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Ukraine: Für die Solidarität mit der um Freiheit und Überleben kämpfenden Bevölkerung und den Anarchistinnen und Anarchisten

Der folgende Beitrag ist in den Kampfgeistern Nr. 1/2022 – Mitteilungen aus dem Institut für Syndikalismusforschung erschienen. Leider wurde diesen Text nicht mit * oder : gegendert, wir möchten euch den Text trotzdem nicht vorenthalten. Im Artikel wird Kyiv noch Kiew genannt.

Bild oben: „Tod dem Imperialismus. Kampf jedem Diktator“

Ursprünglich veröffentlicht im Kampfgeistern Nr. 1/2022. Geschrieben von Martin Veith.

Seit dem 24. Februar 2022 führt die Russische Staatsführung einen groß angelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die russische Armee geht dabei mit größter Brutalität vor und hält sich nicht an die international ausgehandelten Vereinbarungen über den Schutz der Zivilbevölkerung. Russische Soldaten greifen Städte, Siedlungen und Dörfer an, zerstören Städte wie Mariupol, verhindern Evakuierungen und begehen Massaker an der Zivilbevölkerung wie in Butscha und Irpin. Zehntausende von Toten sind bis jetzt das Resultat des Überfalls Russlands und Millionen von Menschen wurden und werden zur Flucht gezwungen. Gegenüber der russischen und weltweiten Öffentlichkeit erklärte der Machthaber im Kreml, Wladimir Putin, es handele sich bei dem Krieg, der in Russland unter Androhung von langjährigen Gefängnisstrafen nicht als Krieg benannt werden darf, um einen „antifaschistischen Einsatz“ zur „Entnazifizierung und Entmilitarisierung“ der Ukraine. Er benutzt diese historischen Begriffe, die ihre Rechtfertigung gegenüber Nazi-Deutschland hatten, um die Ukraine und ihre Bevölkerung mit den deutschen Faschisten gleichzustellen. Die Nazis, unterstützt von großen Teilen des deutschen Kapitals, praktizierten einen strukturierten und industrialisierten Massenmord an Juden, Roma und Sinti in Konzentrationslagern sowie an der von ihnen als „Untermenschen“ bezeichneten slawischen Bevölkerung Europas. Die Verfolgung und Vernichtung richtete sich seit Beginn ebenfalls gegen die emanzipatorischen Bewegungen, wie die ArbeiterInnen- , anarchistische und antifaschistische Bewegung.

Die Gleichsetzung der Ukraine und ihrer Bevölkerung mit den Nazis ist eine Widerlichkeit und entschieden zurückzuweisen, auch wenn es dort, wie auch in Russland, organisierte Neonazi-Gruppen und rechtsextreme paramilitärische Verbände gibt.[1] Der tatsächliche Hintergrund des russischen Angriffs besteht aus dem Großmachtstreben der russischen Nationalisten, zu deren Sprachrohr, Akteur und Haupt sich Wladimir Putin konsequent entwickelt hat. Er träumt von einem Großrussischen Reich und sieht seine historischen Vorbilder dafür bei den russischen Zaren und bei Stalin, die allesamt eine Unabhängigkeit der Ukraine verhinderten und die ukrainische Sprache verboten.

Groß-Russischer Nationalismus, Autoritarismus und Verachtung für Freiheit und Individualismus

Bereits im Juli 2021 veröffentlichte Putin einen Aufsatz auf der Homepage des Kreml, in dem er der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung jedes Existenzrecht bestreitet. Konsequent spricht er von den Ukrainern als „Klein-Russen“ und rechtfertigt territoriale Ansprüche Russlands „ebenso, wie ein Eingreifen jeglicher Art“. Denn, so Putin: „Die Ukraine könne es nur zusammen mit Russland geben“. Den Zusammenbruch der freiheitsfeindlichen Sowjetunion 1991 bezeichnet er als „Schande von 1991“. Seine „Mission sei die Wiedervereinigung des dreieinigen Volkes aus Russen, Kleinrussen und Weissrussen“.[2]

