
Aktivist*innen des Cars of Hope (COH) Kollektivs unterhielten sich in Lviv, Ukraine, mehrmals mit zwei Straßenmusiker*innen. Sie hatten sie auf den Straßen von Lviv kennengelernt und wurden Freund*innen. Sie haben zusammen gelacht, getrunken und viel miteinander gesprochen. Ein paar Tränen gab es auch. Ein Interview.
Nachdem die Cars of Hope Aktivist*innen Lviv verlassen hatten, erlitt Stas einen leichten Schlaganfall. Stas und Kristina brauchen Unterstützung für die medizinische Behandlung. Wie ihr Stas unterstützen könnt, erfahrt ihr am Ende des Interviews.
COH: Hallo Leute, wie geht es euch?
Kristina und Stas: Hi, gut, danke.
COH: Könnt ihr euch kurz vorstellen?
Kristina und Stas: Wir sind Kristina und Stas aus Charkiw.

COH: Wie lange seid ihr schon hier in Lviv und wie ist es für euch gelaufen seit dem Beginn der russischen Invasion?
Kristina und Stas: Wir sind seit etwa einem Monat hier und haben uns entschlossen, unsere Stadt zu verlassen, weil sie größtenteils zerstört wurde. Zuerst dachten wir: Der Sieg ist nicht mehr weit entfernt, noch ein paar Tage und dieser sinnlose Krieg wird vorbei sein. Aber wir haben uns geirrt, und mit jedem Tag wurde es beängstigender.
COH: Du meintest, dass du aus Charkiw kommst. Wir wissen, dass die Situation dort sehr schlecht ist. Wann hast du beschlossen, dein Zuhause zu verlassen?
Stas: Als der Krieg begann, lebten wir etwa einen Monat lang unter ständigem Beschuss. Wir wollten nicht weggehen, weil wir dachten, dass er bald zu Ende sein würde. Aber dann geschah etwas im Nova Bavaria Stadtteil und es änderte alles. Ich wollte die Straße überqueren und plötzlich schnitt mir ein Auto den Weg ab, so dass ich anhalten und warten musste, bis ich weitergehen konnte. Und im nächsten Moment sah ich, wie zwei Granaten in das Apartmentgebäude einschlugen und die Druckwelle ein weiteres Gebäude in die Luft sprengte. Ich hörte diese furchtbaren Geräusche, das Krachen, die Schreie, und als die Leute losrannten, schloss ich mich ihnen an. Ein abgetrenntes Bein fiel direkt vor mir herunter, und es lagen viele Leichen herum.
Ich kam nach Hause und erzählte Kristina, was dort geschehen war. Sowohl Kristina als auch ich konnten die nächsten Tage nicht schlafen. An diesen Tagen flogen russische Kampfflugzeuge über die Stadt und es war wirklich beängstigend. Die Granaten schlugen auf dem Marktplatz ein, der nicht weit von unsere Wohnung entfernt war, und viele Gebäude wurden durch den schweren Beschuss zerstört. Wir beschlossen zu gehen. Wir fanden ein Auto, nahmen unsere beiden Katzen und unser Hab und Gut mit und verließen unsere Geburtsstadt.
COH: Wie hat sich euer Leben seitdem entwickelt?
Stas: Nach einer viertägigen Reise mit dem Auto kamen wir hier in Lviv an. Es war schwer, hier eine Wohnung für uns und unsere beiden Katzen zu finden, weil so viele Menschen wegen des Krieges hierher gekommen sind. Aber mit der Hilfe unserer Freund*innen haben wir es geschafft! Kristina hat angefangen, Gitarre zu spielen, und unser Leben ist wieder so, wie wir es vor der russischen Invasion gewohnt waren. Wir haben unser Leben hier neu begonnen. Lviv ist eine großartige Stadt und wir mögen sie. Es ist eine sehr schöne Stadt. Die Menschen hier lieben Musik und Kunst. Wir haben hier viele tolle Leute kennengelernt.
COH: Was sind die größten Probleme, die ihr hier in Lviv habt?
