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Eine anarchistische Ablehnung der COVID-Kulturkampf

Zu Beginn der Pandemie behauptete der Staat, Masken seien nutzlos, was jedoch auf die Knappheit und die Weigerung der Regierung zurückzuführen war, den freien Markt zu regulieren, um die Folgen der Pandemie zu lindern. Als es den Unternehmen gelang, die Nachfrage zu befriedigen, änderte sich die Sichtweise. Infolgedessen sind vermutlich viele Menschen unnötigerweise gestorben.

Ursprünglich veröffentlicht von Its Going Down.Übersetzt von Riot Turtle.

Das Tragen von Masken kann helfen, Leben zu retten, aber es ist kein politisches Statement an sich, wie manche zu glauben scheinen. Das Tragen einer Maske ist keine sinnvolle Maßnahme gegen den Todeskult auf der offen rechts stehenden Seite dieses Kulturkampfes, sondern einfach nur ein Zeichen von Vernunft. Auf einer übergeordneten Ebene dient es der Agenda des Staates, sich lauter über das Tragen von Masken zu äußern, statt über die versagende medizinische Infrastruktur auf der ganzen Welt oder darüber, dass das globale medizinische Establishment nur den Reichen dient. Ich erschaudere, wenn ich einen Liberalen sehe, der eine Maske trägt, als ob dies ein symbolisches Tugendsignal für die BLM (Black Lives Matter, Übersetzer) und den ökologischen Landbau wäre. Masken zu unterstützen, Impfungen zu fördern und nicht zu wollen, dass gefährdete Bevölkerungsgruppen sterben, ist etwas, das wir vielleicht mit jemandem auf der liberalen Seite dieses Kulturkampfes gemeinsam haben – ein Kulturkampf, der von den staatlichen Medien und dem Schlimmsten was das Internet zu bieten hat – aber es bedeutet nicht, dass wir uns mit den Liberalen zusammenschließen können.

Während Omikron angesichts der von den Interessen der Kapitalist*innen behinderten Verbreitung von Impfstoffen vorhersehbar über die Erde fegte, zeigt die Pandemie, die unser Leben geplagt hat, Anzeichen dafür, dass sie möglicherweise von Dauer sein wird. Dänemark hat dies bereits erkannt: In Anbetracht seines privilegierten Impfstatus hat das Land bereits alle COVID Einschränkungen aufgehoben. Hongkong, ein Land mit einigen der strengsten Einschränkungen der Welt, kämpft angesichts von Omikron mit der Sinnlosigkeit seiner eigenen Covid-Vorschriften und könnte bald die weiße Fahne schwenken. Noch immer sterben viele Menschen auf der ganzen Welt, so wie auch viele an Krebs, Herzkrankheiten, Hunger und Krieg sterben – obwohl der Kapitalismus dies als Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit zu betrachten scheint. Seit März 2020, als diese langweilige Apokalypse begann, ist so viel passiert.

Ich bin nicht begeistert, einen weiteren Artikel über COVID zu schreiben, aber es ist ein wirklich beispielloses Ereignis. Abgesehen vom Ausmaß der Todesfälle, die sie verursacht hat, müssen ihre Auswirkungen und politischen Implikationen unbedingt diskutiert werden, auch wenn wir alle davon die Nase voll haben. Die Pandemie beherrscht weiterhin unser Leben, trotz einer sich abzeichnenden und andauernden Klimakatastrophe, einer globalen Flüchtlingskrise, dem Wiederaufleben des Faschismus und einer zunehmend fragmentierten Welt. Die Welt wird nie wieder dieselbe sein. Als Anarchist*innen müssen wir jedoch auch unser eigenes Verhalten überprüfen, um unsere Gemeinschaften des Widerstands im Hinblick auf die kommende Welt zu erweitern und zu stärken.

