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Klimastreik: Wie weiter? Was ist der nächste Schritt? [Wuppertal]

Wuppertal. Gestern war ich auf der Klimastreik-Demo in Wuppertal. Ich musste mich aufraffen, um zur Demo zu gehen. Die Klimabewegung befindet sich in einer Krise und die Fridays For Future (FFF)-Demos sind meiner Meinung nach zu einer Art Ritual geworden, ohne die nötige Wut und Kraft. Gedanken nach der FFF Demo in Wuppertal.

Geschrieben von Riot Turtle.

Vor Beginn der gestrigen Demo gab es mehrere Reden. Einer der örtlichen Organisator*innen sagte, dass es nicht erlaubt sei, während der Demo Aufkleber zu kleben. Dieser Satz war symbolisch für die Gesetzestreue der Organisator*innen der Demo. In einer Rede sagte einer der Organisatoren, dass das Problem mit der Klimapolitik der deutschen Regierung allein von der FDP verursacht werde. Er schien vergessen zu haben, dass es der grüne Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck war, der Katar besuchte, um Verträge für fossiles Flüssiggas auszuhandeln. Seit dem 24. Februar, dem Tag, an dem der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine begann (eigentlich begann er 2014 auf der Krim), hat weltweit, auch in Deutschland, ein gigantischer Rollback der fossilen Energie begonnen. Stillgelegte Braunkohlekraftwerke werden wieder in Betrieb genommen, neue LNG-Terminals werden in Deutschland gebaut, Diskussionen über Fracking, Kernenergie usw. usw. Die Grünen spielen bei diesem Rollback eine aktive Rolle.

Die Bundesregierung investiert Milliarden in die Infrastruktur für die fossile Industrie und treibt damit die Abhängigkeit von dieser Klimakiller-Industrie noch weiter voran. Konzerne wie Uniper werden verstaatlicht, weitere Milliarden für die fossile Industrie. Anstatt dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht länger Geiseln der fossilen Industrie sind, will der „grüne“ Minister Habeck nun den Erpresser Putin gegen die Diktatur in Katar austauschen. Das ist nicht überraschend.

Die Grünen sind eine neoliberale Partei und ihre Rolle in der Regierungskoalition mit FDP und SPD ist eher eine Art Befriedung der Klimakonflikte. Sie kanalisieren die Konflikte und sorgen dafür, dass der Euro weiterhin rollt. Erst die Wirtschaft, dann die Klimapolitik. Ihre irreführenden Erzählungen und ihre Politik des grünen Kapitalismus werden die Klimaprobleme nicht lösen. Der Kapitalismus ist der Wurzel des Klima-Problems und grüner Kapitalismus ist ein Teil dieses Problems.

Persönlich betrachte ich die neue Investitionen zu fossilen Energien als eine Kriegserklärung. Eine Kriegserklärung gegen viele Lebewesen unseres Planeten. Es ist erst wenige Wochen her, dass Millionen von Menschen in Pakistan aufgrund von Überschwemmungen, die durch den Klimawandel verursacht wurden, alles verloren haben. Viele Menschen sind ertrunken. Viele Menschen auf dem afrikanischen Kontinent sind auf der Flucht, die durch den Klimawandel verursachte Dürreperioden zerstören ihre Lebensgrundlage. In einer wachsenden Wüste kann man keine Nutzpflanzen anbauen. Und das sind nicht die Regionen, die den größten Teil des CO2 ausstoßen. Die fossile Industrie und die Staaten des globalen Nordens, die diese tödliche Industrie fördern und schützen, sind verantwortlich für viele Todesopfer und die wachsende Zahl von Regionen, die unbewohnbar werden.

Zu glauben, dass Staaten, die Mauern bauen, Menschen die Schutz suchen verprügeln, manchmal sogar auf sie schießen an ihren Grenzen (Evros) und Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, dafür sorgen, dass Menschen Schutz suchen können für die Folgen unserer Wirtschafts- und Klimapolitik ist mindestens naiv. Wir werden nichts erreichen, wenn wir an diejenigen appellieren, die den Klimawandel und das massive Artensterben beschleunigen. Wir müssen gegen die fossile Industrie, das kapitalistische System (die Wurzel des Problems) und Staaten kämpfen, die den derzeitigen Status quo aufrechterhalten.

