
Würzburg. In Bayern gilt ab Mittwoch erneut der Katastrophenfall. Es werden Ausgangsbeschränkungen und – in Hotspots – sogar nächtliche Ausgangssperren eingeführt. Die Wohnung darf nur noch aus triftigen Gründen verlassen werden. Der Weg zur Arbeit oder zur Schule in überfüllten Straßenbahnen und Bussen um dann mit anderen Schüler:innen oder Kolleg:innen in einem Raum zu sitzen bleibt aber weiterhin verpflichtend. Auch das Weihnachtsshoppen in vollen Fußgängerzonen und der Verzehr gebrannter Mandeln auf Weihnachtsmärkten bleiben erlaubt. Zu Weihnachten (23.-26. Dezember) werden die Beschränkungen kurz aufgehoben – Coronapartys mit den Großeltern und anderen Risikogruppen zum Weihnachtsfest werden die Zahlen jedoch wieder massiv ansteigen lassen.
Ursprünglich veröffentlicht von Schwarzlicht Würzburg Mastodon Kanal.
Mit diesen teils widersprüchlichen Auflagen, die das Privatleben so extrem einschränken, den Kapitalismus und das Weihnachtsfest aber unangetastet lassen, spielt die Politik nur den Corona-Gegner:innen in die Hände! Dass Christ:innen ihre Konsumvöllerei zu Weihnachten betreiben dürfen, für andere Religionen jedoch keine Ausnahmen gemacht wurden wird bei Kritik der Corona-Regelungen häufig vergessen, weshalb wir es hier betonen wollen.
Auch das immanente Streben das kapitalistische System – auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen – zwanghaft am Laufen zu halten, Konzerne wie z.B. die Lufthansa mit Unsummen zu retten, kleine Unternehmen wie Restaurants oder Clubs jedoch Pleite gehen zu lassen, kann von der Politik schon lange nicht mehr rational begründet werden. So fällt auch auf, dass zwar wirtschaftliche Einbußen zu einem großen Teil kompensiert werden, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, (z.B. in der Gesundheitsbranche) und das Wegfallen sozialer Anlaufpunkte jedoch hingenommen werden. Soziale Aspekte und Probleme werden nach wie vor vernachlässigt. Hier besteht keinerlei Verhältnismäßigkeit, was es zu kritisieren gilt!
Kritik muss jedoch fundiert sein und nicht geprägt von antisemitischen Narrativen, Verschwörungsideologien und offenem Antisemitismus!
Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung haben unser aller Leben in den letzten Monaten stark eingeschränkt.
Kritik an ihnen kam jedoch fast ausschließlichen von den sogenannten „Coronarebellen“. Gruppen wie „ElternStehenAuf“ vereinen Esoteriker:innen, Impfgegner:innen, Reichsbürger:innen und Verschwörungstheoretiker:innen. Außer der Erlangung der angeblichen Freiheit keine Masken mehr tragen zu müssen und sich nicht impfen zu müssen, haben diese Gruppen kein wirkliches gemeinsames Ziel. So gehen alle Beteiligten nur für die Durchsetzung der eigenen persönlichen Interessen auf die Veranstaltungen.
Selbst hinsichtlich der Frage, ob das Virus jetzt eine Lüge ist, von Gates in die Welt gesetzt wurde oder eigentlich nur eine Grippe ist, können sie sich nicht einigen. Politischen Bewegungen geht es eigentlich um die Schaffung eines gemeinsamen Profils hinter dem sich alle vereinigen können. Den Coronarebellen geht es lediglich um Masse und Symbolik. Was anderes bleibt ihnen auch gar nicht übrig. So instrumentalisieren sie sogar ihre Kinder, um die eigene Inhaltslosigkeit zu kaschieren.
Das ist auch der Grund, warum sich die Kernkritik dieser Bewegung ausschließlich auf die vage populistische Unterscheidung zwischen „uns“ und „denen da oben“ beschränkt. Sie bieten dank dieser Rhetorik einen perfekten Anknüpfungspunkt für diverse rechte und antisemitische Gruppen. Dies beweisen auch die zahlreichen kürzlich erfolgten Versuche des AfD-Kreisverbandes mit ihren Veranstaltungen an diese Bewegung anzuknüpfen.
