
Griechenland. Es ist schwierig, etwas über die Demonstrationen des vergangenen Wochenendes gegen den autoritären Staat und Polizeigewalt im gesamten griechischen Territorium zu schreiben. Viele verschiedene Gruppen und Menschen waren an den Demonstrationen beteiligt, darunter auch Teile von Syriza. In der Zeit, als Syriza an der Macht war, gab es auch viel Polizeigewalt. Die Behandlung von Migrant:innen war nicht viel anders. Der unmenschliche EU-Türkei-Deal wurde unter der Syriza-Regierung umgesetzt. Lager wie Moria gab es schon, bevor Nea Demokratia die letzten Wahlen gewann. Die Räumung der besetzten Häuser von Migrant:innen und die damit einhergehende Polizeigewalt in Exarcheia begann unter der Syriza-Regierung. Es ist also ziemlich problematisch, dass Syriza sich jetzt als Partei gegen Polizeigewalt präsentiert, denn das passt einfach nicht zu der Realität vor Ort, als Syriza in Griechenland regierte. Was folgt, ist ein Beitrag von Yannis Youlountas über die Demonstrationen des letzten Wochenendes auf dem griechischen Territorium, um eine Vorstellung zu vermitteln, was vor sich geht, aber bitte erinnert euch, Syriza & ihre Freund:innen sind nicht Teil der Lösung. Sie sind Teil des Problems. Bei einigen der Demonstrationen gab es auch eine starke Präsenz von anarchistischen Genoss:innen.
Bild oben: Demonstration in Patras am 13. März 2021.
Ursprünglich veröffentlicht von Blog YY. Geschrieben von Yannis Youlountas. Einleitung und Übersetzung von Riot Turtle.
Am vergangenen Samstag und Sonntag ist in ganz Griechenland eine kraftvolle Protestbewegung auf die Straße gegangen.
Anarchist:innen, Revolutionär:innen, Linke aller Art, Ökolog:innen, verschiedenste Aktivist:innenen, aber auch Menschen, die nicht sehr politisiert sind und einfach die Schnauze voll haben, von denen einige die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich erwähnten: Die griechischen Straßen waren am vergangenen Sonntag und Samstag rappelvoll. Auf der anderen Seite wurden weniger Plätze besetzt als erwartet, aber das ist erst der Anfang. Im Moment wächst die Bewegung, in vielen Gegenden von Athen und in anderen Städten Griechenlands: Patras, Thessaloniki, Heraklion, usw.

Das Interessanteste ist, dass wir nicht nur über Ausbeutung sprechen, wie üblich, also über Lohnforderungen, Arbeitsbedingungen, Erwerbslosigkeit, soziale Sicherheit, Rentenkürzungen Jahr für Jahr, das bürokratische Labyrinth der Student:innen, das Leid der Migrant:innen… Wir sprechen auch und vor allem über Herrschaft, Macht, Autorität, Polizei, Staat, Regierung. Mit anderen Worten, wir sprechen das Problem an, bevor es seine sozialen und wirtschaftlichen Folgen entfaltet. Sind wir nicht diejenigen, die das riesige Gefängnis gebaut haben, in dem wir eingesperrt sind? Sind wir nicht diejenigen, die unsere eigenen Gefängniswärter:innen sind? Sind wir nicht diejenigen, die die Tyrann:innen erzeugen, die uns unterdrücken, innerhalb eines politischen Regimes, das nur auf dem Papier demokratisch ist?
Seit Jahren wird immer mehr Menschen bewusst, in Griechenland wie in Frankreich, dass wir unsere Probleme nicht lösen werden, ohne an der Wurzel anzusetzen. Und diese Wurzel des Übels, diese erste Geißel, dieses Gift in der Frucht, ist die Macht. Macht, die durch Verführung oder durch Gewalt etabliert wird. Die Macht, die dann immer gewaltsamer auf die mutlosen und feigen Menschen, die wir sind, ausgeübt wird, indem wir uns von ein paar Mafiosi regieren lassen, die nicht größer sind als wir, die genauso in die kleine Ecke gehen, die wirklich nichts Außergewöhnliches haben, die aber den Staat akribisch einsetzen, um sich vor unserem Zorn zu schützen und die freiheitsfeindlichen und nicht-egalitären Gesetze durchzusetzen, die sie in ihrem Interesse und im Interesse ihrer Komplizen schreiben.

Hier ist es Mitsotakis. Da, es ist Macron. Anderswo, ein anderer. Aber am Ende, auch wenn es einige Unterschiede gibt, auch wenn Mitsotakis schlimmer ist als Tsipras, auch wenn Le Pen wahrscheinlich schlimmer sein wird als Macron, bleibt das Problem. Es ist daher dringend notwendig, auf die Straße zu gehen, um die Macht selbst in Frage zu stellen: diejenige, die Tag für Tag auf eine immer autoritärere Weise über uns ausgeübt wird und uns mit Notstandsgesetzen auf eine immer totalitärere Weise kontrolliert. Es ist an der Zeit, wieder zu lernen, Nein zu sagen: nicht nur zu einem Präsident:in oder einem Premierminister:in, sondern zu all den Dieb:innen von Leben, die in den letzten Monaten immer neue und beunruhigende Schritte in der Herrschaft unternommen haben, die sie über uns ausüben, überall auf der Welt.
Das ist die grundlegende Frage, die dringend beantwortet werden muss, wenn wir beginnen, das Ende des Tunnels zu sehen. Lasst uns nicht in die Routine von vor der Pandemie zurückfallen, mit gesenktem Kopf und gebeugtem Rücken. Lasst uns die Chance ergreifen, das Problem endlich anzugehen, basierend auf dieser Erfahrung.

Denn tief im Inneren wissen wir es ganz genau: Wir wollen weder 50 Euro mehr Gehalt, noch eine Stunde weniger Arbeit pro Woche, noch 5 % mehr Rückerstattung von der Sozialversicherung, noch ein paar Punkte mehr Rente, noch eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Student:innen, noch eine andere Art der Aufnahme von armen Menschen, die von anderswo kommen. Nein, was wir wollen, ist schlicht und einfach, dass wir selbst das Leben wählen, das wir wollen, und dass wir uns anders organisieren, um unsere Wünsche und die gegenseitige Hilfe, die der Kitt der Gesellschaft ist, besser in Einklang zu bringen.
Warten wir also nicht länger, sagen wir es geradeheraus, ohne Umwege und Umschreibungen, ohne weitere überflüssige Beschwerden hinzuzufügen und vor allem ohne zu warten: Wir wollen unser Leben selbst in die Hand nehmen.

[…] Griechenland: Zahlreiche Demonstrationen gegen eine autoritäre Gesellschaft und den Polizeistaat […]
[…] Griechenland: Zahlreiche Demonstrationen gegen eine autoritäre Gesellschaft und den Polizeistaat […]