
Genoss*innen aus dem Trentino (italienisches Territorium) veröffentlichten ihre zweite Wandzeitung über den aktuellen Ausnahmezustand, die nun in mehreren Städten aufgeklebt wird. Nr. 1 könnt ihr hier lesen.
Ursprünglich von Il Rovescio veröffentlicht. Übersetzt von Enough 14.
Orignal-Wandzeitung (Italienisch) als PDF-Datei:
Die verdrehten Verantwortlichkeiten
Die täglichen Chroniken der Angst heben die allgemeinen und spezifischen Verantwortlichkeiten der aktuellen Epidemie auf, um sich ganz auf diejenigen zu stürzen, die nicht in ihren Häusern eingesperrt sind, „Quacksalber“, gegen die sie immer repressivere Maßnahmen fordern (Militär mit Polizeifunktionen, Verfolgung der Bevölkerung, Aufrufe zur Denunziation, Genehmigung zum Einsatz von Drohnen …). Wer hat das Gesundheitswesen aus Profitgründen demontiert und damit eine Situation verschlechtert, die auf ganz andere Weise angegangen werden kann? Wer hat die Fabriken offen gehalten? Wer hat die Schulen am 20. Februar und die Einkaufszentren erst am 12. März geschlossen? Wer hat sie geschlossen? Vielleicht diejenigen, die auf den Straßen gehen oder auf Rad- und Wanderwegen gehen? Und noch einmal: Sind es einzelne „Schakale“ oder ein System, das den Preis für Krankenhausmasken um bis zu 600% erhöht hat?
Welche Sicherheit?
Seit Jahrzehnten bohren sie sich mit ihrem Schrei nach „Sicherheit!“ in unsere Trommelfelle. Mehr Kameras, mehr Kontrollen, mehr Polizei, mehr Gefängnisse! Dann taucht auf einmal eine Virusepidemie zwischen den Falten ihres Gewissens und den unausgesprochenen Worten des Fernsehens auf, dass, wenn man den Straßentransport und die Logistik stoppen würde, es innerhalb weniger Tage nichts mehr zu essen in den Supermärkten gäbe. Welche Sicherheit haben Menschen, die von einem technologischen und produktiven System abhängen, auf das sie keierlei Einfluss haben? Sie leben nicht von Telearbeit! Nutzen wir diese „Pause“ zum Nachdenken. Wenn wir nicht das Land zurückerobern und die Quellen unserer Lebensmittelversorgung selbst verwalten, werden wir zusammen mit unserer Freiheit und Autonomie auch unsere Sicherheit verlieren.
Telearbeit
Eines der laufenden Experimente betrifft neben der polizeilichen und militärischen Kontrolle auch die Arbeit: Wie viel und wie kann die Wirtschaft weitergehen, ohne dass die Menschen ihr zuhause verlassen müssen? Was ist „Arbeit“ heute? Diejenigen, die sich alle Formen der Telearbeit zunutze machen (unabhängig davon, ob sie den Arbeitnehmern oder den Lehrern auferlegt werden), sind in erster Linie die multinationalen Unternehmen, denen die Computerplattformen und die verschiedenen Anwendungen gehören. Von jeder Online-Aktivität – kostenlos oder für wenig Geld bezahlt – erhalten die „Giganten des Web“ eine beeindruckende Menge persönlicher Daten, die sie analysieren und verkaufen. Alles sind „Daten“, die verarbeitet und in Waren umgewandelt werden können: Geschmäcker, Meinungen, Tonfall, Gesichtsausdruck, das vom Lehrer zitierte Buch, gesundheitsbezogene Nachrichten, Ängste, Reaktion auf bestimmte Nachrichten, der Grad der Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler usw. In der besten aller möglichen Welten wird selbst eine Epidemie – d.h. Millionen von Menschen, die in geschlossenen Räumen eingesperrt, aber immer verbunden sind – zu einer großen Sache. Und eine Gelegenheit, die Einführung des 5G-Netzes zu rechtfertigen, dessen Funktion sicherlich nicht darin besteht, Kontakte bei gesundheitlichen Notfällen zu ermöglichen, sondern die Industrie, Maschinen, Kameras und intelligente Sensoren zu verallgemeinern. Angst ist ein ideales Gefühl, um uns noch weiter in Richtung einer Welt zu drängen, in der die Menschen von „intelligenten Objekten“ und von denen, die sie programmieren, regiert werden.