Ihr könnt meinen letzten Artikel über die Anti-Impf- und Anti-Lockdown-Bewegungen der Rechten lesen, die sich die Angst jener zunutze machen, die von diesem noch nie dagewesenen Ereignis überwältigt werden. Ich halte nichts von dieser unsinnigen Denkweise. Ich bin geimpft; das erste Mal, um anderen zu helfen, das zweite Mal, um zu reisen und eine beschissene Bar betreten zu können. Ich finde, dass ein Großteil der Anti-Impf- und Anti-Lockdown-Bewegung immer noch von Doppelmoral, Ungereimtheiten und den abscheulichen Einflüssen des rechten und antisemitischen Opportunismus beherrscht wird, aber dass die Regierungen so tun, als sei die Pandemie die Schuld der Ungeimpften, funktioniert bei mir nicht, denn ich weiß, wer die Verantwortung dafür trägt. Omikron ist ein direktes Ergebnis der Impfstoffunternehmen, die die gemeinsame Nutzung von Patenten blockieren, und der kapitalistischen Praktiken der „ersten Welt“.

Ich bin nicht daran interessiert, die Spiele der Regierungen der Welt mitzuspielen, Regierungen, die bewiesen haben, dass sie nur existieren, um den Komfort der Wohlhabenden zu erhalten und die bestehende soziale Ordnung des Elends für die meisten von uns aufrechtzuerhalten. COVID hat dies noch deutlicher gemacht. Nach den Argumenten der Staatsverteidiger*innen, dass Mörder*innen und Vergewaltiger*innen der Menschheit inhärent sind (und nicht das Ergebnis von Armut und einer patriarchalischen Gesellschaft), sind Seuchen und noch nie dagewesene globale Ereignisse wahrscheinlich die nächsten Dinge, die zur Verteidigung und Rationalisierung der Grausamkeiten von Regierungen verwendet werden. COVID hat jedoch gezeigt, dass die Regierung in Wirklichkeit keinem anderen Zweck als ihren eigenen Interessen dient und denjenigen, über die sie herrscht, feige die Verantwortung zuschiebt, wenn sie nicht in der Lage ist, das zu verwalten, was sie angeblich verwalten soll.

Ich bin für Impfungen, genauso wie ich für Chemotherapie bin. Beide sind eine Methode, um mit einer furchtbaren Sache umzugehen, die von der gleichen grausamen Gesellschaft verursacht wurde, die für die Entstehung des Problems verantwortlich ist. Ich bin vorsichtig und besorgt darüber, mit wem ich in Kontakt komme, weil mir klar ist, dass die Ausgegrenzten und Ausgebeuteten am ehesten von dieser Pandemie betroffen sind, aber ich glaube auch, dass viele unter dieser Pandemie leiden, die über das medizinische Element von COVID selbst hinausgeht. Wenn du das nicht siehst, hast du wahrscheinlich einen bequemen Job oder eine sichere Existenz, denn zumindest in meinem Fall frage ich mich, ob der Stress durch diese Seuche mich umbringen wird, bevor es die Seuche tut.

Ich ermutige die Menschen, sich impfen zu lassen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um „die Ausbreitung zu stoppen“; aber die Auswirkungen der Impfpflicht machen mir Sorgen. Ich bin stets besorgt über jede Gelegenheit, die der Staat in der durch die Pandemie oder generell verwirrende Zeiten ausgelösten Angst sieht; dieser neue Präzedenzfall der Impfpflicht beunruhigt mich ebenso wie alle verrückten Sachen, die Regierungen tun, wenn die Menschen Angst haben. Es ist in Ordnung, dies zu sagen, weil es eine anarchistische Position ist.

Anarchist*in zu sein bedeutet, das Theater der Politik abzulehnen. Ich bin Teil einer Bewegung, die sich in ihrer aufrichtigsten Form nicht von den Kulturkämpfen einfangen lässt, die fabriziert werden, um uns zu spalten, denn solche Kämpfe werden in dem Glauben geführt, dass die Systeme, die im Spiel sind, bestimmen werden, wer gewinnt. Ich kann die Entscheidungen des Staates niemals begrüßen, ohne sie in Frage zu stellen. Einige von uns sind jedoch, sei es aus Angst vor einer noch nie dagewesenen Pandemie oder, was noch trauriger ist, aus Angst vor der Verurteilung durch das liberale Establishment, diese Art von Kompromissen in Bezug auf Position und Rhetorik eingegangen.

