
Ukraine. Alexis Daloumis erreichte die Frontstadt, kurz nachdem die ukrainischen Streitkräfte die russische Armee aus der Reichweite der Artillerie verdrängt hatten, und berichtet über die Lage, während sich die Stadt von dem Angriff erholt.
Ursprünglich veröffentlicht von Freedom News. Geschrieben (und video) von Alexis Daloumis. Übersetzt von Riot Turtle.
Dies ist die dritte von Alexis produzierte Videobotschaft. In der ersten (hier) werden osteuropäische Anarchist*innen zu ihren Ansichten über den Krieg befragt. Das zweite (hier) konzentriert sich auf die internationale Mobilisierung.
Dies ist eine weitere Zwischenbilanz vor dem zweiten Teil meines Hauptwerks, das erst vor kurzem seine Produktionsphase abgeschlossen hat. Es geht um die Situation in Charkiw, wo sich das Leben nach dem Ende der Belagerung langsam wieder normalisiert.
Nach Charkiw zu fahren, war schon ziemlich früh während meiner Zeit in der Ukraine mein Ziel gewesen. Es ging aber nicht nur darum, in die Stadt zu kommen, sondern vielmehr darum, einen bestimmten Kontext mit bestimmten Menschen abzuwarten. Der Plan war, ein spezielles und wertvolles Paket der Operation Solidarity zu verfolgen, das an einige örtliche Anarchist*innen der Territorialen Verteidigung geschickt werden sollte, die die Organisation seit Beginn des Krieges unterstützt hatte. Die Genoss*innen gehörten der Drohnenaufklärungseinheit an, und bei dem Paket handelte es sich um eine nagelneue, hochmoderne kommerzielle Drohne mit besonders großer Reichweite und anderen Spezifikationen.
Dies erwies sich als ein kompliziertes und immer wieder verschobenes Unterfangen. Der Krieg war zu intensiv, so dass diese Genoss*innen sich nicht zu einem Treffen mit mir verabreden konnten und mir sogar rieten, der Stadt bis auf Weiteres fernzubleiben. Gleichzeitig war das Paket auch nicht fertig für den Transport.
Schließlich kam die Drohne in Kyiv an und war einsatzbereit, gerade als die russischen Streitkräfte zurückgedrängt wurden und ihre Artillerie außer Reichweite geriet, wodurch Charkiw viel sicherer und leichter zugänglich wurde.
Die Dinge konnten jedoch nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden, da keines der Mitglieder*innen von Operation Solidarity bereit war, mit mir in einem Zug zu reisen, um das Paket auszuliefern, so dass die Drohne per Kurierdienst verschickt wurde. Das Video vom Auspacken der Drohne wird jedoch im zweiten Teil meines Hauptbeitrags zu sehen sein.
Als ich am 7. Mai in Charkiw ankam, war die Stadt bereits über den Punkt hinaus, an dem sich Kiew befand, als ich dort ankam. Das Leben normalisierte sich allmählich, da die russischen Truppen immer weiter zurückgedrängt wurden, aber es gab noch einen Meilenstein, bevor der Normalisierungsprozess richtig beginnen konnte – den 9. Mai.
Der britische Geheimdienst war (neben anderen) davon ausgegangen, dass Russland am Jahrestag des Sieges der Alliierten über die Nazis im Zweiten Weltkrieg den Sieg verkünden wollte. Dies wurde bald unwahrscheinlich, aber der Verdacht blieb bestehen, dass Putin versuchen würde, aus der Symbolik des 9. Mai einen narrativen Nutzen zu zaubern, indem er einen groß angelegten Angriff als Botschaft lanciert. Besondere Sorge bereitete die Möglichkeit, dass Charkiw schwer bombardiert werden könnte, denn wie mir ein anderer Anarchist*in, der zuvor dort stationiert war, berichtete, verfügt die russische Armee über einen riesigen Vorrat und eine Vielzahl von Raketen mit sehr viel größerer Reichweite, die die Stadt weiterhin zerstören könnten, obwohl die Artillerie nicht in Reichweite ist.
Letztlich geschah an diesem Tag in Charkiw nichts dergleichen und insgesamt nicht viel (in Odessa gab es einige Raketeneinschläge). Stattdessen wurde der 9. Mai zum Wendepunkt für die Stadt. Die zuvor meist leeren Straßen, die in die Stadt führten, waren mit den Autos der Menschen, die nach Hause zurückkehrten, verstopft.
Aber die Stadt hat viel Schmerz und Schaden erlitten, ihr städtisches und soziales Gefüge ist durch Zerstörung und Terror gekennzeichnet, und es gibt viel aufzuarbeiten und Menschen, die Unterstützung brauchen.
In dem Video sind einige Bilder der Zerstörung zu sehen, aber auch die Mobilisierung für humanitäre Hilfe, die oft von spontaner, selbst organisierter Solidarität geprägt war.