @barankipunx wurde für extremistisch erklärt (https://t.me/viasna96/10388).
Ich habe die Zahl der extremistischen Organisationen und Gruppierungen, an denen ich in irgendeiner Weise beteiligt war, verloren.
Wir danken den Gerichtsfaschisten in Brest für ihre Anerkennung und ihr Interesse an unserer Initiative.
Die Hunde des so genannten Innenministeriums bellen, aber unsere Karawane zieht weiter auf dem Weg zum Sieg!
Vierter Eintrag 05. April, 2022

In der Tschernobyl-Zone stand ein restauriertes sowjetisches Milizen-Fahrzeug.
Und so sieht es jetzt aus, nach dem Treffen mit den Soldat*innen von Putin.
Jetzt wissen wir, wie die „echte Entkommunisierung“ aussieht, die Putin den Ukrainer*innen zu zeigen versprach.
06. April, 2022

Es kam eine Katze zu uns)
07. April, 2022

In 14 Tagen werde ich 30 Jahre alt sein. Ich hatte viele Pläne, um diesen Meilenstein zu feiern, aber der Krieg verhinderte, dass sie in Erfüllung gingen.
Als Russland die Ukraine angriff, zögerte ich nicht lange und tauschte das ruhige und sichere Leben in Polen bei der ersten Gelegenheit gegen eine Militäruniform und ein Maschinengewehr in der Ukraine ein.
Mit dem Abzug von Putins Truppen aus der Region Kyiv sind meine Chancen, meinen Geburtstag zu erleben, erheblich gestiegen, was bedeutet, dass es sich lohnt, über Geschenke nachzudenken.
Für alle, die mir in dieser schweren Zeit gratulieren und mich unterstützen wollen:
PayPal: mel70s90@gmail.com
BTC: bc1qqmgxy0mlyw3tuy94rk8c9wc9c7syvy5l9wgkw
Bank PKO:
74102010550000920205110145
Zweiter Eintrag 07. April, 2022
Die Band Тараканы (Tarakany, „Die Bekloppten“, Enough 14) hat bekannt gegeben, dass sie sich aufgelöst hat. Die Nachricht ist natürlich traurig.
Ich hörte sie zum ersten Mal etwa 2004, als irgendein Musiksender ihre Clips „Silence is Death“ und „Hymn to the Democratic Youth of the World“ ausstrahlte.
Beide sind mir im Gedächtnis geblieben, aber so richtig kennengelernt habe ich ihr Werk erst, als ich 2007-8 das Internet entdeckte und „Liberty Street“ heruntergeladen habe.
Ich kann nicht sagen, dass ich ihre Musik allzu sehr verfolgt habe,
Aber ich höre mir immer noch ab und zu das Freedom Street Album an, und damit auch Rockets from Russia.
Ich erinnere mich, dass ich 2019 dachte, der Band sei die Luft ausgegangen. Dann, vor dem Hintergrund der Ereignisse in Russland, erschienen „This Will Pass“ und „The Case of the Young“. Und wenn das erste Stück euch dazu gebracht hat, die Fäuste vor Wut und all dieser irrsinnigen Ungerechtigkeit zu ballen, dann hat der Track „The Case of the Young“ nur Verwunderung ausgelöst, von welchen liberalen Werten wir hier sprechen.
Aber während der Proteste 2021 haben sie ein sehr starkes Lied „…And nothing but the truth“ veröffentlicht, das perfekt die Gefühle wiedergibt, mit denen ich zu jeder Kundgebung gegangen bin, in dem Bewusstsein, dass wir niemals gewinnen werden, aber für diesen Ausflug werde ich weitere 24 Stunden und ein unvergessliches Gespräch mit den Sicherheitskräften bekommen.
Hoffentlich kann ich, wenn diese Hölle zu Ende geht, noch zu ihrem Konzert in den Ruinen des Kremls gehen.
08. April, 2022

Ich weiß, dass viele Leute auf Fotos von brennenden Geräten und anderen Freuden warten, aber leider habe ich sie nicht. Hoffentlich gibt es noch mehr 😉 .
Aber es gibt ein Foto von einem APC, der von sich zurückziehenden Soldat*innen verlassen wurde. Ich werde sie mit euch teilen.
Zweiter Eintrag 08. April, 2022
Heute ist es genau einen Monat her, dass ich in die Ukraine eingereist bin.
Es ist zwar erst einen Monat her, aber es fühlt sich an, als wäre ich schon sechs Monate hier, vielleicht sogar länger.
Vor einem Monat wusste ich nicht, wohin ich gehen würde, was mich dort erwartete, ob ich über die Grenze gelassen werden würde und ob ich mein Ziel erreichen würde. Ich hatte erwartet, dass ich zum Kern der Sache vordringen würde. Natürlich hatte ich damals Angst, aber wie jemand vor dem Volia Day während der Proteste 2017 getwittert hat: „Zu gehen ist beängstigend und nicht zu gehen ist beschämend“.
Schließlich überquerte ich die Grenze, erreichte mein Ziel und landete nicht an der Front, sondern an einem Punkt, den die feindlichen Truppen noch nicht erreicht hatten, wobei wir in den ersten Tagen auf sie gewartet haben.
In diesem Monat ist viel passiert, über manches habe ich geschrieben, über manches nicht. Es hat viele Zweifel und innere Kämpfe gegeben, aber ich bin immer noch hier.
Ich weiß nicht, was mich als Nächstes erwartet, aber ich bin mir sicher, dass ich nicht vorhabe, die Ukraine in nächster Zeit zu verlassen.