In meinem letzten Artikel habe ich vor allem die Instrumentalisierung der Pandemie durch die Rechte angegriffen, um von größeren Problemen abzulenken, wie z. B. der übermäßigen Profitgier der Reichen während der Pandemie, dem staatlichen Opportunismus bei der Repression und dem Autoritarismus, die während der Pandemie möglich wurden, und den um sich greifenden Ungereimtheiten, die durch die Pandemie bei der staatlichen Regulierung zutage treten. Gleichzeitig haben wir von Regierungen auf der ganzen Welt gelernt, dass Lockdowns keine einfache Debatte sein können, und der autoritäre Opportunismus, den die Pandemie Regierungen auf der ganzen Welt ermöglicht hat, ist etwas, das wir hätten erkennen und in Frage stellen sollen, als wir uns von der rechten konterrevolutionären Analyse gelöst haben. Wir dürfen das Urteil des liberalen und linken Establishments auf der ganzen Welt nicht fürchten, das blindlings die Entscheidungen der Regierungen akzeptiert hat und versucht, jeden, der die Entscheidungen der Regierung in Frage stellt, als Verbündeten von weißen Rassist*innen und christlichen Fundamentalist*innen zu diffamieren.

Wir sind Anarchist*innen und keine politische Partei, die diejenigen beschwichtigen will, deren Analysen und Ideen nur im Rahmen der bestehenden Machtstrukturen existieren. Wir sind Anarchist*innen, d.h. wir sind antifaschistisch, antirassistisch, antisexistisch, und so weiter, denn unser Hauptmerkmal ist die Ablehnung aller Formen von Herrschaft und Ausbeutung.


Die blinde Unterstützung von Lockdowns ist von Natur aus klassistisch und nicht mit einer antiautoritären Position vereinbar. Ich verwende den Begriff „klassistisch“ nicht gerne, da sich der Mainstream bei der Verwendung dieses Wortes eher auf Vorfälle von Klassenbigotterie, als auf die Klassengesellschaft als Ganzes konzentriert und auf die Erreichung einer „Befriedung der Klasse“ abzielt, anstatt auf die Abschaffung der Klassengesellschaft zu setzen. In diesem Sinne und um einer bestimmten Tendenz entgegenzutreten, gab es, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, einige ziemlich beleidigende klassenfeindliche Ansätze und Tendenzen bei denjenigen, die die pandemischen Verfahren des Staates fetischisieren.

Nehmen wir zum Beispiel Menschen, die zu Hause bleiben und TikTok-Videos von (magisch zubereiteten) Fusionsgerichten posten, wobei sie hochtrabend verkünden, dass sie zu Hause geblieben sind, um anderen zu helfen, ohne anzuerkennen, dass dies nur auf dem Rücken von Köch*innen, Paketzusteller*innen usw. möglich ist, die das gleiche nicht tun können. Das entspricht beinahe der Respektlosigkeit, die die Bosse und Faschist*innen den Arbeitnehmer*innen entgegenbringen, die die Existenz der Pandemie in Frage stellen wollen, nur um ihren heiligen freien Markt beizubehalten.

Sie geht davon aus, dass andere auch eine Woche, in der sie nicht arbeiten, ohne finanzielle Unterstützung überstehen können, während Millionen von Wanderarbeitnehmer*innen auf der ganzen Welt, ob mit oder ohne Papiere, nicht in den Genuss der finanziellen Notlösungen für die Pandemie oder der Konjunkturpakete der Nationalstaaten und Banken kommen.

Sie ignoriert die Arbeit und das Leid, die notwendig sind, um in diesen Zeiten eine solche Mahlzeit zuzubereiten – das Lob der „heldenhaften, unverzichtbaren Arbeiter*in“ zu Beginn der Pandemie war vorübergehend und bedingt. Sie spiegelt das Schlimmste des liberalen Establishments wider, sowohl in den USA als auch in den nachahmenden zentristischen Bewegungen auf der ganzen Welt.

