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Chroniken des Ausnahmezustandes Nr. 4 – Wandzeitung aus #Trentino

Genoss*innen aus dem Trentino (italienisches Territorium) veröffentlichten ihre vierte Wandzeitung über den aktuellen Ausnahmezustand, die nun in mehreren Städten aufgeklebt wird. Nr. 1 könnt ihr hier lesen. Nr. 2 hier. Nr. 3 hier.

Ursprünglich von Il Rovescio veröffentlicht. Übersetzt von Enough 14.

Orignal-Wandzeitung (Italienisch) als PDF-Datei:

„Ihre Viren, unsere Toten“

Wir werden täglich mit Daten über die Zahl der Infizierten, Toten und Geheilten überhäuft. Auch wenn die strukturellen Ursachen dieser Epidemie nie zutage treten – die industrielle Ausplünderung der natürlichen Umwelt und das Ungleichgewicht in den Beziehungen zu anderen Tierarten – bleiben einige Wahrheiten für diejenigen, die sie in dieser Informationsflut zu isolieren wissen, in der Blase. Über 70% derer, die an dem Coronavirus verstorben sind, litten an Bluthochdruck. In 95% der Fälle gibt es Risikofaktoren, die für seine Entwicklung verantwortlich sein können, insbesondere Sesshaftigkeit und Stress. Die Ausgangssperre – mit den notwendigen Vorsichtsmassnahmen – schafft die Voraussetzungen für neue Krankenmassen. Ganz zu schweigen von den verheerenden psychologischen Folgen für all jene, die in nicht tragfähigen Wohn- und Familienverhältnissen leben, die durch den staatlichen Optimismus beseitigt wurden („Alles wird gut. Ich bleibe zu Hause“). Wenn zudem die Bedeutungen von Sonnenschein und Vitamin D für das Immunsystem „Fake News“ sind, warum wird dann in den an die Carabinieri und die Polizei verteilten Protokollen empfohlen, mindestens eine halbe Stunde Sonnenschein am Tag zu haben und im Falle der Unmöglichkeit dessen Vitamin-D-Pillen zu nehmen?

Erschütterndes

Beim BRT [1] in Rovereto gab es zwei Fälle von Corona unter den Packer*Innen (einer davon liegt auf der Intensivstation). Nachdem das Logistikunternehmen schnell und heimlich die Büros (nicht das Lager) „desinfiziert“ hatte, verlangte es von den Arbeiter*Innen, ruhig und ohne Verzögerungen weiter zu arbeiten. Die Packer*Innen weigerten sich, indem sie sich krankschreiben ließen. Unterdessen drängte die Confindustria darauf, die Fabriken so schnell wie möglich wieder zu öffnen (die erst durch die Streikwelle geschlossen wurden, welche die Regierung zwang, die „nicht lebensnotwendige Produktion“ einzustellen). Manche sprechen von einer „unausgewogenen Risikoverteilung“. Andere, die auf den gesamten Planeten und seine gigantischen Ungerechtigkeiten blicken, von einer „differenzierten Apokalypse“.

Wir werden ausführlich darüber reden, und zwar langatmig

Nach offiziellen Angaben wurden zwischen 2009 und heute 37 Milliarden Euro aus dem Gesundheitssystem abgezogen. Könnte es der objektiven Redegewandtheit dieser Tatsache geschuldet sein, dass die Lokalzeitungen ohne die übliche Schlange von Kommentaren der Kriminalisierung über eine Inschrift berichteten, die vor dem Krankenhaus in Rovereto erschien („Danke an das Gesundheitspersonal, aber vergessen wir nicht, wer die Gesundheitsversorgung gekürzt hat“)? Neben den quantitativen Daten gibt es noch eine weitere qualitative. Wenn wir die Zeitspanne ein wenig ausdehnen, stellen wir fest, dass die Gesundheitsversorgung nicht nur gekürzt, sondern auch verändert wurde. Bis 1978 gab es eine Beziehung des Austauschs zwischen der Präventivmedizin und den „Bürgerkomitees“ (ein Ausdruck, mit dem versucht wurde, die vielen Basiskomitees für Gesundheit in den Territorien und auf den Arbeitsplätzen zu institutionalisieren, die während der Kämpfe der siebziger Jahre überall ein wenig entstanden sind). Aus dem Treffen der Ärzte und der Bürgerkomitees, das einige Jahre zuvor stattfand, ging die ernsthafteste und gründlichste Untersuchung der Umweltkatastrophe von ICMESA in Seveso [2] hervor. Angesichts der Tatsache, dass das, was wir gerade erleben, eine Massenerfahrung ist, die nicht so bald wie möglich wieder beseitigt sein wird – es handelt sich um die stärkste Einschränkung der Freiheiten in der Geschichte Italiens – wird es für die Zukunft von grundlegender Bedeutung sein, Räume der Debatte zwischen der Bevölkerung und dem kritischen Gesundheitspersonal zu schaffen, um allgemein und im Detail zu analysieren, was diese Epidemie verursacht hat und wie Regierungen und staatliche Wissenschaftler*Innen ihr begegnet sind.

