
Thessaloniki. Griechenland. Am 17. November 2020 hat die griechische Polizei in mehreren Städten Demonstrationen zum Gedenken an den Aufstand am Polytechnikum 1973 niedergeschlagen. Viele Menschen wurden verhaftet und durch Polizeigewalt verletzt. Der folgende Text handelt von einem Angriff auf eine Polizeistation am selben Tag in Thessaloniki.
Ursprünglich veröffentlicht von Athens Indymedia. Übersetzt von Enough14.
Nicht ein Tropfen war umsonst
Die Blume unserer Jugend wurde gegossen
Und nun, nachdem der Staats- und Medienterrorismus nachgelassen hat, ist es an der Zeit, dass wir uns zu Wort melden. Lasst es uns offen aussprechen, wie dieser Tag des 17. November im kollektiven Gedächtnis des Kampfes und des Widerstandes festgehalten werden soll. Mit Aufrichtigkeit und Demut gegenüber unserer Geschichte, mit Respekt vor all jenen, welche vor 47 Jahren ihren Teil der Verantwortung für den Ausbruch des Aufstandes am Polytechnikum übernommen haben. Für uns alle lebt das Polytechnikum, wenn wir es nicht im Maul der Macht sterben lassen. Dies ist kein Gedenkgottesdienst, es ist keine Erzählung der Vergangenheit. Es ist eine lebendige Flamme, die den Widerstand von heute entzündet. Es ist der Funke, der die Notwendigkeit für soziale Umwälzungen verschärft. Es ist ein Leuchtfeuer für den Aufstand von morgen. Es ist eine revolutionäre Ehrerweisung über die Jahre hinweg, an Kämpfer wie Kaltezas, Koumis, Kanellopoulos und jede*n einzelne*n, der*/die* mit seinem*/ihrem* Blut, die Blume des Widerstandes, gegossen hat.
Im Verlauf des antiautoritären Krieges ist die Geschichte der einzige Erzähler*in, der auf Gewinner:*innen und Verlierer*innen angewiesen ist. Die Geschichte richtet über all jene, welche die Sache der kollektiven Befreiung konsequent und eifrig bis zum Ende verteidigt haben, ungeachtet derer, welche sich in einen Zustand der Unordnung geflohen sind.
Dieses Jahr, konzentrierte sich der Gedenk- und Kampftag an den Aufstand des Polytechniums auf die Polarisierung zweier Welten. Mit Methode und Strategie säten der Staat und seine Ableger ein allgegenwärtiges Klima von Angst, Panik und Terrorismus gegen den sich abzeichnenden sozialen Aufstand. Durch Maßnahmen, welche an die dunkle Vergangenheit erinnerten, nahm sich die uniformierte Garde dieser Republik die Straße, es wurde ein Verkehrsverbot ausgesprochen, eine Strafverfolgung wegen Aufwiegelung zum Ungehorsam durchgeführt und ein Versammlungsverbot für mehr als 4 Personen erlassen. Am 17. November ging es nicht um ein Demonstrationsverbot, sondern darum ein schweigen des militanten Widerstands zu erzwingen. Dieses Schweigen wurde jedoch durch die Schreie von Tausenden von Kämpfer*innen durchbrochen, welche die Herrschaft des Staatstotalitarismus und der repressiven Barbarei durch die Praxis herausforderten.