Selbst die geschmacklose Werbung des liberalen Establishments für den Impfstoff als moralische Entscheidung, obwohl die Mehrheit der Welt immer noch auf einen entsprechenden Zugang zum Impfstoff wartet, setzt dieses Klassendenken fort. Von Anfang an haben die Amerikaner*innen und schließlich auch die Europäer*innen mit ihrem Impfstatus geprahlt, während der Rest der Welt die WTO um die Herstellung von Nachahmerpräparaten anflehte, weil sie sich das Preisschild von Big Pharma nicht leisten konnten. Viele verkündeten, dass die Pandemie bald vorbei sein wird, weil „wir es geschafft haben“, obwohl dieses „wir“ den Großteil der Menschheit nicht umfasst!

Jetzt, da die westliche Welt zu erkennen beginnt, dass ihr Ansatz zur Bewältigung der Krise gescheitert ist, berücksichtigt die Anerkennung der Möglichkeit einer „permanenten Pandemie“ nur die Bedingungen, mit denen der Westen konfrontiert ist, nicht aber die Zunahme der Todesfälle und die sich abzeichnenden Varianten, die sich in der so genannten dritten Welt weiter ausbreiten werden, von denen die meisten immer noch darauf warten, dass die erste Welt ihre Patente oder nicht verfallenen Impfstoffüberschüsse mit ihnen teilt.

Die Ungereimtheiten und das Missmanagement der Pandemie werfen ein Schlaglicht auf die Schwächen des Staates. Leider hindert uns eine zu starke Berücksichtigung der Zwangsphrasen des liberalen Establishments daran, den Faschist*innen entgegenzutreten, die das Narrativ rund um COVID dominiert haben. Deshalb müssen wir ein ausgewogenes Verhältnis finden und dürfen uns niemals auf die staatlichen Vorschriften verlassen oder erwarten, dass der Staat die Interessen der Anarchist*innen in Bezug auf die Bewältigung der Pandemie teilt.

Es erfordert Mut, Positionen zu beziehen, insbesondere bei sensiblen Themen, aber als Anarchist*innen sind wir mit kontroversen Herangehensweisen vertraut. Viele, die behaupteten, daran interessiert zu sein, Leben in den USA zu retten, schweigen jetzt, während Biden die Menschen zurück zur Arbeit schickt und den Forderungen der Bosse und des Kapitalismus gehorcht. Es ist eine Entscheidung, die von Ländern auf der ganzen Welt befolgt wird, da der Flugverkehr, der Warentransfer usw. durch COVID Vorschriften unter Druck geraten sind. Die Rettung von Menschenleben wird sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite der Machtspiele immer an zweiter Stelle stehen, hinter der Rettung des Kapitalismus, unabhängig davon, ob eine Seite ein Blatt vor den Mund nimmt oder bereit ist, ein sich zu bewegen.

Viele, die sich nicht „abkapseln“ konnten und deren Lebensunterhalt durch staatliche Auflagen geopfert wurde, wenden sich nun nach rechts. Während ich schreibe, blockieren Trucker*innen Grenzen und Städte in Kanada und den USA wegen der Impfpflicht. Blockierte Grenzen und besetzte Städte sind normalerweise etwas, worüber ich mich freuen würde, aber Polizei und staatliche Kräfte haben diese Trucker*innen nicht so bekämpft, wie sie es mit den Landblockaden der Indigenen und den Besetzungen gegen Pipelines in Kanada getan haben. Die Trucker*innenproteste gehören im Allgemeinen zu den Eingebundenen, nicht zu den Ausgegrenzten. Sie stellen das allgemeine System des Kapitalismus nicht in Frage und sind für den Status quo ein allgemein verwirrendes Phänomen, da sie seiner Basis ähneln. Die Konvois in Kanada und den USA sind in Anbetracht der politischen Zugehörigkeit und der Beweggründe ihrer Gründer*innen recht beunruhigend. Solidarische Blockaden sind auch in Frankreich, Neuseeland und anderen Ländern der Welt im Kommen. Wir stehen im Konflikt mit den allgemeinen Verschwörungstheorien und faschistischen Erzählungen, die zur Entstehung dieser Blockaden beigetragen haben, aber wir müssen ihnen auf unsere Weise entgegentreten, ohne den Stimmen des liberalen Establishments zu ähneln. Ein Auszug aus einem kürzlich erschienenen Bericht über den Konvoi in Ottawa und einige der liberalen Gegendemonstrant*innen, die sich dagegen auflehnten, ist ein reales Beispiel dafür, warum wir uns der Herausforderung stellen müssen, diesen faschistischen Ereignissen aus einer anarchistischen Position heraus zu begegnen, die keine Rücksicht auf liberale Ansätze nimmt:

„Am Nachmittag sehen wir uns eine Gegendemonstration an, die anscheinend hauptsächlich von Bewohner*innen des Stadtzentrums von Ottawa organisiert wurde, die den Lärm, den Verkehr und die hasserfüllten Reden, die Belästigungen und das Mobbing seitens einiger der Demonstrant*innen leid sind. Dem Trucker*innen-Protest entgegenzuwirken, bevor er zu einer ausgewachsenen neofaschistischen revolutionären Bewegung wird, ist sehr, sehr wichtig, aber ich fühlte mich ehrlich gesagt überhaupt nicht von diesem Gegenprotest angesprochen. Die meisten Schilder forderten entweder mehr Polizei, beschwerten sich über Unannehmlichkeiten wie Lärm und Verkehr oder machten sich über die Demonstrant*innen lustig, weil sie ungeimpft und/oder dumm waren. „Hupen Sie, wenn Sie in Staatsbürgerkunde durchgefallen sind“, „Selbstfahrende Lastwagen können COVID nicht verbreiten“, „Ottawas Polizei muss jetzt handeln“, „Ottawa muss wieder langweilig werden“. Eine Dame mit einem wortreichen Schild darüber, wie die Impfpflicht Leben rettet, verwechselt mich mit einem Mitglied des Protestkonvois und schimpft mit mir, weil ich offenbar Analphabetin bin: „Hast du ein paar Minuten gebraucht, um das zu lesen, Schatz?“ Ich habe einen Hochschulabschluss und kein Recht, mich so persönlich angegriffen zu fühlen, aber ich spüre einen Anflug von Wut auf die liberalen Eliten in der Innenstadt, die meinen, das Problem sei, dass diese Leute einfach nicht lange genug zur Schule gegangen sind. Wir gehen, bevor es vorbei ist, als einige der Demonstrant*innen in ein Streitgespräch verwickelt sind – die Antis skandieren „Go home dipshits“, während die Demonstrant*innen im Konvoi zurückrufen „We still love you! Love! Liebe!“ und die Polizei eine stärkere Trennlinie zwischen den beiden Menschenmengen bildet.“

Critical Notes From On the Ground in Ottawa (Regarding the so-called “Freedom Convoy in Canada”)

Infolgedessen entdecken wir Menschen an den Rändern unserer Bewegungen, die sich nicht durch Erfahrung und Unzufriedenheit verbunden fühlen, sondern eher durch eine dürftige Verbundenheit mit einer oberflächlichen Identität. Während Faschist*innen jeglicher Couleur keinen Millimeter Platz gebührt, sollten wir zugeben, dass die Zulassung liberaler Denkweisen „innerhalb“ des anarchistischen Spektrums ein möglicher Grund dafür ist, dass so viele weiterhin ohne es zu wissen von der Rechten rekrutiert werden. Aus Angst, den Rechten zu ähneln, lassen wir es zu, dass wir vom liberalen Establishment zensiert werden.