Der reformistische Ansatz großer Teile der FFF-Bewegung in diesem Land wird immer mehr zu einem Problem. Ich war positiv überrascht, dass die Klimastreik-Demo in Wuppertal 750 Menschen mobilisieren konnte. Nach einer lange andauernden Pause auf den Straßen war das ein gutes Ergebnis für Wuppertal. Aber wir sollten nicht vergessen, dass FFF vor ein paar Jahren mehrere tausend Menschen in Wuppertal mobilisieren konnte. Auffallend war auch, dass kaum Schüler*innen auf der Demo waren, im Gegensatz zu den örtlichen FFF-Demos in den Anfangszeiten waren die meisten Menschen deutlich älter. In Wuppertal scheint es FFF also nicht mehr zu gelingen, viele Schüler*innen zu mobilisieren. Natürlich ist es gut, dass gestern Menschen aller Altersgruppen auf die Straße gegangen sind, aber wo waren die Schüler*innen? Warum konnte FFF Wuppertal sie nicht mehr erreichen?

Vielleicht liegt das Problem darin, dass Teile der lokalen Fridays for Future Wuppertal Orga-Gruppe Mitgleider*innen der Grünen Jugend sind, eine unabhängige Jugendorganisation, die mit Bündnis 90/Die Grünen verbunden ist. Nach 9 Monaten in der Regierung haben noch mehr Jugendliche alle Illusionen in die Grünen und die Politiker*innenklasse im Allgemeinen verloren. Darüber hinaus wiederholt der FFF immer wieder den gleichen Ansatz. Ein friedlicher Runde um die örtliche Kirche, der nach einem weiteren Sommer mit Dürren, Überschwemmungen, ein wachsende Zahl von Waldbränden und schmelzenden Eiskappen an die Menschen appelliert, die für die Klimakatastrophe verantwortlich sind. Sie werden die Appelle anhören, um danach ihre tödliche Geschäfte wie gewohnt fortsetzen.

Die herrschende Klasse hat ihre Skrupellosigkeit mehr als einmal unter Beweis gestellt, weswegen es keinen Sinn macht, ein Ritual zu wiederholen, das nicht viel mehr bewirken kann, als Bewusstsein zu schaffen. FFF befindet sich, wie viele Teile der Klimabewegung, in der Defensive, in einer Sackgasse. Die Anfänge von FFF haben viel zur Bewusstseinsbildung beigetragen. Aber das Bewusstsein ist jetzt da. Der nächste Schritt ist nicht nur wünschenswert, er ist notwendig. Wenn wir etwas bewirken wollen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass dies nur in einem langen Kampf mit einer Vielzahl von Taktiken möglich sein wird. Im Kampf gegen die fossile Industrie und ihre Lakaien in der Politik, der Kampf gegen die Verursacher*innen der Klimakrise, geht es nicht darum, nett zu sein. Es geht um einen harten Kampf mit Taktiken, die den Druck erhöhen. Die die fossile Industrie ausschalten.

Wenn FFF an ihren rituellen Demos festhalten, könnten sie sich zu einem Teil des Problems entwickeln, anstatt für die Zukunft zu kämpfen. Sie könnten sich zu einer Bewegung entwickeln, die den Kampf für Klimagerechtigkeit kanalisiert und damit neutralisiert. Was wir jetzt brauchen, ist eine Debatte über Strategie und Taktik. Über Blockaden, Besetzungen, ja auch über Sabotage. Über die Entwicklung einer unregierbaren Bewegung, die für Klimagerechtigkeit kämpft. Eine Bewegung, die diesen Kampf mit sozialen Kämpfen verbindet. Eine Bewegung, die für die Überwindung von Grenzen kämpft, die Dekolonisierung in die Praxis umsetzt. Kurz gesagt, eine Bewegung, die zu einer revolutionären Kraft heranwächst, die versteht, dass die Hauptprobleme unserer Zeit im derzeitigen politischen und wirtschaftlichen System mit ihre Hierarchien nicht gelöst werden können. Ja, das sind große Worte, aber meiner Meinung nach die einzig mögliche Richtung, der eine weitere Verschärfung der Klimakatastrophe und viele andere Probleme aufhalten kann.

Riot Turtle, 24. September, 2022.


Obwohl ich nicht in allen Punkten mit dem Thread von Tadzio Müller übereinstimme, halte ich diesen Thread für sehr lesenswert. Tadzio wirft ein paar wichtigen Fragen in der Twitter-Welt:

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