Bereits am Morgen des Tages überfluteten Hunderte von Bullen die Straßen der Stadt. Doch nichts ist unmöglich im Angesicht der Entschlossenheit, da die Kräfte des sozialen Ungehorsams, die die Barriere und das Verbot brechen, indem sie Kundgebungen in den besetzten Studentenwohnheimen und am amerikanischen Konsulat abhalten. Die Demonstrationen wurden von den repressiven Kräften blockiert, weshalb die Demonstration im Stadtzentrum den gewaltsamen Angriff und die Verhaftung von 6 Kämpfer*innen in Kauf nehmen musste. Und dies war für uns der Moment, um den Staffelstab des Widerstands zu ergreifen. Am Dienstagnachmittag, dem 17. November, führten wir einen Molotow-Cocktail-Angriff auf die Polizeistation Sykeon in Thessaloniki durch. Dieser Angriff auf die Sicherheitskräfte ist nicht nur eine revolutionäre Entscheidung, sondern eine soziale Verpflichtung, welche den Tätern der staatlichen Gewalt gegenüber historisch gerechtfertigt ist. Mit unseren geringen Streitkräften senden wir unsere feurige Solidarität an jede*n einzelne*n Kämpfer*in, die*/der* während der Ereignisse aller Tage vor und während des 17. November ins Visier genommen, verfolgt, verhaftet oder gefoltert wurde.
Der Angriff auf die Folterer der Macht ist eine minimale Erwiderung jener Gewalt, die mit der Existenz von Staat und Kapital einhergeht. Denn wenn die Kämpfer*innen sagen, dass nichts unbeantwortet bleiben wird, dann meinen sie dies auch so. Unsere Brände sind eine Minimalreaktion auf die alltäglichen Erniedrigungen, Folterungen, sexistischen Übergriffe, Verhaftungen und Inhaftierungen durch den uniformierten Müll, welche allmählich zu einer neuen Norm werden. Es ist eine Antwort auf die Angriffe und den Terrorismus, welcher den widerstandigen Gemeinschaften zuteil wird ( Räumung von Hausbesetzer*innen, Polizeitaktiken, Inhaftierung und Verfolgung von Kämpfer*innen, etc.). Es ist eine Antwort auf den täglichen Tod von Migrant*innen in den Gefängnissen, Grenzen, Meeren und Metropolen. Schlussendlich ist es der praktische Beweis für die Herausforderung jeder repressiven Maßnahme, die zur Intensivierung der sozialen Kontrolle beiträgt. Wir haben das moderne Panoptikum in einem seiner Tempel getroffen.
Wir haben eine Verantwortung, die vergangenen Aufstände am Leben zu erhalten, um unsere eigenen Kämpfe mit ihrer Flamme zu entfachen. Aber wir tragen auch die Verantwortung auf unserem Schultern, diejenigen zu zerschlagen, die die Aufständischen jeden Tag mit ihren Aktionen töten. Die Statisten, die die Toten des Polytechnikums entweihen, indem sie gleichzeitig Kränze der Heuchelei und der Politik legen, die diejenigen abwerten und unterdrücken, die die Fortführung des Aufstandes verteidigen. Die Deppen von der verräterischen Linken, welche den Aufstand ausverkauft haben, als sie die Militanten damit beschimpften, dass sie Provokateurismus betreiben würden, und welche sich nun aufmachen, um das Polytechnikum unter dem Parteisiegel zu nutzen. All jene, die unabhängig von ihrer jeweiligen politischen Identität und ihren jeweiligen Zweckmäßigkeiten das Polytechnikum als billiges Juwel im Fenster von gestern sehen wollen. Für sie alle ist das Polytechnikum und jeder Aufstand eine lebendige Bedrohung durch die Konsequenz, den Glauben und den Einsatz des zivilen Ungehorsams für das gleiche Projekt des totalen Umsturzes. Das Polytechnikum gehört allen selbstlosen Kämpfer*innen, welche es mit einem Gedanken, einer Blume, einer Parole, einem Molotowcocktail, einer Kugel ehren.
Das Polytechnikum lebt in der Sturheit von uns allen.
Nieder mit der Macht, der Kampf geht weiter…
Tropfen des November
Wir haben zwei Solidaritäts-T-Shirts (Bilder unten) für das Enough Info-Café entworfen. Ihr könnt die Enough Info-Café-Solidaritäts-T-Shirts hier bestellen: https://enoughisenough14.org/product/t-shirt-wir-werden-nicht-zur-normalitat-zuruckkehren-schwarz/ und https://enoughisenough14.org/product/t-shirt-wir-sind-ein-bild-aus-der-zukunft-schwarz/