Weltweit kommt es im Zusammenhang mit den Lockdowns immer häufiger zu Unruhen. In den Niederlanden zum Beispiel kam es seit Beginn der Pandemie zweimal zu den heftigsten Ausschreitungen (Mehr darüber hier und hier, Übersetzer), die die Niederlande in ihrer modernen Geschichte erlebt haben, hauptsächlich getragen von erwerbslosen und ausgegrenzten Jugendlichen, die im ungleichsten Land der Europäischen Union mit ihren Problemen zu kämpfen haben. Viele Liberale, Linke und sogar einige Anarchist*innen taten diese Unruhen allein aufgrund des hässlichen Störfaktors ab, der zu ihrer Auslösung beigetragen haben könnte.

An den Tagen, an denen diese Riots stattgefunden haben, gab es ekelhafte Proteste. Das Schlimmste vom Schlimmsten kam zusammen: New Ager, religiöse Fundamentalist*innen, rechte Politiker*innen und Neonazis/Faschist*innen protestierten friedlich in ihren ekelhaft weißen Paraden gegen die Impfstoffe und den Lockdown. Vielleicht sind einige der Hooligans bei den anschließenden Krawallen geblieben, aber die Teilnehmer*innen an den Veranstaltungen vor den Aufständen gehören in der Regel zu den Weißen und Privilegierten in den Niederlanden und konnten beobachtet werden, wie sie die „Hooligans“ und „Schläger“ anprangerten, die herauskamen, als die Sonne unterging.

Die Lockdowns waren für viele Jugendliche in den Niederlanden, die mit ständiger rassistischer Gewalt durch die Polizei konfrontiert sind und ein Leben zweiter Klasse führen müssen, der letzte Tropfen die das Fass zum Überlaufen brachte. Viele wütende, erwerbslose und entrechtete Jugendliche sahen in diesen Ereignissen eine Gelegenheit, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Die liberale Bourgeoisie und die Akademiker*innen, haben Faschist*innen und Politiker*innen mit erwerbslosen Jugendlichen unterschiedlicher ethnischer Herkunft in einen Topf geworfen, nur aufgrund des Zeitpunkts der Riots. Wie konnten einige von uns einer solch oberflächlichen und elitären Herangehensweise erliegen, um eine Erscheinungsform des sozialen Krieges zu verstehen, die für Anarchist*innen von Interesse sein sollte? Es ist eine diffuse Zeit für die Menschheit, mich eingeschlossen, aber wir müssen unsere Analyse weiterentwickeln und schärfen.

Anarchist*innen betrachten Plünderungen als Zerstörung der heiligen Ware und als Symbol der Armut, mit der der Plünder*in konfrontiert ist. Ende der Geschichte. Das ist eine anarchistische Antwort. Diejenigen, die dazu neigen, sich aus den Elfenbeintürmen der akademischen und privilegierten Welt zurückzuziehen, haben jedoch vielleicht nicht den Intellekt oder den aufrichtigen Wunsch nach Revolte, um so etwas überhaupt zu würdigen. Man mag seine Wut nicht gerade zur rechten Zeit oder unter den schönsten Umständen äußern, aber als Anarchist*innen ist es unsere Verantwortung, die Momente zu erkennen, in denen sich solche Brüche und Spannungen manifestieren, und ungeachtet der Beurteilung durch das liberale Establishment unsere Solidarität und Unterstützung zu zeigen.

Als Anarchist*innen müssen wir unsere Position weiterhin kompromisslos vertreten, unsere Stimme erheben und unsere Position klar kommunizieren, um beiden Seiten dieses Kulturkampfes deutlich zu machen, dass wir nicht auf ihre Ablenkung reinfallen. Wir wollen den sozialen Krieg für die Befreiung.

Wir haben seit März 2020 eine Menge gelernt. Nur weil wir den Todeskult der Rechten militant ablehnen, heißt das nicht, dass wir als Anarchist*innen dem gemäßigten rechten, zentristischen oder linken Establishment nachgeben sollten. Ob Bürgerkriege in der Geschichte oder Black Lives Matter, Occupy, die Antiglobalisierungsbewegung oder die Pandemie von heute, wir hoffen, dass die anarchistische Bewegung sich immer daran erinnern wird, dass „auf der einen Seite der Weg ist, der zu den Institutionen führt, auf der anderen Seite der Weg zur Straße. Diese Wege können nicht koexistieren.“


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