Hierzulande wird die Sowjetunion gerne von den orthodoxen Kommunisten, Funktionären der Linkspartei, der DKP und anderen Linken verklärt. In der marxistisch dominierten Linken Deutschlands wurden und werden Tatsachenberichte über die sozialen und politischen Unterdrückungen in der Sowjetunion schon seit der Weimarer Republik gerne ignoriert oder gerechtfertigt.[3] Diese wissens-resistente ignorante Traditionslinie zieht sich bis heute fort.[4] Anarchistische und anarcho-syndikalistische Analysen des totalitären Charakters des Marxismus-Leninismus und seiner Ähnlichkeiten mit Faschismus und Nationalsozialismus möchten diese Leute nicht sehen. Die systematische Bekämpfung anarchistischer und anarcho-syndikalistischer Bewegungen während der Russisch-Ukrainischen Revolution von 1917 durch die Parteikommunisten wird oftmals gerechtfertigt. Nicht wenige von ihnen haben große Sympathien mit dem autoritären Russland von heute, das sie in irrationaler Verbundenheit verteidigen. Die linke Tageszeitung „junge Welt“ titelte am Tag nach der offiziellen Anerkennung der sog. „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“, einen Tag vor dem russischen Angriffskrieg: „Putin erzwingt Frieden“.[5]

Dass die pseudo-sozialistische Sowjetunion nicht nur nach innen gegen die Bevölkerung, die emanzipatorischen und anti-autoritären Bewegungen unterdrückerisch agierte, sondern gleichzeitig andere Volksgruppen in anderen Ländern und Regionen Osteuropas unterdrückte, ihrer Selbstbestimmung beraubte und deren Länder in ihren Machtbereich einverleibte, wird ebenso oft ignoriert und übersehen. Bis hinein in bürgerliche Kreise Westeuropas wurden die russischen Warnungen und Drohungen gegenüber der Ausweitung des Militärbündnisses NATO nach Osteuropa für nachvollziehbar gehalten und die Interessen und Erfahrungen der Nachfolgestaaten des sowjetischen Machtbereichs und ihre Furcht vor dem autoritären imperialistischen Russland nicht beachtet und ignoriert. Dieses Misstrauen gegenüber der NATO ist begründet, ist sie doch ohne Zweifel eine von der imperialistischen USA dominierte Militärstruktur. Vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gab es über viele Jahre hinweg provokante NATO-Manöver in Osteuropa und die militärische Aufrüstung und Ausbildung osteuropäischer Staaten. Dies sind Fakten. Fakt ist aber auch, dass über den Kopf der Ukraine hinweg mit Russland verhandelt und ihr nahegelegt wurde, weder der EU noch der NATO beitreten zu dürfen, um Russland nicht zu verärgern. Die Interessen Russlands, als vermeintlich stärker als die Ukraine eingeschätzt, wurden höher bewertet als diejenigen der Ukraine.

Die Ignoranz der tief sitzenden negativen historischen Erfahrungen von Menschen in den osteuropäischen Staaten mit einer durch die Sowjetunion eingesetzten extremen autoritären Staatlichkeit in Abhängigkeit von Moskau ist eine Tatsache. Und niemand hat dem Begriff des Kommunismus, – einer anti-autoritär organisierten Gesellschaft von Freiheit und Wohlstand für alle ohne kapitalistische Ausbeutung – mehr geschadet als die Partei-Kommunisten, Lenin-Anhänger und ihre freiheitsfeindlichen „sozialistischen Staaten“. Der Schriftsteller und Anarchist Ilija Trojanow befasst sich damit in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau. Sein Beitrag kann Augen öffnen. Er schreibt darin: „1989 beziehungsweise 1991 – es muss dieser Tage noch einmal klar gesagt werden – hat dieses totalitäre Imperium den Krieg verloren, auch wenn es ein kalter Krieg war, und die kolonialisierten Völker haben sich selbstständig gemacht (wo Wahlen notwendig waren mit jeweils überwältigenden Mehrheiten, in der Ukraine waren es 92 Prozent). Es ist daher absurd, einer Imperialmacht das Recht zuzusprechen, ein Veto einlegen zu dürfen hinsichtlich der außenpolitischen Entscheidungen dieser unabhängigen Staaten. Imperialismus ist Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und ein Verbrecher hat kein Mitspracherecht bei der Zukunftsgestaltung seiner Opfer! Zumal diese weiterhin an den Spätfolgen der Okkupation leiden. Die ökologischen Verheerungen etwa, die einseitige Entwicklung der Volkswirtschaften, die Zerstörung von Kreativität, Fantasie und kritischem Denken. Weiterhin ist der homo sovieticus nicht überwunden, nicht in Russland und leider auch nicht in den ehemaligen Kolonien.“[6]

Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass auch manche der kapitalistischen (Groß)-Unternehmen gerne mit der Sowjetunion und dem autoritären Russland unter Putin ihre Geschäfte mach(t)en. Die seit Jahren bekannten Verfolgungen von Oppositionellen und die Berichte über die Arbeitslager scher(t)en sie nicht. In totalitär regierten Gesellschaften lässt es sich eben ganz gut profitabel produzieren, denn wirkliche gewerkschaftliche Tätigkeit im Betrieb ist unterdrückt und auf die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter muss nur wenig Rücksicht genommen werden.