„Ich wünsche Ihnen eine fantastische Zukunft.“

Mit diesen Worten schliesst der Informatiker Thomas Frey den Brief, in dem er einem wissenschaftlichen Verlag erklärt, dass demnächst die derzeitigen Passwörter dank 5G durch „Gesangsphrasen gekoppelt mit Laserspektren, Berührungsresonanz, Herzschlagerkennung, Infrarotsignatur“ („Corriere Innovazione“ vom 3. April 2020) ersetzt werden. „Wo auch immer Sie sind – fügt sein Gesprächspartner, Professor Derrick De Kerchove, hinzu – Sie werden aufgespürt und virtuell in vier Dimensionen vollständig und kontinuierlich wiederhergestellt, wie es 5G tun kann. Es wird in der Lage sein, jede Ihrer Bewegungen als Ihr digitales Unbewusstes zu erfassen und zu speichern, das profiliert und in Datenbanken verteilt wird, aus denen Entscheidungen (Wahl, Kauf, Abstimmung usw.) hervorgehen werden“. „Aber es ist nicht das Ende der Welt – versichert uns der Professor – nur das unserer illusorischen und angenehmen Autonomie“. „Diese Notlage hat uns die Schulter zur Unterstützung der Verbreitung der Digitalisierung geboten“. Außerdem: „Verschwenden Sie nie eine Krise“. Für diejenigen, die sich gegen eine so fantastische Zukunft der Mensch-Maschine auflehnen, ist die Definition bereits verfügbar: „Taliban der körperlichen Erfahrung“.

Englische Empfehlungen

In Sparkhill, Birmingham, wurden am Donnerstag, dem 2. April, und in Melling, Merseyside, am Freitag, dem 3. April, einige 5G-Mobilfunkantennen in Brand gesteckt. Diese Nachricht wurde auch in Italien verbreitet. Die Urheber der Sabotage wurden in einem Kommuniqué von Google und Facebook als „Verschwörer“ bezeichnet, für sie stellt die neue 5G-Infrastruktur eine wesentliche Voraussetzung dafür da, dass die Überwachung, die sie im Web durchführen, auf das reale Verhalten und die Stadtumgebung selbst ausgedehnt werden kann. In diesem Falle stellt dies keine Verschwörung da. Es ist genau die Logik der Akkumulation, die den besten Weg zur Vorhersage des Konsumentenverhaltens – und zum Verkauf von Vorhersagen an Werbetreibende und die Industrie – bietet, wenn man sie programmiert.Beste Grüße aus Griechenland

Es ist immer klug, auf seine Nachbar*Innen zu hören, welche bereits einen Zustand erlebt haben, der morgen der unsere sein könnte. Ein Kollektiv aus Athen schreibt: „Sie und wir reden von Krieg. Und es ist wahr. Vom Anstieg der Preise bis zum Schwarzmarkt. Von den leeren Supermarktregalen bis zur Lagerung von Lebensmitteln. Von der „Rekrutierung“ einiger Arbeitnehmer*Innen, um die Verluste des Arbeitgebers zu verringern, bis zur Entlassung anderer. Von der Nötigung zur Arbeit ohne elementare Gesundheitsvorsorge bis hin zu Notüberstunden. Vom Mangel an Krankenhaus- und medizinischer Ausrüstung und an Pflegepersonal bis hin zur Umwandlung der Krankenhäuser in Stationen voller „Kriegsverletzter“. […] „Kriegswirtschaft“ bedeutet also eine neue Runde von Memoranden, Entlassungen, Lohnkürzungen, Rentenkürzungen, Kürzungen der Sozialversicherung und Privatisierung. Was der Staat heute gibt, um seinen Bankrott zu stoppen, wird morgen von uns mit Blut bezahlt werden“.

Anmerkungen

[1] BRT ist ein in Italien ansässiger Logistikdienstleister, der Mitglied der DPD Gruppe ist.

[2] Bei der Seveso-Katastrophe handelte es sich um einen Industrieunfall, der sich am 10. Juli 1976 gegen 12:37 Uhr in einer kleinen Chemiefabrik etwa 20 Kilometer nördlich von Mailand in der italienischen Region Lombardei ereignete. Er führte zu der höchsten bekannten Exposition von 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) in der Wohnbevölkerung, was zu zahlreichen wissenschaftlichen Studien und standardisierten Arbeitsschutzvorschriften führte. Die Arbeitsschutzvorschriften der EU sind unter der Bezeichnung Seveso-II-Richtlinie bekannt.


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