Da sie nicht in der Lage sind, eine konkrete politische Zielsetzung zu formulieren, können sie sich auch nicht konsequent von diesen Personen abgrenzen. Daher lassen sich aber auch keine Antworten auf die aktuellen Probleme erwarten. Ihre plumpe „Wir gegen Die“- Rhetorik greift zu kurz. Strukturelle Zusammenhänge werden nicht erkannt. Dabei macht die Corona-Pandemie das eigentliche Problem besonders deutlich: Die Betroffenheit spiegelt letztendlich die soziale Ungleichheit wieder.
Denn sowohl das Virus selbst als auch die Maßnahmen betreffen die Bevölkerung nicht im gleichen Maße. Ärmere Menschen leiden mehr als Reiche: sie arbeiten öfter in Positionen, in denen kein Homeoffice möglich ist und stecken sich daher eher an. So hat bereits im April eine Studie der Uni Mannheim festgestellt, dass Menschen im Homeoffice in der Regel einen höheren Bildungsabschluss haben und überdurchschnittlich viel verdienen.
Im Gegensatz dazu waren Menschen mit einem geringeren Bildungsgrad überdurchschnittlich oft von Freistellungen und Kurzarbeit betroffen. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut wiederum fand nun heraus, dass fast die Hälfte der Menschen mit einem Einkommen von unter 900 € Euro monatlich von Einkommenseinbußen betroffen ist. Bei Menschen mit über 4.500 € monatlich ist es lediglich ein Viertel. Die Maßnahmen hingegen verstärken diese Situation noch, weil sie in erster Linie der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Abfederung wirtschaftlicher Folgen dienen. So entstehen willkürlich anmutende Situation, die zum Teil in keinem Verhältnis stehen. Gleichzeitig lockert man den Arbeitnehmer:innenschutz, um die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und fördert damit Ausbeutungsverhältnisse wie sie im Sommer in der Fleischindustrie publik wurden. Der Fall Tönnies hat zahlreiche Schlagzeilen gemacht.
Betroffen waren hier vor allem marginalisierte Menschen wie osteurop. Leiharbeiter:innen, die sich infiziert haben. Die Situation spitzte sich aber schließlich so stark zu, dass der gesamte Landkreis abgeriegelt werden musste. Maßnahmen, um solche Entwicklungen künftig zu verhindern wurden nicht getroffen. Auch Kinder und Jugendliche sollen sich auf eine Kontaktperson außerhalb des eigenen Haushalts beschränken. Dies steht in keinem Verhältnis dazu, dass man sie teils in die Schulen zwingt.
Ausfälle und die Quarantäne ganzer Klassen sind an der Tagesordnung. Vor allem die Bildungsvermittlung leidet in der Folge. Auch Kunstschaffende und kulturelle Institutionen überlässt man weiterhin der finanziellen Not. Die Angestellten im öffentlichen Dienst sowie in den Krankenhäusern hat man beklatscht und ihre systemrelevantz immer wieder hervorgehoben. Dennoch gesteht man ihnen nach wie vor nicht die geforderten Löhne zu und nimmt auch kein Geld in die Hand, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. In der Folge kommt es aber unter anderem auch zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt. Lehren aus dem Frühjahr wurden nicht gezogen. Eine groß angelegte Umfrage der Technischen Universität München zum ersten Lockdown zeigte auf, dass dies besonders bei Familien mit finanziellem Druck der Fall ist.
So fällt auch bei den nun angekündigten Maßnahmen auf, dass es keine Vorstöße hinsichtlich Kompensationen und weiteren Unterstützungsangeboten für Betroffene gibt. Lediglich die Profitverluste von Unternehmen werden zum Teil ausgeglichen. Die Regierung schützt mit ihrem aktuellen Kurs ausschließlich das wirtschaftliche Wachstum auf Kosten des öffentlichen Lebens mit Konsequenzen für uns alle. Gleichzeitig wird aber zu wenig für uns als konkret Betroffene getan. So stellt auch die im Bundestag beschlossene Erweiterungen des Infektionsschutzgesetzes lediglich eine nachträgliche Legitimierung der Maßnahmen dar.
Auch hier ging es in erster Linie um Einschränkungen. Problematisch ist dabei ebenfalls, dass die Entscheidungen weiterhin ausschließlich von den Minister:innen getroffen werden. Maß aller Dinge bleibt hier weiterhin die viel beschworene Verhältnismäßigkeit, welche aktuell allerdings nicht zu erkennen ist. Wir stellen uns weiterhin die Frage: Warum werden wir im Privatleben derart reguliert, wenn zum Wohle der Wirtschaft die Ansteckungsgefahr derart in Kauf genommen wird?
Schwarzlicht Würzburg, 7. Dezember, 2020
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