Putin und die russischen Nationalisten stehen für einen unterdrückerischen extrem-autoritären Zentral- und Polizeistaat, der jegliche Abweichung und Opposition verfolgt. Der Einfluss der Russisch-Orthodoxen-Kirche wurde seit Jahren durch Putin vergrößert, um kulturelle und zivilisatorische Freiheiten und Ziele zu be- und verhindern. Homosexualität gilt als Verbrechen, Atheismus gilt als verdächtig, freie Medien gibt es nur noch im Untergrund.[7] Individualismus und Selbstbestimmung wurden schon zu Zeiten der Sowjetunion ideologisch bekämpft und werden dies auch heute. In russischen Arbeitslagern und Gefängnissen finden sich widerständige Menschen, die Korruption bekämpfen und kritisieren, die demokratische Freiheiten einfordern oder für die Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen kämpfen, wie die Anarchistinnen und Anarchisten.

Sympathien und Unterstützung für Putin durch deutsche Neonazis und Nationalisten

Die anti-freiheitliche und nationalistisch-imperialistische Agenda Putins findet große Unterstützung innerhalb des organisierten deutschen Neofaschismus. Für die hiesigen Neonazis verkörpert Putin den Typ von „starkem Mann“, den sie sich für Deutschland wünschen. In Stellungnahmen von NPD-Funktionären und Autoren, darunter des Parteivorsitzenden, wird Verständnis für Putin geäußert und – ganz auf Linie der Kreml-Propaganda – von angeblichen Greueltaten gegen Russen in der Ukraine gesprochen und der Ukraine ein eigener Volkscharakter abgesprochen.[8] Auch Funktionäre und Mandatsträger der Alternative für Deutschland positionieren sich schon seit Jahren hinter Putin, ebenso wie große Teile der „Querdenker“-Szene und rechtsradikale Zeitschriften wie das Compact-Magazin des Ex-Marxisten Jürgen Elsässer. Bekannt ist zudem, dass Putin rechtsextreme Bewegungen in West-Europa finanziell durch russische Banken unterstützen lässt. Dazu zählt das Rassemblement National (der vormalige Front National) von Marine Le Pen in Frankreich. In Deutschland ist es bislang nur eine kleine Minderheit von Neonazis, die sich mit den ukrainischen Neonazis solidarisch zeigt und teils gewillt ist, mit diesen zusammen in der Ukraine bewaffnet zu kämpfen.

Große Unterstützung für die ukrainische Bevölkerung

Seit Beginn des Angriffskrieges sind die Augen der Welt auf die Ukraine gerichtet. Täglich werden wir Zeugen von den Verheerungen und dem Leid, das die russische Armee über das Land und die Menschen bringt. Bemerkenswert groß sind der Widerstandswillen und die Tapferkeit der ukrainischen Bevölkerung und der ukrainischen Armee. Es ist offensichtlich, dass die Russische Staats- und Armeeführung diesen Widerstand deutlich unterschätzt hat und von einem schnellen Sieg und einer schnellen Besetzung des Landes ausging. Die Anteilnahme an Leid und Kampf der Ukraine ist in Deutschland, wie auch anderen europäischen Ländern, riesig. In Betrieben und Schulen, in der Nachbarschaft wird darüber gesprochen. Große Summen an Spenden für Geflüchtete aus der Ukraine wurden gesammelt, Transporte für Flüchtende und Güter des täglichen Bedarfs spontan von Menschen auf die Beine gestellt, Unterkünfte organisiert und das europaweit! Menschen verhalten sich wie Menschen, fühlen mit und sind solidarisch. Die deutsche Regierung hat sicherlich nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsachen einen unbürokratischen Zugang zu Aufenthalt in Deutschland, Wohnen, Arbeit und Bildung für Geflüchtete aus der Ukraine versprochen. Dieses Versprechen muss sie einlösen.