Kristina: Das größte Problem hier ist die lokale Bevölkerung. Ein Teil von ihnen ist wirklich freundlich und hilfsbereit, aber es gibt auch einen Teil von ihnen, der Fremde wirklich hasst, insbesondere Menschen aus der Ostukraine. Diese Einstellung hatten sie schon lange vor Beginn des Krieges. Die Menschen in der Westukraine sind ganz anders, sie haben starke Traditionen, sie sind sehr religiös, die Westukraine besteht hauptsächlich aus Kleinstädten und Dörfern, die Menschen kennen sich untereinander, sie wissen alles über ihre Nachbar*innen, die Leute, die nebenan wohnen, und sie sind sehr misstrauisch und zum Teil sogar feindselig gegenüber Fremden. Die Menschen in der Ostukraine kommen meist aus Großstädten, und es ist uns egal, wer nebenan wohnt und woher er oder sie kommt, wir gehen nicht jeden Sonntag in die Kirche, wir sind Fremden gegenüber nicht misstrauisch. Ein großer Teil der Menschen in der Ostukraine spricht Russisch, die Menschen in der Westukraine sprechen Ukrainisch. Und viele Menschen in der Westukraine geben uns die Schuld an diesem Krieg. Sie denken wirklich, wenn wir Ukrainisch sprechen würden, wäre der Krieg nicht ausgebrochen. Das ist völliger Quatsch! Aber sie mögen es, so zu denken. Solche Leute machen den Binnenmigrant*innen gerne das Leben schwer. Sie erhöhen die Wohnungspreise um das Dreifache, sie rufen die Polizei, „um verdächtige Nachbar*innen zu kontrollieren“ und so weiter. Es gibt viele solcher Leute hier und das ist traurig.
COH: Wie verdienst du hier deinen Lebensunterhalt? Indem du einfach auf der Straße Musik machst oder hast du noch andere Möglichkeiten?
Stas: Ja, jetzt ist das Musizieren auf der Straße die einzige Möglichkeit, unseren Lebensunterhalt hier zu verdienen. Es ist schwer, hier einen guten Job zu finden, wenn man ein Migrant*in ist. Ich war früher Kellner und kann jetzt keine Arbeit finden. Kristina hat früher auf der Straße Musik gemacht, das ist ihre Art zu leben und sie verdient damit ihren Lebensunterhalt.
COH: Habt ihr schon Pläne für die Zukunft gemacht? Bleibst ihr in Lviv, wollt ihr woanders hingehen oder geht ihr zurück nach Charkiw, sobald es irgendwie möglich ist?
Kristina: Wir haben keine Pläne für die Kriegszeit. Das Leben ist ungewiss und der Tod ist immer nah, wie Jim Morrison sagte. Charkiw ist zerstört und es gibt dort nichts mehr zu tun. Wir werden nicht zurückkehren. Wenn sich Kyiv nach dem Krieg wieder vollständig erholt hat, werden wir dorthin… oder nach Europa gehen.
COH: Wir möchten euch danken, dass ihr euch die Zeit für diesen Interview genommen habt! Gibt es noch etwas, das ihr unseren Leser*innen und uns sagen wollt?
Kristina: Wir sind unseren deutschen Freund*innen sehr dankbar, dass sie den Menschen in der Ukraine zur Seite stehen. Ihre Unterstützung ist sehr wichtig für uns. Wir wollen Frieden! Unterstützt die Ukrainer*innen dabei, diesen Krieg zu beenden!
Nachdem die Cars of Hope Aktivist*innen Lviv verlassen hatten, erlitt Stas einen leichten Schlaganfall. Stas und Kristina brauchen Unterstützung für die medizinische Behandlung. Ihr könnt sie mit einer Spende unterstützen:
Kontoverbindung
Volksbank im Bergischen Land
Kontoinhaber: Hopetal e.V.
Verwendungszweck: Stas
IBAN: DE51 3406 0094 0002 9450 87
BIC: VBRSDE33XXX
Im Juli werden Aktivist*innen von Cars of Hope Medikamente, Verbandsmaterial, Lebensmittel und andere Dinge nach Kyiv transportieren. Ohne eure Unterstützung wäre unsere Arbeit nicht möglich. Wenn ihr spenden wollt, benutzt das gleiche Bankkonto (oben), aber ändert den Verwendungsweck in „Cars of Hope“.