Telekommunikations-Überwachung
Etwas Aufsehen erregte die Tatsache, dass vierzig Prozent der Mailänder durch die Kontrolle von Mobiltelefonen, die mittels mobiler Kommunikation aktiviert wurden, weit weg von zu Hause angetroffen wurden. Was ist daran neu? Die Tatsache, dass die Mobilfunkfirmen täglich eine Massenerhebung von Daten durchführen, ist bekannt (auch wenn nur wenige Menschen die Konsequenzen daraus ziehen). Neu ist, dass sie die Gelegenheit eines gesundheitlichen Notfalls nutzen, um offen etwas zu rechtfertigen, das weit über den Notfall hinaus existiert und das nicht nur einige ethische und soziale Fragen aufwirft oder aufwerfen sollte. Aber das reicht nicht aus. Seit Tagen sind wir einer hämmernden Propaganda ausgesetzt, die darauf abzielt, auch in Italien „Maßnahmen nach koreanischer Art“ einzuführen, d.h. die Registrierung von Kontakten zwischen Menschen, ausgehend von der Gegenprüfung von Smartphones, Wi-Fi und Bluetooth (um die „Benutzer“ nicht in einer bestimmten Nachbarschaft, sondern Haus für Haus, Geschäft für Geschäft zu lokalisieren). Die „öffentlichen“ Daten würden von den Behörden gespeichert und analysiert, die „versteckten“ Daten (die jede Anwendung auf Smartphones erzeugt, auch wenn man sie deaktiviert) würden die „intelligenten Maschinen“ antreiben, mit denen sie unser Verhalten kontrollieren und unsere „Kaufabsichten“ untersuchen. Glückliche Regierung, glücklicher digitaler Kapitalismus. Und was ist geschieht mit uns?
Was ist „wesentlich“?
Das was während einer Epidemie nicht aufgehalten werden kann, zeigt uns indirekt, was die Grundlagen der Gesellschaft sind, in der wir leben: die Cyberinfrastruktur und der Krieg. Deshalb müssen alle Waffenfabriken offen bleiben. Aus diesem Grund beschleunigt sich, während wir vor unseren Bildschirmen eingesperrt sind, der technologische Fortschritt, und im Verborgenen werden neue 5G-Antennen installiert. TIM [1] bestätigt, wie digitale Infrastruktur und Krieg zunehmend miteinander verbunden werden, und „lehrt“ die Armee das Potenzial von 5G und künstlicher Intelligenz für den Krieg in der „neuen Welt“. Es bleibt die Frage, ob das, was wir nicht sehen können, nicht nur ein Virus ist, der sich durch die Luft bewegt, sondern die Welt, die sie dabei sind für uns zu errichten.
Einige vernünftige Vorschläge
Es scheinen jene zu sein, welche die Schilder an den Schaufenstern mehrerer Supermärkte in Trento und Rovereto zwischen dem 24. und 25. März ankündigen: „Generalstreik“, „Fabriken schließen“, „Niedrigere Preise“.
In der Zwischenzeit…
Am 25. März gab es eine breite Beteiligung an dem Aufruf zum Generalstreik im Logistik- und Fabriksektor. Am 26. März füllten einige Leute in einem Supermarkt in Palermo ihre Einkaufswägen und versuchten, ohne zu bezahlen den Laden zu verlassen. Die Carabinieri und die Bereitschaftspolizei griffen an Ort und Stelle ein, und in den folgenden Tagen bewachten sie den Eingang mehrerer Supermärkte in der Stadt.
Es gibt immer mehr Aufrufe in den sozialen Netzwerke, nicht mehr zu mehr zu bezahlen. Mit der Ausweitung der Notlage, vielleicht nach Monaten ohne Bezahlung, werden immer mehr Menschen vor dem Problem stehen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Situationen wie die in Palermo sind vielleicht nicht mehr so selten: Die Notwendigkeit, sich das zu nehmen, was wir zum Leben brauchen, wird denen, die einfach nicht mehr zahlen können, sehr klar sein.
[1] TIM S.p.A., ebenfalls unter dem Namen Telecom Italia tätig, ist ein italienisches Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Rom und Mailand, das Telefoniedienste, Mobilfunkdienste und DSL-Datendienste anbietet. Es ist der größte italienische Anbieter von Telekommunikationsdiensten gemessen an Einnahmen und Abonnenten.
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