Und es gibt weitere gute Zeichen. Russische Soldaten im Kriegseinsatz in der Ukraine desertieren und lassen ihre Ausrüstungen, teils ihre Panzer zurück. Wie aus Gesprächen mit gefangengenommenen und desertierten Soldaten zu entnehmen ist, wurde ihnen teils die Wahrheit über ihren Einsatzort verschwiegen oder ihnen von Offizieren gesagt, an einem Manöver teilzunehmen. In Weißrussland sabotierten Bahnarbeiter Mitte/Ende März 2022 Gleisanlagen und die Verbindung in die Ukraine. Sie brachten dadurch den russischen Nachschub zum stehen.[9] Durch die Wirtschaftssanktionen gegen Russland können zahlreiche russische Güter nicht mehr in die Europäische Union ausgeführt werden. Im März führte dies zu kilometerlangen Staus von Zügen auf Strecken der russischen Bahn und damit zu logistischen Problemen bei der militärischen Versorgung. Dennoch gehen die russischen Angriffe ununterbrochen weiter und Menschen sterben. Im März meldete die ukrainische Regierung Anzeichen dafür, dass Russland chemische Waffen eingesetzt hätte. Mitte April wird durch Nachrichtenagenturen vermeldet, dass es zum Einsatz von Überschallbombern in Kiew gekommen sein könnte und tausende von Menschen in der Ukraine zu verhungern drohen.

Anarchistische Solidarität

Schon vor dem Angriffskrieg Russlands organisierten Anarchistinnen und Anarchisten politische und materielle Unterstützung für verfolgte und gefangene Anarchistinnen und Anarchisten in Russland und Weißrussland. Kurz nach Kriegsbeginn begann eine Kampagne für die Anarchistinnen und Anarchisten in der Ukraine – die „Operation Solidarity“, die von anarchistischen Organisationen, Vereinigungen und Menschen aus mehreren europäischen Ländern getragen und unterstützt wird. In Deutschland zählen beispielsweise das Anarchist Black Cross Dresden, die Föderation deutschsprachiger AnarchistInnen und die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union aus Frankfurt/Main zu den Unterstützern. Mitte März 2022 konnte bereits die stolze Summe von 120.000 Euro an Spenden und Materialien verkündet werden. Eine gespendete Summe, die für die Bewegung so groß ist, wie meines Wissens nach noch nie zuvor nach 1945 in Europa. Mit den Spenden werden Lebensmittel und Hygieneprodukte angeschafft, sie dienen aber auch der Ausstattung mit schusssicheren Westen, Technik, Fahrzeugen und Medizin. In Polen haben Genossinnen und Genossen der Anarchistischen Föderation Wohnungen angemietet, um Geflüchteten aus der Ukraine eine Unterkunft zu schaffen. Durch die Spenden sollen die Mieten dafür bezahlt werden. Spenden werden auch für Traumabehandlungen und andere gesundheitliche Notwendigkeiten verwendet.

In der Ukraine – ganz ähnlich wie in Rojava – gibt es bewaffnet kämpfende anarchistische Gruppen, die sich der Armee Putins in den Weg stellen, um die Bevölkerung zu beschützen. Eine davon ist das „Widerstands-Komitee“, eine andere die Gruppe „Black Flag“.[10] Das anarchistische Infoportal Enough14 berichtet über sie: „Black Flag ist eine anarchistische Gruppe, die hauptsächlich aus der Westukraine stammt und seit Anfang 2016 für ihre Beteiligung an sozialen Kämpfen, Straßenkämpfen gegen die Nazis, den Schutz öffentlicher Räume in Lemberg und die Entwicklung einer horizontalen kooperativen Wirtschaft bekannt ist. In den ersten Tagen der völkermörderischen Invasion errichteten sie eine eigene Einheit zur Territorialverteidigung von Kiew.“[11]Sie schreiben über sich: „Wir sind Anarcho-Kommunisten, weil wir an soziale Gerechtigkeit glauben, aber jetzt ist die Rettung der Zivilbevölkerung die Priorität.“

In einer über Facebook und Twitter verbreiteten Mitteilung des „Widerstands-Komitees“ vom 1. März 2022 informieren diese: „Den antiautoritären Kräften gelang es, im Rahmen der Territorialverteidigung der Ukraine eine eigene internationale Abteilung zu organisieren. Außerdem verteidigen Dutzende unserer Freunde die Hauptstadt und große Städte mit Waffen in der Hand.“

