
Paris. 23. Dezember. 2022. Im Zentrum von Paris sind bei Schüssen vor einem kurdischen Kulturzentrum drei Menschen getötet und weitere verletzt worden. Ein Mann wurde festgenommen.
Ursprünglich veröffentlicht von ANF News.
Im Zentrum von Paris sind nach Schüssen vor einem kurdischen Kulturzentrum drei Menschen getötet und weitere verletzt worden. Zunächst war in Justizkreisen von zwei Toten und vier Verletzten gesprochen worden, darunter von zwei Schwerverletzten. Nun gab eine Ermittlerin bekannt, es handle sich um drei Tote. Der mutmaßliche Schütze konnte vor Ort von Anwohnenden und Zeugenpersonen überwältigt werden und befindet sich inzwischen in Polizeigewahrsam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und schwerer Gewalt.
Der Vorfall ereignete sich im 10. Arrondissement vor dem „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ in der Rue d’Enghien, einer kleinen Straße mit vielen Restaurants, nicht weit von den großen Boulevards mit ihren bekannten Kaufhäusern. Ein Zeuge gab gegenüber dem kurdischen Fernsehsender Medya Haber an, der Tatverdächtige sei mit einem Auto zum Tatort gebracht worden und habe unvermittelt auf Personen geschossen, die vor dem Verein warteten. Auch auf umliegende Geschäfte, darunter ein Friseursalon sowie ein kurdisches Restaurant gegenüber des Vereins, seien Schüsse abgegeben worden. Insgesamt habe es sieben oder acht Schüsse gegeben.
Über das Tatmotiv sei derzeit nichts bekannt, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Auch zur Identität des Schützen machte die Behörde bislang keine Angaben. Der Zeitung „Le Parisien“ zufolge handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 69-jährigen französischen Staatsbürger, der vor seiner Rente bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF gearbeitet hatte. Zuständig für die Ermittlungen gegen ihn ist zunächst die Justizpolizei, nicht die Terrorstaatsanwaltschaft.
Notaufnahme in Pariser Rathaus eingerichtet
Nach Berichten des französischen TV-Senders BFM TV war der mutmaßliche Schütze den Behörden bereits bekannt gewesen. Er soll vor rund einem Jahr ein Geflüchtetenlager angegriffen haben. Der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Emmanuel Grégoire, schrieb auf Twitter, im Rathaus werde eine medizinisch-psychologische Notaufnahme eingerichtet. Sie sei für Menschen, die den Vorfall beobachtet haben. Außerdem dankte Grégoire den Sicherheitskräften für ihren raschen Einsatz. Seine Gedanken seien bei den Opfern und den Zeugen des Anschlags.
Kurdische Community: Anschlag weckt schlimme Erinnerungen
Ein Vertreter des kurdischen Kulturzentrums sagte, der Anschlag wecke „schlimme Erinnerungen“. Er sprach von einem „gezielten Angriff auf Kurdinnen und Kurden“ in der französischen Hauptstadt, da zum Angriffszeitpunkt eigentlich eine Versammlung für die Vorbereitung von Aktionen rund um den 9. Januar stattfinden sollte, die kurzfristig aber um einige Stunden verschoben wurde. Daher seien Befürchtungen laut geworden, dass der Tatverdächtige in der Absicht gehandelt haben könnte, ein „Massaker von Paris 2.0“ zu verüben. Am 9. Januar 2013 waren die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Paris ermordet worden. Ein Staatsgeheimnis blockiert bis heute die Aufklärung.
Cenî: Erklärung zum Attentat in Paris
Ursprünglich veröffentlicht von Cenî
Das Massaker in Paris mit drei Toten und mehreren Verletzten hat auf brutale Art und Weise wieder mal gezeigt, dass Kurd*innen weder in Kurdistan, noch in Europa sicher sind. Wir fordern von der französischen Regierung eine lückenlose Aufklärung dieses Anschlags.
Am 23. Dezember hat ein 69-jähriger Franzose Menschen vor dem kurdischen Kulturzentrum Ahmet Kaya, im kurdischen Restaurant Avesta und in einem Friseursalon auf Kurd*innen geschossen. Drei Kurd*innen sind hierbei getötet wurden: Emine Kara (Evîn Goyi), M. Şirin Aydın (Mîr Perwer) und Abdurrahman Kızıl. Eine Person schwebt derzeit noch in Lebensgefahr, zwei weitere sind verletzt. Im Friseursalon konnte der Täter den Betreibern des Salons überwältigt werden. Über den Tatablauf ist außerdem noch bekannt, dass der Täter in der Nähe der Tatorte mit einem Auto abgelassen wurde. Die Identität dieser Person ist bisher unbekannt.
Der Täter ist wegen rassistischer Übergriffe auf Migrant*innen bereits vorbestraft. Vor elf Tagen wurde er unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Hier stellt sich die Frage wie eine vorbestrafte Person, die bereits wegen zweier früherer Mordversuche bekannt gewesen ist, überhaupt an eine Waffe gelangen kann. Trotz alldem, stehe der Täter nicht auf der Gefährderliste des Geheimdienstes. Der Täter ist nach der Tat mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden.
Nach der Tat sind europaweit Tausende Kurd*innen und solidarische Menschen auf die Straßen gegangen, um auf diese brutale Tat aufmerksam zu machen und das politische Motiv dahinter zu betonen. In Paris und Marseille kam es bei den Protesten zu gewaltvollem Vorgehen seitens der Polizeikräfte gegen kurdische Protestierende.
Das Massaker vom 23. Dezember hat die Kurd*innen in Europa auf schmerzliche Art und Weise an das Massaker an Sakine Cansız, Leyla Şaylemez, Fidan Doğan am 9. Januar 2013 erinnert. Dass fast zehn Jahre nach dem Tod unserer drei Freundinnen das heutige Massaker stattgefunden hat ist kein zufälliges Ereignis. Auch bei diesem Angriff wurde eine langjährige Revolutionärin der kurdischen Bewegung getötet.
Solange kurdische Selbstorganisierung, Selbstverteidigung sowie kurdisches Leben kriminalisiert und der Krieg gegen sie beschwiegen oder gar unterstützt wird, trägt Europa klare Mitschuld an der systematischen und jahrzehntelangen Ermordung von Kurd*innen.
Als Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden fordern wir die französische Regierung auf, alle notwendigen Prozesse einzuleiten, um das genaue Motiv des Täters, die entsprechenden Hintergründe und die Einzelheiten zur Planung und Ablauf der Tat zu untersuchen und öffentlich zu machen.
Şehîd Namirin!
Jin Jiyan Azadî!
Cenî- Kurdisches Frauenbüro für Frieden
23. Dezember 2023