
Lesbos. Griechenland. 13. September. 2020. Eine weitere Erklärung von No Border Kitchen Lesvos nach dem Brand in Moria.
Ursprünglich veröffentlicht von No Border Kitchen Lesvos. Übersetzt von Enough 14.
Vor vier Tagen begann das Lager in Moria zu brennen. Im Gegensatz zu den konservativen Mainstream-Medien interessiert uns nicht, wie das Feuer ausbrach oder wer es gelegt hat. Eines ist uns klar: Jeder Mensch, der seit Monaten und Jahren unter Repression leben muss, der unter unmenschlichen Bedingungen leben muss und der aufgrund rassistischer Strukturen keine Chance hat, sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen, hat das Recht, mit allen Mitteln gegen diese Unterdrückung zu kämpfen.
Das Lager Moria war von Anfang an (absichtlich) unmenschlich und es wurde immer schlimmer. Das Lager, die umliegenden Olivenhaine und eigentlich ganz Lesbos ist ein einziges großes Freiluftgefängnis für Migrant:innen. Das Coronavirus hat die Bedingungen nur noch weiter verschärft. Einige Menschen durften die Insel verlassen, wurden aber in Athen in die Illegalität gezwungen. Letzte Woche wurde der unvermeidliche erste Covid-Fall im Lager registriert, und weitere folgten. Auch ohne das Virus war das Lager unerträglich. Es war also mit Widerstand zu rechnen.
Es begann mit jungen Menschen, die nicht mit dem Coronavirus inhaftiert werden wollten oder im Namen der Verhinderung seiner Ausbreitung noch stärker kontrolliert werden wollten. Sie begannen eine Revolte gegen die Polizei. Als Teile der Olivenhaine rund um das Lager – in denen Menschen in Zelten, selbstgebauten Unterkünften oder ohne Unterkünfte leben – anfingen zu brennen, war der Polizei das völlig egal. Erst als die Agentur, die die „freiwillige Abschiebung“ organisiert, angegriffen wurde, reagierte sie. Und ihre Reaktion war typisch: Tränengas. Erst als das ganze Lager in Flammen stand, durften sich die Migrant:innen in Bewegung setzen. Aber nicht einmal dann durften sie in die nächste Stadt ziehen. Jetzt sitzen sie zwischen dem Dorf und der Stadt fest, und die Polizei blockiert sie von allen Seiten.
Neben der Polizei haben Faschist:innen – wie schon im März – begonnen, Migrant:innen und solidarische Arbeiter:innen aggressiv zu verfolgen, einzuschüchtern und zu schikanieren. Sie patrouillieren auf Motorrädern durch die Stadt und ihre Umgebung. Während Autos, die versuchen, Lebensmittel und Wasser zu liefern, angehalten und oft von den Polizeikontrollpunkten weggeschickt werden, fahren Faschist:innen durch die Stadt und demonstrieren, mit wem die Bullen auf einer Linie stehen.
Aus Fotos und Videos lässt sich die Dimension der Katastrophe ablesen. Aber viele Menschen werden immer noch vermisst und können nicht gefunden werden, da niemand weiß, wohin sie geflohen sind. Viele haben zu diesem Zeitpunkt seit Tagen nur wenig oder gar kein Essen und Wasser gehabt. Der griechische Staat reagiert wie üblich: ein für vier Monate ausgerufener Ausnahmezustand auf Lesbos, was mehr Polizei und Grenzschutz auf der Insel bedeutet. Nicht nur mehr Polizei, sondern es wurden auch sofort zwei Militärlager gefunden und als geeignete Standorte für die Einrichtung neuer provisorischer Lager vorgeschlagen. Wir haben gehört, dass einige Migrant:innen bereits dorthin gebracht worden sind, während sich Faschist:innen in der Nähe versammeln. Leute, mit denen wir dort gesprochen haben, berichteten, dass es ihnen nicht erlaubt ist, die Insel zu verlassen. Ist dies bereits eine weitere Entwicklung im Hinblick auf die neuen geschlossenen Lager?
Wenn also jemand gehofft hat, dass es aufgrund des Brandes politische Entscheidungen gegeben haben könnte, die die Situation der Migrant:innen verbessert haben, dann habt ihr eure Hoffnung zu Unrecht gemacht. Hoffnung finden wir stattdessen in der Art und Weise, wie die Bewohner:innen von Moria sich weiterhin der Unterordnung und Disziplin verweigern, die das Lager erreichen soll, und sich trotzig ein besseres Leben für sich selbst vorstellen. Ein neues Lager ist keine Lösung: Die einzige Lösung ist die Bewegungsfreiheit für alle.
Keine neuen Lager,
keine (neuen) Zäune,
keine (neuen) Grenzen!
No Border Kitchen Lesbos, 13. September 2020.


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