Kämpfer der anarchistischen Einheiten sind bereits im Kampf gefallen. Darunter Igor Volokhow im März 2022 bei der Verteidigung von Charkiw. Seine Genossen schreiben über ihn: „Igor war ein konsequenter und überzeugter Anarchist. Er unterstützte seine Freunde, die von der Russischen Föderation gefangen waren oder sind – Alexander Kolchenko und Jevgeny Karakasheva. Er beteiligte sich an der Gründung einer Studentenschaft, als er Jura studierte. Er träumte davon, ein Netzwerk von Genossenschaften in der gesamten Ukraine zu organisieren. Er war ein heller, fröhlicher und nachdenklicher Mensch. Er war eine Inspiration für viele“.[12]

Aktuell duldet die ukrainische Regierung die anarchistischen Einheiten. Ob dies nach dem erhofften Sieg über Putin allerdings auch noch so sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn die anarchistischen Ziele gehen über die kapitalistische Gesellschaft hinaus und stehen für Freiheit, Gleichberechtigung und Basisdemokratie.

Waffen für die Ukrainische Bevölkerung

Nach all den zugänglichen Informationen bin ich der Überzeugung, dass sich die Menschen in der Ukraine gegen ihre Vernichtung durch diesen Angriffskrieg nur bewaffnet behaupten können. Diplomatische Bemühungen, wenn sie ernsthaft geführt werden, sind sicher wünschenswert; ein Diktator aber, der die eigene Bevölkerung seit Jahren systematisch unterdrückt und die Opposition verfolgt, foltert und massakriert, lässt sich durch Worte nicht aufhalten. Wirtschaftliche Sanktionen gegen russische Konzerne sind richtig und gut. Sie reichen aber nicht aus, denn bei Putin handelt es sich um einen ideologischen Krieger, dem ein großrussisches Imperium vorschwebt. Für dieses Ziel geht er ohne jegliche Rücksicht über die Leichen von zehntausenden Menschen, darunter seinen „eigenen“ Soldaten. Er betreibt eine Politik der verbrannten Erde, des grausamen Terrors und versucht, die gesamte Infrastruktur und alle Lebensbereiche in der Ukraine zu zerstören. Wenn es nicht zu einem Sturz Putins kommt, wie immer dieser auch zu Stande kommen mag, dann bleibt als einzige Möglichkeit nur, die russische Armee zu bekämpfen. Dafür bedarf es Waffen. Natürlich reibt sich die Rüstungsindustrie dabei die Hände. Denn es gilt der Satz: „Rüstung, Krieg und Leichen. Profite für die Reichen.“ Doch was wäre die konkrete Alternative für die um ihr Leben kämpfenden Menschen? Gewaltfreie Aktionen vor den russischen Angriffstruppen? Es ist leicht, im relativ sicheren Deutschland von einem moralischen Standpunkt aus zu argumentieren, wie dies weite Teile der Linken und radikalen Linken machen, die für eine „Verhandlungslösung“ plädieren und offensiv dafür eintreten, Waffenlieferungen zu verhindern. Doch wir alle sind Zeuginnen und Zeugen eines Völkermordes. Wir wissen um die kämpfende Beteiligung anarchistischer und antifaschistischer Kräfte an der bewaffneten Selbstverteidigung der Menschen in den Städten und Dörfern der Ukraine. Denn es ist beileibe nicht nur die ukrainische Armee, die kämpft, es sind Menschen aller Altersgruppen, die sich den Invasoren entgegenstellen. Deren Unterstützung sollte das wesentliche sein. Diese Unterstützung hindert uns nicht daran, uns gegen eine Militarisierung der Gesellschaft in Deutschland zu wenden.

Pazifistische Überzeugungen einzelner Menschen sind selbstverständlich zu respektieren und niemand darf gegen seinen Willen zum Dienst in der Armee oder mit der Waffe gezwungen werden. Ukrainische, Russische und Weißrussische Deserteure sind zu unterstützen und ihnen ist Asyl zu gewähren. Der Pazifismus als Strategie und Ideologie ist jedoch ein Irrtum und hätte das wehrlose Abschlachten der Menschen zur Folge. Unterstützen wir also die Operation Solidarity. Jeder und jede kann das ihm und ihr mögliche dazu beisteuern.

