
Die fast zwei Wochen andauernde Verwüstung ukrainischer Städte durch Raketen- und Bombenangriffe bleibt von der russischen Bevölkerung nicht unbeantwortet. Bereits am 7. März wurde in den Chats der Polizei in Moskau und dem Moskauer Gebiet eine Warnung über die mögliche Gefahr von Brandstiftung auf Verwaltungsgebäude verbreitet. Siehe die neue Übersicht des anarchistischen Newsletters Assembly in der zerstörten Frontstadt Charkiw; für Spenden zur Wiederherstellung des lokalen sozialen Netzes besucht bitte diese Seite.
Ursprünglich veröffentlicht von Libcom. Übersetzt von Riot Turtle.
Der Krieg hält auch auf den russischen Straßen Einzug. Während der pro-ukrainischen Kundgebung am 28. Februar rammte ein Auto mit den Aufschriften „Das ist Krieg“, „Putin ist Abschaum“ und „Menschen, steht auf“ eine Polizeisperre auf dem Puschkin-Platz in Moskau und fing nach dem Zusammenstoß Feuer. Das Fahrzeug wurde schnell von Schneeräumern umstellt, der Fahrer wurde festgenommen, sein Name ist noch nicht bekannt. Generell halten die Sicherheitskräfte offensichtlich Informationen über diesen Vorfall zurück, nur Bruchstücke von Informationen sind an die Öffentlichkeit gelangt – zum Beispiel dieses kurze Video (unten). Auch über die 22-jährige Studentin Anastasia Levashova, die drei Tage zuvor bei einer Anti-Kriegs-Demonstration in der Moskauer Innenstadt mit einem Brandsatz auf die Bullen losgegangen war, gibt es nur sehr wenige Informationen. Aber das war erst der Anfang!
In der Nacht zum 1. März versuchten zwei 17- und 18-Jährige, eine Polizeistation in Smolensk in Brand zu setzen. Durch den Molotow-Cocktail brach ein Feuer aus, sie wurden festgenommen. Offiziellen Medien zufolge war der Grund für die Brandstiftung „der zunehmende zerstörerische Einfluss des ukrainischen Geheimdienstes auf den russischen Informationsraum“: Sie sollen „von einem Freund ein Angebot erhalten haben, ein Verbrechen zu begehen, das mit der Aussicht auf einen leichten Verdienst von 60.000 Rubel begründet wurde“. Auf dem veröffentlichten Video gaben die Verhafteten die für die Sicherheitskräfte erforderlichen Aussagen ab, deren Foltermethoden bekanntlich kein Geheimnis sind.
In der Nacht zum 3. März warf ein Unbekannter in Woronesch ein brennbares Gemisch in das Fenster des Militärrekrutierungsbüros. Niemand wurde verhaftet. „Ich habe das Tor in den Farben der ukrainischen Flagge bemalt und geschrieben: ‚Ich werde meine Brüder nicht töten!‘, dann bin ich über den Zaun geklettert, habe die Fassade mit Benzin übergossen, die Fenster eingeschlagen und Molotowcocktails hineingeworfen“, so der anonyme Täter*in. Ziel der Brandstiftung war es, das Archiv mit den Personalakten der Wehrpflichtigen zu zerstören. Dies sollte eine Mobilmachung in dem Bezirk verhindern. Siehe dazu dieses Video:
Also in Moscow, a 36-year-old local resident threw two Molotovs towards the Kremlin wall and scattered leaflets against the war. Now he is arrested under Article 213 of the Criminal Code – “hooliganism”. The name of this brave man is unknown.
Der 24-jährige Barkeeper Zakhar Tatuyko wurde in St. Petersburg verhaftet. Den Ermittlern zufolge sprühte er bei einer Antikriegskundgebung einem Bullen Pfefferspray ins Gesicht, und zwar nicht irgendeinem, sondern dem Kommandeur eines Spezialregiments! Wir wissen nicht, ob Zakhar diese Tat auch wirklich begangen hat, aber der Aktion selbst verdient sicherlich Bewunderung. Die Quelle ist hier.
Es ist anzumerken, dass die russischen Medien nur ungern über solche staatsfeindlichen Aktionen berichten. Sie befürchten zu Recht, dass das Beispiel ansteckend werden könnte. Es ist möglich, dass es in den letzten Tagen tatsächlich mehr Anschläge gegeben hat, aber darüber wurde keinerlei Informationen an die Öffentlichkeit gebracht. Die Redakteur*innen von Assembly haben gleich zu Beginn des Krieges die solidarischen russischen Genoss*innen aufgerufen, bei Straßenaktionen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen und unnötige Risiken zu vermeiden.
Außerdem könnt ihr unser Material über den wirtschaftlichen Zusammenbruch in der Ukraine lesen, die in der ersten Woche der Aggression die Hälfte des BIP verloren hat, und was dadurch mit dem Arbeitsmarkt passiert.
Besonders hervorzuheben ist die Situation in der südlichen Küstenstadt Mariupol, die von der Putler-Armee umzingelt ist und deren Bombardierungen bereits Hunderte von zivilen Opfern gefordert haben. Nach der Woche der Belagerung, die eine verzweifelte humanitäre Katastrophe zur Folge hatte, plünderte die Bevölkerung am Abend des 5. März eines der größten Einkaufszentren der Hafenstadt. Auf diesem Video ist zu sehen, wie die Massen Lebensmittel, Kleidung, Haushaltsgeräte, Schmuck usw. mitnehmen. „Da sind sie, die Lokalpatriot*innen. Alle sind zufrieden“, sagt die Kommentarstimme.
Nach Angaben des Bürgermeisters von Cherson, das unter russischer Besatzung steht, rauben einige Einwohner*innen dort auch Supermärkte und Einkaufszentren aus. In diesem Zusammenhang wandte sich der Beamte an die Eigentümer*innen: „Die Stadt ist bereit, die Kontrolle über den Vertrieb Ihrer Produkte zu übernehmen. Wir garantieren, dass sie dorthin gelangen, wo sie jetzt dringend erwartet werden – an Krankenhäuser, Waisenhäuser, Rentner*innen, Bedürftige, kinderreiche Familien, soziale Gruppen usw. Wir werden dies auf organisierte und verantwortungsvolle Weise tun, da können Sie sicher sein. Unseren früheren Bericht über ähnliche Vorgänge im besetzten Melitopol könnt ihr hier sehen.
Kein Krieg, außer dem sozialen Krieg!