Weitere Informationen

Aktuelle Informationen auf Englisch über die anarchistischen Kräfte und ihre Aktivitäten in der Ukraine finden sich hier:

Anarchistisches Solidaritätsnetzwerk Operation Solidarity

https://enough-is-enough14.org/category/ukraine/ (Deutsch) https://enoughisenough14.org/category/ukraine/ (Englisch)

Ein ins Deutsche übersetztes Interview mit einem Anarchisten in Kiew (veröffentlicht am 29.03.22) findet sich hier: https://fda-ifa.org/interview-mit-einem-anarchistischen-aktivisten-in-kiew/

Kriegstagebuch eines belarussischen Anarchisten in der Ukraine: https://enough-is-enough14.org/2022/04/09/kriegstagebuch-eines-belarussischen-anarchisten-der-in-der-ukraine-kaempft-part-1/

Informationen zur militärischen Lage finden sich übrigens auf den Youtube-Kanälen der Bundeswehr in Deutschland und des Österreichischen Bundesheers.

Das ZDF geht in einer Sendung auf die großrussische Ideologie Putins ein: Putins Krieg – Geschichte als Waffe hier auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=vn3QyKxSvTo

Anmerkungen

[1] Siehe dazu die Schwerpunktausgabe „Die extreme Rechte in der Ukraine“ des Antifaschistischen Infoblatts Nr. 126, Frühjahr 2020.

[2] Alle Zitate aus der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ): Russland und Ukraine: Putin schreibt brisanten Aufsatz. NZZ vom 16.07.2021 (Abgerufen am 09.03.2022)

[3] Siehe dazu z.B.: Rudolf Rocker: Der Bankrott des Russischen Staats-Kommunismus, Berlin 1921 oder verschiedene Ausgaben des „Der Syndikalist“ (1919-1933), der Wochenzeitung der Freien Arbeiter-Union Deutschlands, in welcher über die Verfolgung von AnarchistInnen und SyndikalistInnen in der Sowjetunion beständig informiert wurde.

[4] Siehe dazu z.B. Philippe Kellermann: Marxistische Geschichtslosigkeit: Von Verdrängung, Unwissenheit und Denunziation: die (Nicht-)Rezeption des Anarchismus im zeitgenössischen Marxismus, Lich 2011.

[5] Junge Welt vom 23. Februar 2022.

[6] Putins Imperialismus – ein Verbrecher hat kein Mitspracherecht. Am Beispiel Bulgarien: Wie die Rote Armee Nachbarländer unterwarf und wie Wladimir Putin diese Tradition fortzusetzen gedenkt. Von Ilija Trojanow in Frankfurter Rundschau vom 24.02.2022. Link: https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/ukraine-konflikt-wladimir-putin-russland-sowjetunion-rote-armee-krieg-angriff-91370817.html (abgerufen 15.04.22)

[7] Zu Putins Gedankengebäude und großrussisch-reaktionären Ansichten siehe den Hintergrund-Artikel: Putin. Reaktionär, autoritär, nationalistisch von Wolfgang Laskowski in: Der Rechte Rand, Nr. 195/2022, S. 10.

[8] Vgl. dazu zahlreiche Artikel auf der Homepage der NPD-Zeitung Deutsche Stimme, die sich mit Russland, Putin und dem Ukraine-Krieg befassen. Beispielsweise der Beitrag von Sascha von Aichfriede: Deutscher Schuldreflexbogen: Die Ukraine zieht den Nazijoker vom 11.03.2022 sowie den Youtube-Kanal von Frank Franz, des Parteivorsitzenden der NPD.

[9] Vgl.: Redaktionsnetzwerk Deutschland: Gleise unbefahrbar: Belarussische Eisenbahner sabotieren Putins Krieg vom 23.03.2022 (abgerufen 15.04.22) https://www.rnd.de/politik/krieg-in-der-ukraine-belarussische-eisenbahner-sabotieren-gleise-XFFXSSIVPRGNVJ7FWVPUJXNUMY.html

[10] Das Widerstandskomitee berichtet laufend auf Telegram über seine Aktivitäten: https://t.me/s/theblackheadquarter. Es kann per email erreicht werden: blackheadquarterinua@riseup.net

[11] Siehe: https://enough-is-enough14.org/2022/04/11/ukrainische-anarchistinnen-beteiligen-sich-an-der-unterstuetzung-der-bevoelkerung-der-massakrierten-kyiver-vororte-ukraine/

[12] Mitteilung der tschechischen Anarchistischen Föderation vom 15.03.2022.


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